„Egoismus besteht darin, sein Glück auf Kosten anderer zu machen.“
Jean Baptiste Lacordaire (1802-1861), französischer Theologe
„Egoismus besteht darin, sein Glück auf Kosten anderer zu machen.“
Jean Baptiste Lacordaire (1802-1861), französischer Theologe
2004: „Ob jemand Gefährder ist, muss erst mit den Ländern verhandelt werden.“
Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamts, über Probleme des Föderalismus bei der Terrorbekämpfung
Als der amerikanische Historiker und Kulturphilosoph Henry Adams (1838-1918) 1909 in seinem Essay „The Rule of Phase Applied to History“ die damals ziemlich überraschende These aufstellte, dass die Geschichte dem Gesetz der quadratischen Verkürzung folge, meinte er, dass jede Epoche ihre eigenen Schöpfungen mit exponentiell wachsender Geschwindigkeit im Vergleich zu der vorhergehenden ausbreiten werde. 90.000 Jahre vergingen, bis sich die lange Phase der Religiosität durch Galileos Galilei gestürzt wurde. Die Zeitalter der Mechanik begann. Brauchten wir dann noch 300 Jahre um die Ära der Mechanik auszukosten, würde die etwa um 1900 anbrechende Zeit der Elektrizität nur noch 17,3 Jahre benötigen, also die Quadratwurzel aus 300. Dann käme das ätherische Zeitalter, das sich nach vier Jahren ausgelebt haben würde. 1921 sei Schluss mit uns.
Auch wenn es so nicht kam, so wies 1996 der Journalist und heutige Mitherausgeber der FAZ, Jürgen Kaube, darauf hin, dass diese exponentielle Verkürzung auf jeden Fall anwendbar zu sein scheint auf den Begriff der „Epoche“ selbst. Deren jeweilige Verweildauer hat sich längst auf den Augenblick, auf das reine Jetzt verkürzt.[1]
Ja, dieses Jetzt scheint noch nicht einmal selbst der verkürzten Zeit gerecht zu werden. So wurde jübngst sogar ein ganzes Jahr zurückverlegt. Die FAZ, diese doch so hochprofessionelle Publikation, legte im Dezember in ihrem Hochglanzmagazin eine Chronik des Jahres 2024 vor. Prima. Alles drin, was dran war. Doch die FAZ traute wohl dem Tempo der Zeit nicht. Sie datierte das schmucke Heft auf Seite 1 unter Dezember 2023.
Womit sich wohl zu bewahrheiten scheint, dass dieses Jetzt uns ins Nichts führt. Schon passiert alles ein Jahr vorher. Wie sollen wir da noch mithalten? Die Zeit dehnt sich und schrumpft gleichzeitig. Ist das schon Quantencomputerei?
Wir selsbt befinden uns jedenfalls in einer permanenten Transformation, die längst nichts mehr über ihr Ziel sagt. Sie frisst sich selbst auf. Im Nanosekundentakt. Wir kommen schon längst mit uns selbst nicht mehr mit. Wir haben uns den Epochen des Smartphones unterworfen, so dass wir auf das, was in der wirklichen Wirklichkeit passiert gar nicht mehr achten. Wir stumpfen ab.
Aber war das nicht abzusehen?
Henry Adams hatte ja schon auf Galileo Galilei hingewiesen. Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker, der große Physiker, der schon im Alter von 15 Jahren mit noch größeren Physikern wie Werner Heisenberg zusammenkam, sah stets eine gerade Linie zwischen Galilei Galileo zur Atombombe, also zu der realen Möglichkeit, den Menschen abzuschaffen.[2] Endgültig. Irgendwann. Jederzeit.
Aber eigentlich gibt es uns jetzt schon nicht mehr. Die Soziologie, die uns doch sagen will, wer wir sind in der Gesellschaft, „betrachtet heute die Menschen als Träger sozialer Rollen“, schrieb bereits 1963 unser Verfassungsphilosoph Jürgen Habermas. Denn alles dient, wie er vorausschickt, letztlich dem „Grad der ‚Verwertbarkeit‘ zu Zwecken einer wissenschaftlich angeleiteten Verwaltung“. [3] Aber das ist schon nicht mehr das Geschäft der Soziologen, vielleicht auch nicht mehr der Verwaltung, die mit der Kategorisierung längst überfordert ist, sondern dieser Giganten des Social Media. Sie sorgen dafür, dass wir unsere einmal algorithmisch ermittelten Rollen umso tiefer verinnerlichen, je besser sie sich verwerten lassen. Es ist ihr Social „Midas Touch“ – analog zu der griechischen Sage, in der sich alles, was der König Midas berührte, in Gold verwandelte. Und diese Giganten, deren Gold die Virtualisierung aller Lebensbereiche ist, werden am Ende dieses Prozesses, dass sie vor dem Nichts stehen, wenn sie denn überhaupt zu einer solchen Erkenntnis fähig sind.
„Kein Objekt ohne Subjekt“ hatte der Privatdozent und Philosoph Arthur Schopenhauer im Sommersemester des Jahres 1820 in Berlin in einer seiner Vorlesungen den Studenten zugerufen. Sechsmal in der Woche, nachmittags von 4 bis 5 Uhr, erläuterte er ihnen „die Lehre vom Wesen der Welt und dem menschlichen Geist“. Es kamen nur wenige Studenten, aber sie blieben ihm treu. Und er wusste sie auch zu fesseln – als Subjekte, denen er selbst als Objekt diente. Sie waren die Erkennenden, er war es, dessen Worte sie zu erkennen hatten. Er war die „Vorstellung“, sie waren das Publikum.[4]
Was nützt die beste Vorstellung, wenn es kein Publikum gibt, keine Subjekte. Was nützen den Titanen ihre Zeta-Daten und Weltallgorithmen, wenn sie keine Untertanen mehr haben, wenn alles, was dereinst Subjekte waren, nur noch Objekte sind?
So ersticken die Datenkraken schließlich an sich selbst. Sie überfressen sich. Und wir, was geschieht mit uns? Verschwinden wir einfach oder leben wir für uns selbst weiter – als Subjekte ohne Objekte? Gute Frage. Ohne Frage. Oder?
Fortsetzung folgt, vielleicht morgen. Mal sehen, ob ich genügend Objekte finde und in ihnen irgendetwas entdecken kann..