(Kommentar) ... und damit gehen wir zurück in das Jahr 1979, als das erste Tabellenkalkulationsprogramm der Welt den Apple II eroberte.
Dan Bricklin und
Bob Frankston sind die Erfinder des anfangs als Studenten-Werk konzipierten Programms namens VisiCalc, dessen Idee zuerst von Lotus Development und dann von Microsoft (Excel) übernommen, verbessert und zu Weltruhm gebracht wurde. So weit, so gut.
Was an der Harvard-University begann, bestimmt heute das Denken, Lenken und Handeln einer übermächtigen Generation von Managern in nahezu allen Unternehmen. Das gilt vor allem für die IT-Branche. Wohin dieses auf Tabellenkalkulation reduzierte Denken führen kann, können wir momentan an dem Niedergang des einstmals von Ingenieuren gegründeten und über Jahrzehnte hinweg geführten Unternehmen namens Hewlett-Packard erkennen. Das meinen jedenfalls Leser des Wall Street Journals, in dem jetzt eine Hintergrundstory über dieses einstmals so stolze und soziale Unternehmen veröffentlicht wurde.
Gnadenlos die Kritik an einem Unternehmen, das durch überteuerte Einkäufe zwar zum umsatzstärksten Technologie-Konzern der Welt aufstieg, aber zugleich - und wahrscheinlich auch damit - seinen eigenen Weg verlor. An der Spitze und im Mittelmanagement des Unternehmens stünden heute durchweg Leute, die keinerlei ingenieurmäßigen oder technologie-affinen Hintergrund hätten. Sie hätten nie etwas erfunden, nie etwas codiert, nie eine Produktidee gehabt - geschweige denn die Ideen der Mitarbeiter gepusht. Forschung und Entwicklung waren ein Sparprogramm.
Im Prinzip ist das alles nichts neues. Und diese Diagnose lässt sich auf viele andere Unternehmen - groß oder klein - übertragen. Die Unternehmen haben überlebt oder sogar gesiegt, in denen die Ingenieure, die Erfinder, die Visionäre erfolgreich Widerstand geleistet haben. Dazu gehört eine Riesenmenge Mut. Dazu gehören eine Beharrlichkeit und eine Cleverness, die man nur bewundern kann. Und oftmals haben sie nur gewonnen, weil sie auf persönlichen Erfolg und Anerkennung verzichtet haben.
Wenn die Zahlen eines erfolgreichen Produktes erstmals in den Tabellenkalkulationen als "Asset" auftauchten, dann gehörte die gesamte weitere Geschichte nicht mehr den Erfindern, sondern dem visivercalctem Management. Bei Hewlett-Packard wird diese Entwicklung mit dem Printergeschäft identifiziert, das dereinst alle Takeovers finanzierte und nun - mangels Produktpflege und Weiterentwicklung - als ziemlich ausgelaugt dasteht.
Und schauen wir uns die Firmen an, die Hewlett-Packard aufpickte. EDS - gegründet von Ross Perot, einem Mann voller Stolz und Adel, ein Patriot, der sehr früh, sehr deutlich erkannte, dass General Motors (hatte EDS 1984 erworben) mit seiner Produkt- und Produktions- und Qualitätspolitik dem Ruin entgegenschlidderte. Und weil er dagegen intervenieren wollte, wurde er aus dem Verkehr gezogen. Compaq, dieses vor allem unter dem Deutschen Eckhard Pfeiffer zu Weltruhm geführte Unternehmen, hatte sich 1997 durch den Aufkauf von Tandem, einer Ingenieurschmiede par excellence, und 1998 durch die Übernahme von DEC, das auch zuvor von Pfennigfuchsern ruiniert worden war, zu einem Systemhersteller nach dem Muster der IBM weiterentwickeln wollen. Es war vielleicht auch daran gescheitert, dass der Aufsichtsrat nach dem Blick in die Tabellenkalkulation nicht die rechte Geduld mitbrachte.So kam nach dem Weggang von Pfeiffer H-P ins Spiel und 2001 wurde der 24-Milliarden-Dollar-Merger Wirklichkeit - gegen den massiven Widerstand der Gründerfamilie Hewlett. Dort hatte man offensichtlich nicht nur die Zahlen gelesen, sondern gespürt, dass Hewlett-Packard mit diesem Meger den eigenen, glorreichen Weg verlieren würde. Dieser Vorstellung schloss sich auch die Familie um David Packard an. Die beiden Söhne der Gründer waren dagegen. Aber es nützte nichts.
Die Tabellenkalkulatoren übernahmen die Macht. Deren Blick war so sehr auf die Synergien gerichtet, dass sie die Potentiale des eigenen Unternehmens übersahen.
Es ist beschämend zu sehen, welchen Aufstieg in der Zwischenzeit ein Unternehmen wie Apple nahm - ein Unternehmen, das immer wieder zu sich selbst zurückfand. Vielleicht auch deshalb, weil es bislang nie mehr als 404 Millionen Dollar für eine
Unternehmensakquisition ausgegeben hat. Und dieses Geld legte Apple im Februar 1997 für den Erwerb von NeXT hin - dem Unternehmen des Gründers von Apple. Und was mit der Rückkehr von Steve Jobs aus Apple wurde, das ist die wohl bislang größte Erfolgsgeschichte der Weltwirtschaft.
Raimund Vollmer