Samstag, 7. Januar 2017

Freitag, 6. Januar 2017

IBM 1992: Niemand hat die Absicht, das Werk Sindelfingen zu schließen

Elf Jahre später war nach einer fürchterlichen Odyssee das einstige "schwäbische Silicon Valley" am Ende.
Journalyse-Quelle: Archiv Raimund Vollmer

Sonntag, 1. Januar 2017

Das Silicon Valley und der Narzissmus

Über Claus Kleber und seine Reportage aus dem Silicon Valley

Hier ist der URL-Sprung des Films

Natürlich ist der Film von Claus Kleber phantastisch. Du sitzt an Deinem Rechner und schaust die wunderschönen Bilder, die beeindruckenden Gespräche mit Helden und Anti-Helden. Und immer wieder dieser wohl angestimmte Dialog zwischen Wort und Bild. Du bist hingerissen von dem unglaublichen Optimismus, von den elegant und suggestiv formulierten Texten, mit denen der Fernsehjournalist das Geschehen begleitet - und je mehr Du Dich hineinbegibst in das Tal der Talente und Träume, in das Silicon Valley des Claus Kleber, desto fremdartiger kommt Dir alles vor. Nicht dass dort irgendein Gedanke drin ist, der wirklich neu ist, nicht eine der Technologien entsteht hier, von der die Menschen der Science und der Fiction nicht schon vor 30,50, 70 Jahren geträumt oder philosophiert hätten, es ist alles bekannt. Es erstaunt Dich vielmehr mit welcher Arroganz diese "Erfinder" den Eindruck vermitteln, das sei alles neu. Und sie seien die Macher. Das bringen sie mit einer Überzeugungskraft rüber, vor der Du anfängst, Dich zu fürchten, zu ängstigen, Dich absolut als nichtsnutzig, als Spielball der Mächtigen zu sehen. Wir werden in eine Welt aufbrechen, auf die wir nicht vorbereitet seien, heißt es. Und dann, nachdem der Fern-Seh-Journalist alle Register seiner beachtlichen Kunst gezogen hat, kommst Du zu dem Schluss: Irgendetwas ist verdammt falsch an diesem Spektakel einer erstklassigen Zukunfts-Reportage. Es ist nicht diese lächelnde Überheblichkeit der Interviewpartner, die nichts gemein haben mit den wahren Pionieren der neuen Ära, mit einem Charles Babbage, mit einem Alan Turing, mit einem Konrad Zuse, mit einer Grace Hopper, schon gar nicht mit den Vätern des Silicon Valley, mit Frederik Terman, mit Dave Hewlett und William Packard, mit Robert Noyce oder Gordon Moore, auch nicht mit einem Steve Jobs, dem sie in Gestus und Kleidung nachzueifern versuchen. Es sind erstklassige Narzissten, die sich an sich selbst berauschen, wenn wir sie bejubeln - wie zum Beispiel in dieser und durch diese Reportage, die uns natürlich dazu verführen soll, nun auch die Gallionsfigur der Reportage, Claus Kleber, zu bejubeln. 

In Tübingen, wo Claus Kleber Honorarprofessor ist, tat man das jüngst mit einer Podiumsdiskussion, deren Aussagen vor 30 Jahren sensationell gewesen wären. Da waren die meisten der Leute im Publikum noch gar nicht geboren. Woher sollen sie also wissen, dass da über Themen und in Argumenten geredet wurden, die sich kaum von denen vor 30, 50 oder 70 Jahren unterschieden? Eine öde Diskussion, die einmal mehr das bestätigte, was der gute, alte Cyril Northcote Parkinson mal als eines seiner Gesetze bezeichnet hatte: "Das Hauptprodukt einer automatisierten Welt ist ausgedehnter und tiefer Stumpfsinn." Das gilt noch mehr für die gesteigerte Form, für die digitalisierte Welt. Claus Kleber hat sich unendlich bemüht, diesen Stumpfsinn zu verdrängen - mit atemberaubenden Bildern und wohltönenden Worten. Aber weder in seinem Film, noch auf dem Podium der Tübinger Diskussionsrunde fiel ein einziges Wort über diejenigen, die all diese Ideen mal in die Welt gesetzt haben - mit unendlicher Anschaulichkeit, mit unglaublicher Realitätsnähe und beispielhafter Kraft. Kein Wort über diese vielen Autoren, die seit mehr als 100 Jahren die Welt beschreiben, zu der das Silicon Valley der Moses ins Gelobte Land sein soll. Eine solche Referenz würden diese Narzissten des technischen Fortschritts niemals dulden. Und so wird auch die Anfangsgeschichte des Silicon Valley komplett ignoriert, in der ein einziger Professor sich aufmachte, den Brain-Drain seiner Heimat zu stoppen. Mit vollkommener Selbstlosigkeit. Kein Wort über Frederick Terman (oder habe ich da etwas übersehen, überhört?) Wahrscheinlich ist der den Protagonisten der Show völlig unbekannt. Denn in Wahrheit himmeln sie ja auch das an, was sie fürchten, sonnen sich im Glanz derer (wobei an die ganz, ganz oben ist Claus Kleber gar nicht rangekommen), die alle Macht über unsere Zukunft zu haben scheinen. Und dann, als Du Dich daran erinnerst, dass die Hauptzielgruppe der Diskussion und des Films Menschen sind, die in und von diesen dargestellten Technologie leben werden, fällt Dir ein, dass es ähnlich rasante Reportagen von 30 Jahren gab: Da war Japan die Kulisse für spektakuläre Selbstinszentierungen des deutschen Fensehens. Da hatte man auch vor der Übermacht des fernöstlichen Landes gewarnt. Da warst Du selber (fast noch) so jung, wie die Leute jetzt im Tübinger Auditorium. Du hast das auch alles geglaubt. Aber Japan ist heute weit davon entfernt, uns in Angst und Schrecken zu versetzen. Als Du noch Kind warst, faszinierte ein Peter von Zahn mit seinen Berichten über die USA das Millionenpublikum des Deutschen Fernsehens. Anschließend versank das Land der unbegrenzten Möglichkeiten im Elend von Vietnam, Ölkrise und Stillstand. Und insofern werde ich mir den Film von Claus Kleber, der übrigens aus der Stadt meiner Wahlheimat stammt, aus Reutlingen, merken.
Was leider in dem Film unerwähnt bleibt, ist, die unglaubliche Fähigkeit des Silicon Valley zur Transformation - bei der die Großen und Mächtigen von gestern immer wieder in die Bedeutungslosigkeit verschwanden. Das wäre meines Erachtens eine wichtige Botschaft gewesen für all die jungen Menschen, die heute die Facebooks und Apples, die Googles und Start-Ups bewundern.
Ach ja, Fabelwesen wie die Einhörner kamen auch im Film vor. Wäre interessant gewesen zu erfahren, mit welchen Tricks diese Start-Ups zu ihren Milliardenbewertungen kommen. Aber das sind die Geheimnisse, die man besser nicht weiß, wenn man selbst diesen Traum vom grenzenlosen Reichtum träumen möchte.
Raimund Vollmer