Freitag, 2. März 2012

IBM - Das eiskalte Projekt

»Das System IBM tut alles,
um das Individuum zu zerstören -
um dann todunglücklich darüber zu sein.«

1988: Otto von Malaisé, hochrangiger IBM-Manager

Von Raimund Vollmer
War die Meldung, dass IBM in Deutschland 8.000 Mitarbeiter entlassen werde, eine Fehlinformation? Nein, es war nichts anderes als ein Gerücht. Ein Gerücht, das deshalb auf fruchtbaren Boden fiel, weil es glaubwürdig war. Es passte in ein Unternehmen, das seit vielen, vielen Jahren von Leuten geführt wird, die den Glauben an eine finanzgesteuerte IBM mit der Muttermilch aufgesogen haben. Es passte zu einer Firma, deren Management nur eine Art von Arbeit anerkennt, nämlich die des Managements.
Was Mitarbeiter leisten, im Umgang mit Kunden, im täglichen Geschäft, dazu hat dieses Management nur wenig Beziehung. Und weil es diese Leistung nicht abschätzen kann, ist ihm auch das Tun dieser Leute unheimlich. Die einzige Möglichkeit, diese Arbeit beurteilen zu können, liegt im erwirtschafteten Profit. Der kann nie hoch genug sein - schon wegen der keineswegs geringen Managementkosten, für die man natürlich die Mitarbeiter verantwortlich macht. Sie müssen dafür aufkommen. Es ist nicht Aufgabe des Managements, sich selbst zu finanzieren. Wo kämen wir denn dahin? Das gab's ja noch nie.
Das Management ist das System IBM. Und dieses System schafft sich das Management, das das System am Leben hält. Gehorsam und Anpassung werden gut bezahlt. Beides wird aber auch mit zum Teil brutaler Härte erzwungen - bis zur Selbstaufgabe des Individuums, was in den achtziger Jahren den IBMer Otto von Malaisé zu der eingangs zitierten Behauptung führte. Ja, damals litt das System IBM noch darunter, wenn ein Mensch unter den Anforderungen, die es an ihn stellte, zusammenbrach. Das lag auch daran, dass das System IBM, also das Management, sich eingebunden sah in einen größeren, weitaus wichtigeren Zusammenhang, in das, was man dereinst die IBM-Familie nannte. Diese gibt es nicht mehr. Das ist das Ergebnis der Managementleistung von Gerstner & Co. Deren Ziel war es, diese Familie zu zerstören. Das ist dem Management vollauf gelungen. Selbstverständlich ist es darüber nicht todunglücklich. Es war ja gewollt.
IBM ist ein eiskaltes Unternehmen geworden. Die einzigen, die noch Wärme in das Unternehmen hineintragen, sind die Kunden - und die Mitarbeiter, die mit diesen Kunden leben. Aber Gefühle bringen nichts. Und deshalb war die Idee, aus Arbeitnehmer Auftragnehmer zu machen, nur konsequent. Das Gerücht, in der Folge dieser Umwandlung 8.000 Mitarbeiter in den freien Markt zu entlassen, traf auf die Logik, in der das System IBM denkt und handelt.
Nun analysiert Berthold Wesseler in seiner Publikation DV-Dialog die Aussagen, die Martina Koederitz, Chefin der IBM Deutschland, gegenüber der Nachrichtenagentur dapd getätigt hat. Sie dementiert darin das Gerücht, das alles sei "spekulativ, aus der Luft gegriffen" und stünde "in keinster Weise im Verhältnis zu dem, was wir natürlicherweise an Veränderungen in unserer Belegschaft haben." (Dass es zu "kein" keinen Superlativ gibt, scheint die IBM-Chefin nicht zu wissen.) Auf jeden Fall rügt Wesseler, dass es in dem Interview nur "qualitative Aussagen" gab.
Paradebeispiel: „Im Moment haben wir keine konkreten Planungen, unser jetziges Beschäftigungsmodell in Frage zu stellen“, heißt es aus dem Munde von Martina Koederitz.
Das klinge "ähnlich vertrauenerweckend wie das Commitment des Präsidenten eines Bundesligavereins zu seinem Trainer, der gerade das x-te Spiel in Folge verloren hat", meint Wesseler treffend.
IBM steht bei den Mitarbeitern - und auch bei vielen Journalisten - in einer massiven Vertrauenskrise. Und solche Interviews ändern daran nichts. IBM hat kein Mitarbeiterproblem, IBM hat ein Managementproblem, aber damit ist sie nicht allein. In der IT-Branche haben sich in den letzten 20 Jahren Typen an die Spitze vieler Unternehmen und auch Verbände Typen hochgemendelt, die allenfalls "smart" sind, sonst nichts. Keine Emotion, keine Leidenschaft, eitle Egomanen, die sich selbst überschätzen, voller "dirty tricks", die sie uns als besondere Cleverness verkaufen wollen.
In gewisser Weise wäre die Umschichtung der Mitarbeiterstruktur vom Arbeitnehmer zum Auftragnehmer ebenfalls nichts anderes als ein Zeichen von Cleverness. Denn dann bliebe endgültig von der IBM nichts anderes übrig als das System, das Management. Eine Kaste an sich. Sie könne dann wie die Spinne im Netz agieren. Sie verteilt die Arbeit. Sie vergibt die Jobs.
Das Problem ist nur, dass der gesamte Faktor Distribution, dem das Management im 20. Jahrhundert seinen Aufstieg zu verdanken hat, auch der ist, der im 21. Jahrhundert so rationalisiert wird wie im 20. Jahrhundert der Faktor Produktion oder im 19. Jahrhundert die Landwirtschaft. Dieser epochale Prozess, den wir täglich im Internet verfolgen können, geschieht übrigens genau in den Projekten, in denen die Mitarbeiter tätig sind, über die man wacht. Das Individuum ist längst dabei das System zu zerstören, dem das Management seine Existenz zu verdanken hat. Aber wahrscheinlich werden doe Mitarbeiter darüber nicht todunglücklich sein.
Was kann das Management tun? Es muss sich selbst in einer zutiefst dienenden Funktion sehen, nicht in einer herrschenden. Dann gewinnt es Glaubwürdigkeit zurück und Vertrauen. Und es muss wirklich echte Zivilcourage zeigen - und ein "echtes" Interview führen, nicht nur gegenüber einer Nachrichtenagentur.
(Siehe auch: "Exporton: Was für ein Unfug")
(Siehe auch Kommentar zu "Lamberti")
Siehe auch "Jeder vierte Arbeitnehmer hat innerlich gekündigt"
(Siehe auch: "IBMs erstes Quartal 2012: Profit rauf, Hardware runter"
(Siehe auch: "Software-Szene: Die Langweiler aus Deutschland")

