Freitag, 30. März 2012

Kommentar: Die Macht der Analysten...

... und die Ohnmacht der Vernunft.
Von Raimund Vollmer
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet heute, dass sich die Aktienanalyse "in einem großen Umbruch" befindet. Unicredit, Bayern LB und WestLB hatten in den letzten Monaten verkündet, dass sie sich aus diesem Geschäft zurückziehen oder wie die LBBW die Zahl ihrer Experten reduzieren werden. Da heißt es, dass die DAX-Werte überanalysiert seien, deshalb würde sich das Gros der kleineren Analyse-Schmiede auch auf die Nebenwerte stürzen. Mehr und mehr würden auch nicht Einzelfirmen, sondern ganze Branchen analysiert.
Wer sich an die achtziger Jahre erinnen kann, wird noch wissen, dass Deutschland, was die Analyse anbelangte, ein Entwicklungsland gewesen war. Dies galt vor allem für die Technologiewerte. Da waren die Amerikaner die Meinungsführer. Und als Journalist hat man neidisch auf die amerikanischen Kollegen geblickt, die dort permanent mit den Besten der Analyseszene in Verbindung standen. Man staunte über den Tiefblick und die Weitsicht dieser Watcher, wie sie damals genannt wurden. Ja, sie waren Watcher, keine Macher, die dem Gegenstand ihrer Beobachtung ihre Macht spüren ließen. Die Unternehmer und Manager der Unternehmen, denen die Watcher ihr Augenmerk widmeten, durften genau das noch sein: man ließ ihnen ihre Gestaltungskompetenz. Heute hat man den Eindruck, dass die Manager nur noch die Erfüllungsgehilfen der Analysten sind. Das Ergebnis ist, dass aus Gestaltern Verwalter wurden. In ihren Posten folgten sie den Kosten, aber nicht den Chancen. Auf diese aber kommt es in den kommenden Jahrzehnten mehr denn je an. Analysten und Manager gingen in den vergangenen zwanzig Jahren eine Symbiose ein, bei der sich überall Typen herausmendelten, die alles aus Zahlen herauslesen wollen - vor allem die Zukunft.
Deshalb meint auch so mancher IT-Anbieter, dass er in der Umstellung seines Angebots auf Analyse-Software genau diesen Typen die Werkzeuge geben kann, die der Unternehmensverwalter braucht, um sein Zahlen-Geschäft weiterbetreiben zu können. Die Software übernimmt das Geschäft der Analysten. Man braucht diese nicht mehr. Das gilt vor allen Dingen für die Großkonzerne, wie sie sich zum Beipiel im DAX manifestieren. Sie stehen für Kontinuität, nicht für Spontaneität. Die Macht der Analyse wandert hinüber zu Automaten. Und folgerichtig müssten diese auf Dauer auch die Aufgaben des Management übernehmen können. Manches spricht dafür. Was niemand sieht, ist, dass mit dem vermehrten Einsatz von Analyse-Software die Unternehmenskapitäne die Orientierungsmarken ans eigene Bug heften...
Vielleicht haben die Analysten genau diese Gefahr erkannt. Wie sollen sie noch argumentieren, wenn die Software das Geschäft mit der Ratio, mit der Vernunft, übernimmt? Wenn die Software, die ja uneingeschränkten Zugriff auf alle Daten hat, mehr weiß, als die Analysten je erfahren können?
In den achziger Jahren (und in den Jahrzehnten davor) hatten beide genügend Platz für Phantasie. Keiner stocherte im Zahlennebel des anderen. Die Unternehmenschefs staunten über das, was die Analysten sich ausdachten und spekulierten. Und manches, was die Analysten aus ihrer Watcherposition zu einer genialen Unternehmensstrategie erklärten, war den Unternehmenschefs in seiner Bedeutung erst im nachhinein klar geworden. Sie hielten es mit Steve Jobs, der von Marktforschung, von dem professionellen und analystischen Umgang mit der Ungewissheit, gar nichts hielt. Sie entschieden aus dem Bauch heraus. Unternehmerische Intuition stand im Vordergrund. Zahlen waren kein Ersatz für Phantasie und Kreativität.
Wenn sich die Analysten nun zurückziehen, wie die FAZ heute in ihrem Finanzmarkt-Aufmacher beschreibt, dann wahrscheinlich auch deshalb, weil sie erkennen, dass ihr Nährwert und ihr Mehrwert für die Unternehmen ausgeschöpft ist. Man befindet sich in einer Pattsituation. Keiner kann dem anderen mehr etwas vormachen. Sie langweilen sich gegenseitig zu Tode.
Nun wollen sich die Analysten auf die Nebenwerte konzentrieren und dort aus Branchenanalysen die Zahlen herausholen, die ihnen die kleineren Unternehmen aus sich selbst heraus nicht liefern können. Da kann einem nur Angst werden um die Nebenwerte. Natürlich werden ihre Kurse und Gewinne steigen, jedenfalls eine Zeitlang. Natürlich werden sich die Unternehmenschefs nun stärker auf die Beseitigung ihrer Schwächen konzentrieren. Natürlich werden jetzt die Betriebswirte die Erfindertypen und Ingenieure endgültig aus den Managementetagen verbannen. Am Ende werden diese Nebenwerte alle schlachtreif sein für eine Übernahme durch die ganz Großen. Und vielleicht ist das ja auch der ganze Zweck dieser Umorientierung...

