Dienstag, 31. Dezember 2024

TITAN ODER UNTERTAN (Teil 4)


 

Teil 4: Kleistern mit Kleist

Da ich das, was ich gerne schreiben möchte, einfach nicht in die Tastatur hineinbekomme, es sind immer viel zu viele Gedankengeister gleichzeitig, die sich der Aufmerksamkeit meiner Finger unterwerfen möchten, lade ich Euch, meine lieben Freunde, stattdessen zu einem Experiment ein – vor allem die, die sich bei ChatGPT & Co. schon eingenistet haben. 


Heinrich von Kleist hat 1810 in einer politischen Kampfzeitung, den „Berliner Abendblättern“, ein Gebet simuliert, von dem ich den Eindruck habe, dass es sehr gut auf unsere momentane Situation und auf die der Deutschen passt. Ich habe mich gefragt, wenn diese Simulation tatsächlich eine Computersimulation wäre, die ChatGPT oder irgendein anderes Sprachmodell erstellt hätte und nicht ein echter Autor, wie ich darauf wohl reagieren würde. Erstens würde ich die Künstlichkeit erkennen und akzeptieren, zweitens würde ich mich angesprochen fühlen, die Schlafsucht – die einen ja vor allem in der Silvesternacht befällt – zu besiegen und würde ich drittens ChatGPT beauftragen, mir eine entsprechende Antwort zu formulieren – kurzum: mit diesem Text zu experimentieren. Was geschieht, wenn Ihr ChatGPT – in welcher Form auch immer und mit welchem Auftrag – mit diesem Text oder Stichworten daraus konfrontiert. Natürlich könnt Ihr ihn auch klassisch kommentieren oder adaptieren und wir uns hinterher fragen, ist der neue Text, sind die neuen Gedanken nun aus der Maschine oder von einem Menschen. Sind wir die Titanen oder die Untertanen? Wäre schön, wenn Ihr mitmacht. Als Silvester-Jux.

 „Gott, mein Vater im Himmel, Du hast dem Menschen ein so freies, herrliches und üppiges Leben bestimmt. Kräfte unendlicher Art, göttliche und tierische, spielen in seiner Brust zusammen, um ihn zum König der Erde zu machen. Gleichwohl, von unsichtbaren Geistern überwältigt, liegt er, auf verwunderungswürdige und unbegreifliche Weise, in Ketten und Banden: das Höchste, vom Irrtum geblendet, lässt er zur Seite liegen, und wandelt, wie mit Blindheit geschlagen, unter Jämmerlichkeiten und Nichtigkeiten umher. Ja, er gefällt sich in seinem Zustand: und wenn die Vorwelt nicht wäre und die göttlichen Lieder, die von ihr Kunde geben, so würden wir gar nicht mehr ahnden, von welchen Gipfeln, o Herr! der Mensch um sich schauen kann. Nun lässest du es, von Zeit zu Zeit, niederfallen, wie Schuppen, von dem Auge eines deiner Knechte, den du dir erwählst, dass er die Torheiten und Irrtümer seiner Gattung überschaue; ihn köderst du mit dem Köcher der Rede, dass er, furchtlos und liebreich, mitten unter sie trete, und sie mit Pfeilen, bald schärfer, bald leiser, aus der wunderlichen Schlafsucht, in welcher sie befangen liegen, wecke.“

Ob es wohl mehr als zehn Kommentare geben wird, oder hat die Schlafsucht uns übermannt? R.V.

17 Kommentare:

Besserwisser hat gesagt…

Nur Mangel an Beschäftigung und Trägheit des Geistes benehmen uns den Mut zu uns selbst und wiegen uns in Schlafsucht.
Karl Gottlob Schelle (1777 - um 1825), Philosoph

Anonym hat gesagt…

Die Erfindung der Sprache ist vor der Philosophie hergegangen, und das ist es, was die Philosophie erschwert, zumal wenn man sie andern verständlich machen will, die nicht viel selbst denken. Die Philosophie ist, wenn sie spricht, immer genötigt, die Sprache der Unphilosophie zu reden.
G.C. Lichtenberg

Kunst des Lebens
Veröffentlicht unter der Zulassungsnummer US-W-1050
der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung im Schuler-Verlag Stuttgart, Lennhalde 28
Autor Dr. Hermann Frasch
Dezenter 1948

Anonym hat gesagt…

Wenn die Philosophen in fremden Zungen sprächen, würden sie überhaupt nicht verstanden. Schon so ist es oft schwierig…

Anonym hat gesagt…

Nichts ist ohne Grund, warum es sey.
Einleitung Paragraph 5
Über die vierfache Wurzel vom zureichenden Grunde
Arthur Schopenhauer

Anonym hat gesagt…

Ich weiß nicht. Was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin.
Ein Gedicht aus uralten Zeiten,
Das kommt mir wieder in den Sinn!
Heinrich H.

