Donnerstag, 16. Juni 2011

100 Jahre IBM: Gratulieren wir trotzdem...

... obwohl IBM in der Vergangenheit eigentlich immer das Jahr 1914 als ihr Geburtsjahr angesehen hat. Während wir Menschen eher dazu neigen, uns jünger zu machen als wir sind, scheint es bei Mother Blue umgekehrt zu sein. Vielleicht ist es aber auch so, dass nur noch bei Beerdigungen mehr gelogen wird als bei Jubiläen. Und alle wünschen natürlich der IBM alles Gute für die Zukunft. Vor allem aber wünschen wir der technisch-wissenschaftlichen Intelligenz dieses Unternehmens, das alljährlich die meisten Patente produziert, dass ihr die Kreativität nicht ausgeht, die sie braucht, um die vielen Fehler zu kompensieren, die vor allem in den letzten 30, 40 Jahren begangen wurden. Es waren klassische Managementfehler, die oft in der übermütigen, arroganten Vorstellung ihren Ursprung hatten, dass der IBM die ganze Welt zu Füßen liegen müsse.
Vielleicht war das sogar so an dem größten Wendepunkt in ihrer Geschichte, 1961, als sich die Company entschloss, das geniale Mainframe-System /360 zu entwickeln und zu bauen. Am 28. Dezember ist es genau 50 Jahre, dass eine Gruppe von Experten und Managern die entsprechende Vorstandsvorlage fertiggestellt hatte, über die dann eine Woche später, am 4. Januar 1962, entschieden wurde. Mit dem Aufstieg der IBM /360, 1964 anlässlich des 50jährigen Bestehens angekündigt, begann ein Triumphzug, der bis heute - Microsoft & Intel, Google & Facebook inklusive - unübertroffen ist in der Geschichte des Computings. Denn die IBM /360 schuf sich in umfassender Weise ihr eigenes Geschäftsmodell. Sie war alles, sie war das Ganze, nicht der Teil oder der Aufsatz von etwas anderem. Sie war Betriebssystem und Prozessor, sie war die Suchmaschine ihrer Zeit mit IMS und Stairs (wer erinnert sich noch?), sie war das soziale Netzwerk eines Unternehmens.
Dass es IBM in der Folge nicht gelang, die drei Genies, die hinter der Maschine standen, also Amdahl, Brooks & Blaauw, zu halten, sondern zu vergraulen, belegt aber auch, dass der Erfolg viele Väter hat, genauer gesagt viele falsche Väter. 1911 waren die Leute noch nicht an Bord, die IBMs legendären Ruf begründen sollten, 60 Jahre später, 1971 war so gut wie niemand mehr davon an Bord. Jener graue, bürokratische Typ übernahm bei IBM die Macht, der in dem Erfolg der anderen (der Wettbewerber) nie auch einen Spiegel des eigenen Versagens sah. Und wenn jemand wie John Akers es wagt, ihnen diesen Spiegel vorzusetzen, wurde er weggeekelt. An seine Stelle trat ein Mann, dessen Eitelkeit in keinem Verhältnis zu seinem Können stand: Lou Gerstner. Er hätte durchaus das Zeug zu einem dritten Watson gehabt, aber er ebnete ihr nicht den Weg ins 21. Jahrhundert, sondern maximierte lediglich die Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Einen wirklichen Wandel, wie jetzt alle Welt zu loben scheint, vollzog die Company nie. Sonst wäre sie heute Microsoft & Intel, Google & Facebook in einem - und Apple obendrauf als Sahnehäubchen. Das Potential dazu hatte sie - übrigens gab es Auguren, die 1978 der IBM für das Jahr 2000 genau die Zukunft vorhersagten, die heute von den Newcomern besetzt wird.
Tom Watson jun. soll einmal gesagt haben, dass 80 Prozent der Manager am System IBM zugrundegehen - und der Rest schafft es nur durch eine immense Anpassungsleistung. Sie sind dann das System. Wie stark diese Anpassungsleistung inzwischen ist und vor allem wirkt, erleben wir am heutigen Tag: alle Zeitungen feiern den 100. Geburtstag. Dabei ist der 16. Juni 1911 nur Vorgeschichte.
Vielleicht aber ist das sogar ein gutes Zeichen. Denn es könnte ja sein, dass 2014 ein neuer Watson in die Firma eintritt. Wünschen wir dies dieser Firma, die ich trotz aller Kritik immer auch bewundert habe, dass ihr dieser große Coup in den nächsten drei Jahren gelingt. Das Rennen ist bereits eröffnet...
Raimund Vollmer

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Aus der Medieninfo :-) der iBM von heute:

Einer der ältesten noch lebenden IBM Pensionäre, Luis A. Lamassonne, ist 105 Jahre alt und lebt in Miami. Er begann 1933 bei IBM und arbeitete 38 Jahre im Unternehmen, zuletzt als Executive in Lateinamerika. Im Blick auf das Jubiläum von IBM sagte Lamassonne "IBM war immer eines der besten Unternehmen. Die Firma ist etwas besonderes wegen ihrer Menschen. Ich glaube, dass IBM für viele Jahre weiter bestehen wird, für ein weiteres Jahrhundert."