Google verkauft Tablets selbst...

... berichtet das Wall Street Journal. Nach dem Prinzip "Konkurrenz belebt das Geschäft" hatte Google mit diesem Konzept bereits den Verkauf der ebenfalls auf ihrem Betriebssystem Android basierenden Smartphones angeregt. Jedenfalls kamen im Gefolge dieser Aktion, in der Google in drei Monaten kostendeckend mehr als 100.000 Handys verkauft hatte, die Mitstreiter im Kampf gegen die Apple-Dominanz mit ebenso guten, wenn nicht gar besseren Geräten auf den Markt. Das war vor zwei Jahren. Inzwischen ist Googles Android die Nummer 1 im Markt. Nun scheint Google dasselbe noch einmal bei Tablets wagen zu wollen. Das Android-Gerät kann in den USA auf der Website des Suchmaschinenmediums online geordert werden. Apple hat momentan einen Marktanteil von 73 Prozent, Google muss sich mit 17 Prozent begnügen.
Journalyse-Quelle: Wall Street Journal, 30.3.2012: Google Heightens Rivalry With iPad

Mittwoch, 28. März 2012

FBI über Hacker-Attacken: "Wir gewinnen nicht."

Während sich Deutschlands IT-Firmen- und Verbandsbürokraten in Sachen "Sicherheit im Internet" gegenseitig auf die Schultern klopfen, erklärt der amerikanische FBI-Boss Shawn Henry gegenüber dem Wall Street Journal: "We're not winning." Noch düsterer sieht James A. Lewis vom Center for Strategic and International Studies, einer Denkfabrik, die Gegenwart und Zukunft von Datensicherheit und Datenschutz: "Wir haben den offenen Kampf mit den Hackern verloren". Er behauptet, dass keines der Netze in den USA wirklich sicher sei. Und dann kommt er zu dem Punkt: "Es gibt sowohl in der Wirtschaft als auch in der Regierung das Wunschdenken, dass alles nicht so schlimm sei, so dass ich die Frustration verstehen kann", die seiner Meinung nach dazu führte, dass Henry jetzt seinen Posten beim FBI aufgibt. Seit 2002, als Henry die Anstrengungen in Richtung Cybersecurity massiv erhöhte, stieg die Zahl der von der Behörde behandelten Hacking-Attacken von 1500 auf 2500 Fälle. Zudem stellte er fest, dass viele Firmen, deren Daten gestohlen wurden, dies gar nicht gemerkt haben.
Kommentar. Seien wir froh, dass wir in Deutschland leben und nicht in den USA. Hier merken wir immer nur soviel,wie unsere Funktionäre in Staat und Wirtschaft vertragen.
Journalyse-Quelle: Wall Street Journal, 27.3.2012: U.S. Outgunned in Hacker War
Siehe auch Extrablog (Pressemitteilung der IBM Deutschland: Sicherheit des Internets)