Besserwisser hat gesagt…

Frei nach Heine

Anonym hat gesagt…

Der hatte ja auch zwei Versionen

Besserwisser hat gesagt…

🤣

Anonym hat gesagt…

Das liegt meist an der Person, die sich nicht ausdrücken kann, oder das absichtsvoll macht, um vermeintlich die Bedeutung zu erhöhen - weniger an dem Gedanken.
Bei Sloterdijk kommt noch hinzu, dass er so schlampig in seiner Aussprache ist, somit leichter zu lesen.

Anonym hat gesagt…

Ist unverständlich der Herr Philosophe,
will er zeigen: Nix für Doofe.

Anonym hat gesagt…

Die Menschen wollen immer vom Autor etwas Großes im Stoffe, um sich zu entschuldigen, dass sie kein Großes in der Form finden; und um zu verhehlen, dass sie eben das rechte Große, das überall sein kann, nicht kennen.
Jean Paul
Bemerkungen über den Menschen 5. Band

Anonym hat gesagt…

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.....
Dazu fällt mir spontan ein, wie ich - und sicher auch andere - vor dem Schaufenster eines Fotografen stand und etwas peinlich berührt die Fotos ansah, die der Fotograf vermutlich als Beispiel seiner Profession im wahrsten Sinne des Wortes ausstellte. Die Hochzeiten, Familienportraits, Konfirmanden - Sie wissen was ich meine.
Seltsam unwirklich, steif, Trussaut-wächsern sahen die Leute aus, jedenfalls ohne Leben.
Wie diese Menschen in Wirklichkeit waren, konnte man sich gar nicht vorstellen. Und was mich wirklich verblüffte: jedes dieser Schaufenster verströmte dieselbe Distanz, dieselbe Unwirklichkeit.
Und heute?
Wenn einem Fotos von Menschen begegnen - meist via Internet, dann finden wir eine andere, neue Unwirklichkeit.
Das Posen mit spastisch wirkenden Verrenkungen, das Grimassieren, das Schnuten, damit die Botox-Lippen noch besser zur Geltung kommen, ein Kiffergrinsen, das uns an unsere LSD-Zeit erinnert, der ganze Körper in unwirklicher Haltung.
Weltweit das Gleiche bis zu einem gewissen Alter (mit Ausnahmen wie Musk und Trump).
Überall wieder eine Unwirklichkeit, die normativ ist. Wollen wir uns diese Leute so vorstellen wie sie sich uns zeigen?
Wieder peinlich berührt - wie die Portraits im Fotoladen- nur intensiver.

Anonym hat gesagt…

Was ist denn aus dem Vollmerschen Experiment geworden?
Ist in den vom alten Jahr ausgelaugten Hirnen hängengeblieben?
Und KI-Systeme sind ohne menschlichen Anstoß auch nicht ins Laufen gekommen.

Anonym hat gesagt…

Experimente können auch scheitern – oder zum Beweis des Gegenteiles führen. QED.

Analüst hat gesagt…

Habe ChatGPT gefragt: Bitte schreibe ein Gedicht mit den Worten Kleist und Kleister. Hier die Antwort:

In einem Zimmer, still und heiter,
Lag ein Buch von Kleist, so gescheit und weiter.
Seine Worte, tief und voller Kraft,
Erwecken Gedanken, die man nie schafft.

Doch neben dem Werk, so fest und klar,
Stand ein Topf mit Kleister, wunderbar.
Er verbindet die Seiten, hält alles zusammen,
Wie die Worte von Kleist, die in Herzen entflammen.

So kleben die Gedanken, wie Kleister im Raum,
Und die Poesie blüht, wie ein schöner Traum.
In der Welt der Literatur, so bunt und weit,
Finden Kleist und Kleister stets ihre Zeit.

Geht doch, denn es reimt. Und alles was reimt ist gut, sagt Pumuckl...

Analüst hat gesagt…

Und hier noch ein Gedicht mit Scheibenkleister:

In der Werkstatt, flink und heiter,
Scheibenkleister, unser Begleiter.
Klebt die Teile, fest und stark,
Macht das Basteln zum wahren Park.

Mit jedem Tropfen, voller Schwung,
Entsteht ein Werk, so bunt und jung.
Scheibenkleister, du treuer Freund,
Mit dir wird alles, was wir tun, vereint!

Besserwisser hat gesagt…

"Ich mach jeden Schabernack - und niemand steckt mich in den Sack."

Pumuckl