Wahrscheinlich klingt das, was ich jetzt schreibe, wie Angeberei. Aber das nehme ich in Kauf. Denn mir geht es darum, an einem persönlich erlebten Beispiel aufzuzeigen, warum wir Deutschen seit der Gründung von SAP vor 50 Jahren so wenig zu sagen haben in der digitalen Welt.
Vor 23 Jahren wurde ich von der Nürnberger DATEV beauftragt, ein Konzept für einen Internet-Auftritt zu entwickeln. Ich fühlte mich sehr geehrt und angespornt, dieser von mir hochgeschätzten Genossenschaft für den steuer- und rechtsberatenden Beruf etwas Gutes zu präsentieren. In Zusammenarbeit mit dem PR-Chef Peter Willig entwickelten wir die Idee der DATEV-Stadt, die – auf der Basis von 56-K-Modems (!!!) – genau das liefern sollte, was nun der Vorstandsvorsitzende Dr. Robert Mayr in der aktuellen Ausgabe des DATEV-Magazin (03/2022) nicht nur als realisiert, sondern als Zukunftsmusik bezeichnete. Auf der Basis eines im Vergleich zu damals blitzschnellen Internets.
Unsere DATEV-Stadt, ein Metaverse der selben Ideen, die nun Mayr vorstellte, wurde zwar realisiert, aber dann eingestampft – es fehlte dem Management schlichtweg an Phantasie. Es war nicht die Technologie, die uns behinderte, es war das Management.
Und wenn man nun den Ausführungen des aktuellen Vorstandsvorsitzenden Dr. Robert Mayr folgt (ein guter „Doktor“ benutzt – wie er – nicht inflationär seinen Doktor-Titel), dann fehlt es dem Management immer noch an Phantasie. Man kauft sie in den USA ein - dann, wenn sie längst von amerikanischen Unternehmern besetzt sind.
Vielleicht sollte ich Doktor Mayr das Konzept von damals mal zusenden. Übrigens: die Idee des DATEV-Magazins haben Peter Willig und ich auch damals entwickelt – in der Vorstellung, die Zukunftsströme zu präsentieren. Es wurde ein sehr biederes Blatt.
Damit das klar ist: Ich will hier nicht klagen, sondern nur ein Beispiel dafür liefern, wie unser Management die Zukunft verpennt und dann ihr hilfeschreiend hinterherrennt. Die Ideen sind längst alle da. Was fehlt, ist der Mut.
Raimund Vollmer