,,, wuchs der Mann auf, der 1966 die DATEV im reifen Alter von 43 Jahren gründete und nun in der Nacht zum Donnerstag im Alter von 93 Jahren in seiner Geburtsstadt Nürnberg verstarb. Was vielleicht kaum einer weiß: Er ist als uneheliches Kind zur Welt gekommen. Ohne Vater wuchs er (Jahrgang 1923) auf. Seine Familie, seine Mutter und seine ältere Schwester, hätten ohne die Rente seiner Großmutter kaum überleben können - und so war das Unglück perfekt, als die Großmutter starb und die wichtigste Erwerbsquelle fehlte. Sie mussten ihre Wohnung verlassen und zogen in jene Wohngegend Nürnbergs, die fest in kommunistischer Hand war. Die Mutter versuchte als Gardrobiere an einem Nürnberger Theater die Familie über die schweren Zeiten zu bringen. Nun erlebte er, wie die Nationalsozialisten immer wieder Razzien in seinem Wohnviertel durchführten und nach Waffen suchten. Die Kommunisten versteckten diese jedoch in den Schulranzen der Kinder, die sie damit auf die Straße schickten. So auch den Jungen Heinz. Es sind diese persönlichen Geschichten, die mir aus dem Leben dieses großen Mannes am nachhaltigsten in Erinnerung sind (und die ich hier jetzt auch aus dem Stegreif erzähle). Ich bin ihm 1978 zum ersten Mal begegnet. Es waren diese persönlöichen Erzählungen, die ihn für mich mehr als alles andere zum väterlichen Freund machten - und zum Vorbild. Er hätte, wie sein japanischer Freund, sein Blutsbruder, ihm einmal gesagt hatte, mit der Datev Milliardär werden können, wenn er sie als Aktiengesellschaft gegründet hätte.
Doch mit der Entscheidung für eine Genossenschaft, deren Patriarch er war, hatte er den Wert "seines" Unternehmens auf Abertausende von Mitglieder verteilt. Und die minutenlangen Standing Ovations, mit denen er beim Jubiläum zum 50jährigen Bestehen geehrt wurde, zeigten, wie dankbar die Mitglieder ihm waren. Und das war ihm mehr wert als alles Geld der Welt. Denn Dankbarkeit war das Leitmotiv, das ihn 1966 dazu brachte, den für ihn nicht einfachen Schritt an die Spitze der Datev zu wagen. Gerade weil er aus diesen ärmlichsten Verhältnissen kam, Krieg und Nachkrieg erlebt hatte, sogar vom Volksschüler zum diplomierten Volkswirt sich enporlernte, eine eigene Kanzlei in seiner Vaterstadt führte, gerade weil ihm dieser Aufstieg geglückt war, hatte er das Bedürfnis gehabt, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Und diese Selbstlosigkeit, die einher ging mit sehr viel Selbstbewusstsein, machte ihn zu einem ganz, ganz Großen der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Ich werde ihn sehr, sehr vermissen. Vor allem seinen mit unglaublichem Esprit angreicherten Humor. In seinem Innersten war er nämlich ein Lausbub, der - und das weiß auch kaum jemand - in seiner Jugend sogar Steptänzer war. Das letzte Mal hatte er diese Fähigkeit eingesetzt, als er um seine Frau warb. Da wird mancher, der ihn nur als Steuerberater (denn das war seine Haltung auch als Chef der Datev) kannten, staunen. Aber auch das war etwas, was Heinz Sebiger auszeichnete: Er konnte wirklich wie ein Kind staunen. Vor allem über die Technik. Hier musste er immer das Neueste und Beste haben. Vor allem von Apple.
Raimund Vollmer