Die Fachzeitschrift Datamation, ein ehedem mal richtig gutes, anspruchsvolles Fachblatt, berichtete anlässlich seines 25jährigen Bestehens von einm Harvard-Reprt aus dem Jahre 1952. Demnach hatten sieben Harvard-Studenten eine Arbeit verfasst, die sich mit dem Computer als "Gigantengehirn" beschäftigten. Das war fünf Jahre später der Grund, warum "General" George Doriot, Professort an der weltberühmten Universität, sich motiviert sah, sich mit 70.000 Dollar an einem Unternehmen zu beteiligen, das einer der Verfasser gegründet hatte. Es gilt als das erste, nach strukturiertem Vorgehen erteilte Risiko-Kapital. Es wurde also nicht an der Westküste, also im späteren Silicon Valley, erfunden, sondern an der konkurrierenden Ostküste. In Boston. Aus den 70.000 Dollar wurden übrigens 355 Millionen Börsenwert und mit 14 Milliarden Dollar Umsatz der zweitgrößte Computerhersteller der Welt, die Digital Equipment Corp. (DEC) mit 120.000 Beschäftigten. Gründer war Kenneth Olsen, der 2011 im Alter von 84 Jahren verstarb.
Die jungen Leute kennen DEC nicht mehr. Sie sind auch der Meinung, dass man einen virtuellen Börsenwert von einer Milliarde Dollar braucht, um in der Welt etwas darstellen zu können - denn darum geht es ihnen vor allem: etwas darzustellen. Man fragt sich, wie der alte Tom Watson Junior, warum die Gründer so viel Geld brauchen in einer Welt, deren gigantische intellektuelle Infrastruktur, das Internet, ihnen von Menschen wie Tim Berners-Lee (Erfinder des World Wide Webs, CERN), Douglas Engelbart (Erfinder Maus, GUI und Mitschöpfer des Internets, MIT) und vielen anderen (wie Vincent Cerf) geschenkt wurde. Vor 50 Jahren fragte sich IBM-Chef Watson, wie es einer Firma mit nur 34 Mitarbeitern gelungen war, 1962 den schnellsten Computer der Welt zu bauen. Das war die CDC 6600. Deren Schöpfer war Seymour Cray, das Supercomputer-Genie schlechthin.
Ja, heute sollte man sich fragen, warum junge Leute eine Milliarde für irgendeine App brauchen, deren Innovationsanteil sehr, sehr klein ist? Neben dem Bedürfnis nach Selbstdarstellung möchte man meinen, dass man umso mehr Geld braucht, je kleiner der Fortschritt ist. Da haben wir wohl in diesem Jahrzehnt nicht mehr viel zu erwarten - vor allem, wenn man liest, dass unsere Ampel nun die Chipindustrie aufpäppeln möchte. Das Geld geht natürlich nicht an Newcomer, sondern an die Altvorderen, die schon zuvor mit milliardenschweren Subventionen nicht viel anfangen konnten. "More money makes software later", hat einmal einer, der es wirklich wusste, 1975, geschrieben. Sein Name: Frederick Brooks. Er leitete das mit Abstand größte Softwareprojekt seiner Zeit, die Entwicklung eines Betriebssystems, das die ganze Welt umkrempeln sollte. Es hieß OS/360 und gehörte der IBM. (Bill Gates hat es ihr später mit DOS und Windows gleichgetan).
Was hat IBM damit geamcht? Sie hat es "verschenkt" - an ihre Kunden, die damit für ihre Unternehmen "Giant-Brains", Gigantengehirne, schufen. Nun "verschenkt" wird ja heute auch sehr viel, belohnt wird es über Werbung. So das Geschäftsmodell. Ein narzisstischer Erfolg, sehr selbstbezüglich. Das ist der Unterschied. "Macht Eure Kunden glücklich, gebt ihnen Service, auch wenn ihr daran nichts verdient", das war die letzte Geschäftsempfehlung von Kenneth Olsen, bevor er vor 30 Jahren sein Unternehmen verließ. DEC hielt sich nicht daran, verschwand schließlich im Konzern Hewlett-Packard, der auch schon lange nicht mehr weiß, wofür er in seiner Zweispaltung steht. Und IBM will ja auch diesen Weg in die Totalverdummung gehen.
Es wird Zeit, dass sich wieder ein paar junge Leute aufmachen, um etwas wirklich Neues zu kreieren. Und zwar für andere. Das war nämlich das eigentliche Geheimnis des Erfolges von DEC. Für 100.000 Dollar bekam man einen Computer, der so leistungsfähig war wie ein Mainframe im Wert von zwei Millionen Dollar. In dieser Preisdifferenz lag das eigentliche "Risikokapital".
Ich wünsche Ihnen einen reellen Start-up ins Neue Jahr. Raimund Vollmer