Journalyse-Quelle: DV-Dialog, Berthold Wesseler

Donnerstag, 1. März 2012

Französische Lektion: Das Internet besteht nur noch aus Facebook und Twitter...

... definiert ein Angebot von France Telecom für die Mobilwelt. Demnach kann man bei den beiden Sozial-Diensten für 14 Dollar pro Monat soviel trittern und facebooken wie man will, nur wenn man im Rest des Internets surfen will, muss man 0,70 Dollar zahlen - je angefangene 20 Minuten.

Kommentar. Klar ist, dass dies ein weiterer Einstieg ist in die von den Telekoms der Welt gewünschte Aufteilung des Internets in unterschiedlich zu bezahlende Dienste. Dabei ist abzusehen, dass dies dann über kurz oder lang auf das Festnetz übertragen wird. Wer sich bei Youtube einschaltet, zahlt mehr, wer skypt zahlt noch mehr, wer ganze Filme in HDTV und 3D runterlädt...

Werbung ist auch nichts anderes als Information...

... meint Susan Wojcicki aus dem Google-Management und dort verantwortlich für das Anzeigengeschäft. Damit weist sie uns den Weg in eine Webwelt, in der es keinen Unterschied mehr zwischen Werbung und unabhängiger Berichterstattung geben wird. Der Spruch der Verleger, dass "Anzeigen auch Lesestoff" seien, bekommt eine neue Dimension. Denn in einer Zeitung wird zwischen dem, was Werbung ist, und dem, was Nachricht ist, noch optisch und auch inhaltlich unterschieden. Bemühte sich indes früher die PR, die bislang die Grauzone zwischen Werbung und Journalismus zu besetzen suchte, sich den journalistischen Gepflogenheiten zu unterwerfen, kehrt sich dies in letzter Zeit immer häufiger um. Marketing-Blah-Blah bestimmt die Zeilen und Zitate, der Informationsgehalt wird auf ein Minimum reduziert - und das wirklich wichtige, was früher an die erste Stelle einer Meldung rückte, wird in den Mittelteil versteckt. Zuerst wird das Ego desjenigen bedient, der die Meldung aus seinem Budget bezahlt. Heraus kommen dann unglaubliche Dummsprüche, wobei das Erschütternde nicht die absolut fehlende Qualität der Aussagen ist, sondern dass niemand die Verbreitung dieser Peinlichkeiten zu verhindern sucht. Den PR-Verantwortlichen fehlt es allzu oft an entsprechender Courage und Durchsetzungsvermögen. Es ist niemand da, der es wie das Kind im Märchen zu sagen wagt: "Der Kaiser ist aber nackt." Es fehlt an der Tapferkeit vor dem Freund. Und so kann eine Susan Wojcicki ungestraft und ungehemmt die völlige Verwischung zwischen Werbung und unabhängiger Berichterstattung propagieren. Und darauf - so machte die Managerin mehr oder minder unfreiwillig aufmerksam - setzt das Unternehmen Google seine ganze Zukunft. Da kann man nur hoffen, dass die Suchmachinen von Google mit der Zeit an der Masse von Gehaltlosigkeiten ersticken und verblöden. Dass sie zunehmend dazu konditioniert werden, das in den Ranglisten zu favorisieren, was bezahlt wird, ist ein weiterer Grund zur Hoffnung. Wir, die User und Adressaten dieser weltweiten Webwerbung, werden sehr schnell erkennen: Je höher etwas im Ranking nach oben wandert, desto bedeutungsloser ist es. Vielleicht wird irgendwann jemand kommen und sagen: Hier hast du alle Werkzeuge. Jetzt kannst du dir deine eigene Suchmaschine bauen. Das wäre eine Personalisierung, die Google richtig weh und uns allen gut täte.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Microsoft Azure: Die Wolke antwortet nicht...

