... es war einers der seltsamsten Interviews, die ich als Journalist führen durfte. Denn während des Gesprächs schlief mein Gesprächspartner ein...
Dr. Edgar Codd, der 1969 als Mitarbeiter im IBM Almaden Research Center in San José im Silicon Valley, die Theorie aufstellte, nach der heute alle relationalen Datenbanken funktionieren, war damals weltweit unterwegs, um sicherzustellen, dass alle Anbieter, die ihre Datenbankprodukte relational nannten, sich an die von seinem Modell aufgestellten Standards hielten. (Sein Modell wurde 1970 publiziert.) So kam er auch nach Deutschland ins damals noch sehr neue IBM-Bildungszentrum in Herrenberg (gibt's nicht mehr). Nach seinem Vortrag war der gebürtige Brite (1923-2003) sichtlich erschöpft und ruhte sich in der Empfangshalle des Bildungszentrums aus. Ich wusste, dass er justament von einer schweren Erkrankung genesen war, zögerte, ob ich ihn wohl ansprechen könne. Denn ich wollöte doch unbedingt mit diesem in der Informatik sehr berühmten Mann ein Interview führen. Vorträge sind wie Pressekonferenzen so wenig exklusiv. Da lächelte er mich, der ich ihm gegenüber Platz genommen hatte, so freundlich an, dass ich ganz einfach fragte, ob ich ihm ein paar Fragen stellen dürfte. Er nickte, sagte aber gleich, es könne sein, dass er zwischendurch mal einnicken würde, denn der Jetlag läge ihm noch in den Knochen. Ich war natürlich zu allem bereit. Und so entstand dieses aus Gesprächsfetzen entstandene Interview. Beim Aufräumen fand ich das Manuskript wieder, das ich auf meinem 1983 erworbenem IBM Schreibsystem (8-Zoll-Disketten, 256 K Hauptspeicher) verfasst habe. Vielleicht hat der ein oder andere Spaß daran - und schläft nicht beim Lesen ein... Codde hatte übrigens 1981 den Turing-Award erhalten, die höchste Auszeichnung in der IT-Szene. Mein Freund Werner Schmid meinte einmal, dass er den Nobelpreis verdient hätte, wenn es denn einen Nobelpreis für Mathematik gäbe. Ich selbst habe ihn als einen äußerst sympathischen Mann in Erinnerung, der einem jungen Mann alle blöden Fragen nachsah. Wie ein väterlicher Freund, eine Rolle, von der ich glaube, dass sie heute den Älteren von den Jüngeren kaum noch zugebilligt wird - selbst wenn die Älteren versuchen, ihr zu entsprechen.
Copyright: Raimund Vollmer