Samstag, 13. September 2014

Rück-Click und Rück-Tritt 1994: Als Hans-Olaf Henkel das Handtuch warf...

... und letztlich seine Karriere als Poltiker startete. Seit einem Jahr war damals HOH Chef der IBM Europa. der Kurfürst über aller Herzogtümer in Europa. Und so durften sich auch all seine Vorgänger verstehen. Jetzt war zum ersten Mal ein Deutscher Chef der zweitgrößten Gesellschaft im IBM-Imperium geworden. Eine tolle Karriere für den Hanseaten, der 1940 in Hamburg geboren wurde und seinen Erfolg über den zweiten Bildungsweg gestartet hatte.
Es war die Zeit,, in der sich IBM gerade aus ihrem größten Tief zu befreien schien. Der neue Boß Boss von Big Blue. Lou Gerstner, schien einen Superjob zu machen. Machtbewusst und eitel wie er war, gefiel ihm aber überhaupt nicht diese föderalistische, nach geographischen Gebieten aufgeteilte Weltstruktur des Unternehmens.
Und während sein Vorhänger versucht hatte, die IBM in mehrere Gesellschaft aufzuspalten, um sie wieder konkurrenzfähig zu machen (und sich auf das Service-Business zu konzentrieren), hatte Gerstner erklärt, er würde die IBM zusammenhalten. Aber die Art und Weise des Zusammenhalts, die wollte er neu regeln. So beschloss er, die Landesgesellschaften und deren Dachgesellschaften wie die IBM Europa zu zerschlagen. Dies sollte ihm in einem Maße gelingen, dass wir - die Öffentlichkeit - nicht einmal mehr wissen, wieviele Menschen zum Beispiel bei der deutschen IBM arbeiten. Diese Zahlen gibt's übrigens auch nicht mehr über die IBM USA.
Hans-Olaf Henkel sah sich zum Früstückdirektor degradiert - zumal, wie das Wall Street Journal damals berichtete, Gerstner ihn nicht in seine neuen Pläne in einem persönlichen Gespräch eingeweiht hatte. Natürlich war Henkel zu sehr Profi, um zuzugeben, dass er sich mit dem neuen Big Boss überworfen hatte. Er erklärte, dass Gerstner, wenn er denn unzufrieden gewesen wäre, ihn von einem Tag zum anderen hätte verschwinden lassen. Doch bis Ende des Jahres würde er noch Chairman der IBM Europe bleiben, erst mal nur den Job des Chief Executive Officer an Lucio Stanca abgeben. Zudem würde er Vorsitzender des Aufsichtsrates der IBM Deutschland bleiben.
Was niemand wusste, war, dass Henkel bereits als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie gehandelt wurde - eine Aufgabe, die er nur übernehmen konnte, wenn er zumindest formal einen hohen Posten in der deutschen Industrie bekleidete. Er brauchte den Job als Aufsichtsrat, um dann zwischen 1995 und 2000 das Ehrenamt des BDI-Präsidenten wahrzunehmen. (Und den Job machte er nicht schlecht.)
Dass er es bis an die Spitze der deutschen Industrie hatte kommen können, hatte er letztlich einem Geniestreich zu verdanken. Als er vor 30 Jahren als designierter Chef der IBM Deutschland antrat, er sollte den glücklosen Friedrich W. Sparberg beerben, dem er zuerst zur Seite gestellt worden war, wagte er sich sehr bald vor mit einem dann grandios inszenierten Thema: er brachte den "Standort Deutschland" in die Diskussion. Es ging sicherlich damals auch darum, dass die IBM-Fertigung in Deutschland angesichts der hohen Arbeitsplatzkosten gefährdet war. Und mit der Service-Orientierung, die sein damaliger Boss in den USA, John Akers, anpeilte, war die Frage nach dem Produktionsstanndort Deutschland besonders brisant. Wenn er die Arbeitsplätze retten wollte, sollte Henkel was bewegen. Auf jeden Fall musste ein IBMer, der sich plötzlich so weit vorwagte und in aller Öffentlichkeit die Politik und deren starren Institutionen angriff, sich dafür den Segen aus Armonk holen. Warum sollte John Akers ihm das verwehren? Denn besser konnte er doch gar nicht in dem Land, in dem die IBM nach Japan die meisten Umsätze außerhalb der USA machte, sein Thema "IBM means Services" plazieren. Die überteuerten Soziallasten und verquasteten Arbeitsplatzreglementierungen waren doch Schuld daran, wenn IBM die Fabriken schließen musste. Übrigens: das Thema Sonntagsarbeit war es, mit dem dann Henkel bundesweit bekannt wurde.
Auf jeden Fall war Henkel der letzte profilierte IBMer in Europa, der sich irgendwie in den Medien hervortun durfte. Später sah man noch einen Erwin Staudt, übrigens SPD-nah, in einer Talkrunde mit Sabine Christansen, der Ur-Mutter aller Medonnas. Aber das war es dann auch schon. Damit er bundesweit bekannt wurde, musste er Präsident des VfB Stuttgart werden, der mit IBM wirklich nichts zu tun hat, sondern im Verdacht steht, Fußball zu spielen. Längst ernannt man bei der IBM
Leute zu Chefs, die so streamlined sind, dass sie noch nicht einmal in Versuchung kommen, sich mal auf die Lippen zu beißen...
Raimund Vollmer

2 Kommentare:

Analüst hat gesagt…

Was ist eigentlich eine Medonna? Schon zum 2. Mal taucht dieser Begriff hier auftaucht.

Eine Mediendame?

Raimund Vollmer hat gesagt…

Lieber Analöst, bist ein aufmerksamer Leser. Genau das ist das damit gemeint: Eine Medien-Madonna.