Dienstag, 27. März 2012

Prognose 1999: Das Internet

»Im Jahr 2005 werden zwei Milliarden Menschen im Internet sein. Sie repräsentieren 90 Prozent der Kaufkraft auf diesem Planeten.«
Martin Butler, Chairman der britischen Marktforschung Butler-Group
Journalyse-Quelle: Vollmer-Archiv

Es gibt mehr als nur eine Wolke...

... und deshalb erklären 26 Prozent der Cloud-Kunden, dass sie in 2012 die Zahl ihrer Anbieter erhöhen werden. Die Konsolidierung dieser Multi-Vendor-Umgebung wird nach Meinung von Forrester-Research dazu führen, dass die Kunden mehr Aufwand in die Steuerung dieser Umgebung investieren müssen. Eines der Risiken besteht darin, dass die Eintrittskosten in eine Cloud zwar niedrig, aber die Austrittskosten sehr hoch sein können. Nach Berechnung der Marktforscher rentieren sich Cloud-Investitionen innerhalb von 12 bis 24 Monaten (Payback).
Journalyse-Quelle: Forrester Research

Schön neue Welt der Mobilität

Es gibt weltweit 1,2 Milliarden mobile Internet-Benutzer und 2,5 Milliarden Internet-Anwender insgesamt. Mit Handys der unterschiedlichsten Art laufen weltweit 4,6 Milliarden Menschen herum, dabei haben sie 5,9 Milliarden Verträge abgeschlossen. Bei einer Weltbevölkerung von 7 Milliarden Menschen ist dies eine beachtliche Marktdurchdringung.
Quelle: Business Insider

Intels Weltmarktanteil stieg 2011 auf 15,6 Prozent...

... und verbesserte sich damit um 2,5 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. So befindet jedenfalls die Marktforschung IHS iSuppli.

Ich Bin Mobil: 80.000 IBMer fordern Big Blues IT heraus...

... indem sie ihr eigenes Mobilgerät an die unternehmensweite IT anschließen. Insgesamt 120.000 Handys und andere Mobiles greifen auf IBMs interne Systeme zu. Unter dem Kürzel BYOD (Bring Your Own Device) duldet der einstige Weltmarktführer, der in seinen besten Zeiten seinen Kunden die totale Kontrolle über die gesamte unternehmenseigene IT empfohlen und verordnet hatte, dass seine Mitarbeiter, ihre eigenen Gerätschaften an die IBM-Netze und -Systeme anschließen dürfen. Ja, es ist ihnen gar erlaubt, die eigenen Apps zu nutzen. Gegen den Vormarsch des iPhones waren keine Blackberrys gewachsen, auch wenn diese von IBM zur Verfügung gestellt wurden. Insgesamt treten 120.000 der weltweit 440.000 IBMer mobil mit Mother Blue in Kontakt.
Journalyse-Quelle: Computerworld, 26.3.2012: IBM CIO discusses Big Blue's BYOD strategy

Schon jetzt - so zeichnet der Internet-Dienst Business Insider in dieser etwas zu niedrig aufgelösten Grafik auf - haben Smartphones und Tablets die Welt der PCs zahlenmäßig überholt. Und im Laufe dieses Jahrzehnts werden die Mobilgeräte alles überrollen, was sich ihnen in den Weg stellt. Als Big Blue zwischen 1981 und 1987 das PC-Geschäft noch beherrschte, suchte der Gigant die totale Kontrolle. Heute, wo er selbst weder PCs noch Handys verkauft, ist es ihm egal.