... oder zumindest mit starker Verzögerung. Dies ist das Ergebnis des Ausfalls einer Servicemanagement-Komponente bei der Azure-Cloud von Microsoft. Heute morgen um 1.45 Uhr nach Greewich-Zeit gingen die Systeme offenbar in den Keller. Betroffen davon waren davon Nordeuropa und USA. Erst zwölf Stunden später waren die Anwendungen wieder einigermaßen lauffähig.

Tod durch Twitter: Falschmeldungen über Stars...

... hat sich die BBC vorgenommen und berichtet über Twitter-Meldungen, in denen der Tod von Stars verbreitet wurde. Die müssen nun ihren eigenen Tod dementieren. Mehr HIER.

Twitter verkauft alte Tweets an Marktforscher...

... meldet die BBC. Demnach verhökert der Sozialnetzwerker zwei Jahre alte Tweets, die im öffentlichen Raum verschickt wurden, an die Marktforscher, damit diese daraus neue Erkenntnisse über unser Denken und Verhalten gewinnen. Rund 1000 Firmen sollen sich bereits für diese Daten interessieren. Gelöschte Tweets bleiben allerdings auch gelöscht, was darauf schließen lässt, dass sie in Wahrheit gar nicht gelöscht sind.

Die Zukunft der Patentkriege

Zum Thema Software & Patente
"Das ist der nächste logische Platz, auf dem sich dieser Kampf (um die Rechte) fortsetzen wird. (Denn Softwarepatente tendieren dazu), vage, überbordend und schwer verständlich zu sein, und sie machen nicht viel Sinn."
Julie Samuels, Electronic Frontier Foundation, gegenüber dem Wall Street Journal

Dienstag, 28. Februar 2012

Apple: iPad3 kommt am 7. März...

... meinen jedenfalls die Medien, die eine Einladung zu diesem Tag erhalten haben.

IBM entlässt in den USA mehr als 1000 Mitarbeiter

Es geht wohl wieder los. Und die Auguren melden, dass dies erst der Anfang sei. 427.000 Mitarbeiter zählt IBM weltweit - mit einem ständig wachsenden Anteil in Fernost, während in den USA schätzungsweise 30.000 Arbeitsplätze in den letzten Jahren gestrichen wurden.
Journalyse-Quelle: Computerworld, 28.2.2012: IBM cuts more than 1,000 U.S. workers

Der Ärger mit Google über die neuen Datenschutzregeln

»Google, I wish I knew how to quit you.«
So beginnt heute die Washington Post einen Bericht über Googles neue Datenschutzregeln, die offensichtlich mehr der werbenden Industrie dienen als den Benutzern. Sie treten am 1. März in Kraft. Rund 350 Millionen Menschen nutzen allein Gmail, haben hier ihre Adressen hinterlegt und regeln darüber ihre Kontakte. Auch YouTube-Datenspuren und Suchmaschineneinträge sollen von Google ausgebeutet werden können. All das erbost die Benutzer, die am liebsten das Verhältnis zu Google beenden möchten - aber die Kosten eines Wechsels seien schlichtweg zu hoch.
Kommentar. Was Google lernen muss, ist, dass das wichtigste Kapital, das diese Firma besitzt, das Vertrauen ihrer Benutzer ist - und nicht die Werbemillionen ihrer Kunden. Dieses Vertrauenskapital ist schneller verspielt, als die Börse crashen kann. Man sieht es nur nicht, sondern die Erosion wird nur ganz langsam sichtbar.
Journalyse-Quelle: Washington Post, 28.2.2012:
Google unified privacy settings unsettle users

Mac Malware klaut Ihr Passwort...

... berichtet Computerworld unter anderem über den Trojaner Flasback.G, der sich von ganz allein unter Nutzung eines Java-Bugs einschleicht. Allerdings soll Apple diese Lücken inzwischen bereinigt haben. Seit Juli 2011 wird das Betriebssystem OS X seit der Version 10.7, alias Lion, ohne Java ausgeliefert, allerdings lädt es sich nach bestätigter Aufforderung selbst runter, sobald eine Anwendung im Netz Java verlangt. Damit öffnet sich die Lücke für den Trojaner. Da Apple nun die Bugs, über die Flasback.G eindringt, beseitigt hat, geht der Trojaner über ein manuelles Verfahren ran: Er erwartet nun, dass man über eine "Content"-Bestätigung unter dem Namen Apple die Einwilligung gibt.


Journalyse-Quelle: Computerworld, 27.2.2012: New Mac malware exploits Java bugs, steals passwords