Als Student kaufte Heinz Nixdorf Tannenbäume für 1 Mark auf den Märkten und zog mit ihnen durch die Vorstädte, ging von Haus zu Haus und verkaufte den Leuten den Weihnachtsbaum für zwei Mark. Aus dem Erlös finanzierte er sein Physikstudium. Und weil das eine kleine Weihnachtsgeschichte ist, die mir jetzt wieder einfiel, gingen meine Gedanken weiter und landeten bei dieser kleinen Replik... Es ist aber keine Adventsgeschichte, weil nirgendwo die Ankunft eines ähnlichen, messianisch begabten IT-Pioniers zu erwarten ist.
Am 1. Juli 1952 wurde die Nixdorf Computer AG gegründet. In Essen, nicht in Paderborn. Als Nixdorf Labor für Impulstechnik. Und der erste Auftraggeber waren die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke, die RWE. Daraus entstand ein Unternehmen mit Sitz in Paderborn (ab 1959), der Geburtsstadt von Heinz Nixddorf, dessen Firma 1986, dem Todesjahr des Gründers, fast vier Milliarden Mark umsetzte. Danach begann der Abstieg - und schließlich landete diese dereinst unternehmerischste Computerfirma Deutschlands in den Fängen der Siemens AG, dem Haus- und Hoflieferanten der Deutschen Bundespost.
Siemens galt als ein Finanzunternehmen mit angeschlossener Computerabteilung. Die Münchner waren das genaue Gegenteil der NCAG, wie die Nixdorf Computer AG genannt wurde. Wo Heinz Nixdorf nach Privatisierung der trägen Bundespost rief, war der Hoflieferanz Siemens schon völlig aufgeschreckt - man sprach vom sogenannten EWS-Debakel - als sich das Staatsunternehmen in einem Emanzipationsvorstoß für die digitale Vermittlungstechnik des Kanadiers Northern Telecom entschied. Für Siemens war dies zu Beginn der 80er Jahre ein Fiasko.
Mit staatlichen Subventionen aufgepäppelt, hielt sich Siemens in der IT-Branche als die Nummer 2 in Deutschland und sonst nirgendwo, war Nixdorf ein allseits respektierter Mitbewerber, der sich in 44 Ländern behauptete. Nicht als Number One, gehörte aber überall zu den Top 50, wurde vor allen Dingen aber wegen seiner originären und orginellen IT-Philospophie zu den Visionären. Siemens hingegen war immer nur dann gut, wenn die Gelder aus Bonn flossen. Wir, die Journalisten, mochten Siemens nicht wirklich.
Heute möchte man die Nixdorf-Story gerne totschweigen. Denn sie ist ein Zeugnis dafür, dass man auch ohne staatliche Hilfe im Computermarkt erfolgreich sein kann. Die FAZ brachte kürzlich eine Story über das Silicon Valley, in der man dem Leser den Eindruck suggerieren wollte, dass das Tal der Talente ebenfalls eine von Anfang an staatlich hochgepäppelte Trutzburg der Hochtechnologien sei. So stolz man auf SAP zu sein scheint oder sein muss, als Deutscher, diese Self-Made-Unternehmen sind allenfalls als Ausnahmen geduldet. Und da ja SAP vor allem große Unternehmen und große Institutionen bedient, entspricht es mehr dem in Deutschland gepflegten Weltbild, dass es nicht die Mittelständler sind, die den Fortschritt bringen, sondern das Big Business in Staat und Wirtschaft. (Dass wir unsere momentane Weltstellung nahezu ausschließlich dem Mittelstand zu verdanken haben, ist eine für viele unangenehme Wahrheit).
Nein, wir haben es schon am liebsten mit denen da oben. Nur dort, wo der Staat helfen kann, ist alles wirklich gut. Deshalb haben wir ja jetzt auch demnächst eine Große Koalition. Sie wird alles richten.
Und so bleiben Firmen wie die Nixdorf Computer AG, die es immerhin mehr als drei Jahrzehnte in Deutschland aushielt, eher die Ausnahme. Wahrscheinlich wird es sogar nie wieder ein solches Unternehmen in Deutschland geben.
Raimund Vollmer