Freitag, 3. Juni 2011

Glosse: Sapzarap

Walldorf ist kein „Walddorf“, wie Journalyse kürzlich versehentlich meldete, sondern eine durchaus blühende und wohlhabende Kleinstadt im Süden der Kurpfalz. Weltunternehmen wie IKEA und die Heidelberger Druck (in der Kurpfalz „Schnellpresse“ genannt), REWE und nicht zu vergessen die SAP sorgen für ständigen Aufschwung, noble Straßenbeläge und ordentlichen Wohlstand. Das war noch nicht der Fall, als der berühmteste Sohn Walldorfs mit 17 Jahren seine Heimat fluchtartig verließ und sich über London nach New York absetzte. Johann Jacob Astor wurde zum reichsten Mann der Vereinigten Staaten, handelte mit Musikinstrumenten, Pelzen und ein bisschen Opium, das er aus China importierte. Seine Geschäftsmethoden waren etwas ruppig. So drückte er gestandene Pelzhändler aus dem Geschäft, indem er die Indianer statt mit Haushaltsgeräten und anderen nützlichen Dingen mit Alkohol und Waffen versorgte. Als Pelze aus der Mode kamen, sattelte Astor um und betätigte sich als Immobilienhai, was ihn zum größten Grundstücksbesitzer Manhattans machte. Obwohl er seine Heimat nie mehr wieder sah, sind anscheinend einige seiner Gene in Walldorf verblieben und verleiten Mitarbeiter des lokalen Softwareriesen zum nicht ganz fairen Umgang mit der Konkurrenz, die die Walldorfer mit Klagen überschüttet. Henry F. Sherwood, ein Computerpionier der 80er Jahre verstieg behauptete schon vor Jahrzehnten: „Jedes große Softwarehaus ist durch Diebstahl entstanden“, was für Riesenaufregung sorgte. So ganz falsch lag der Computerguru allerdings nicht, und, wenn man die aktuelle Szene verfolgt, ist es eigentlich völlig egal, wer wen verklagt, denn alle – ob groß oder klein - kupfern bei den Mitbewerbern ab, kaufen Konkurrenzmitarbeiter samt deren Produkte und sparen damit Entwicklungszeit und Kosten, die wahrscheinlich wesentlich höher wären als die zu erwartenden Strafen. Durch dieses nicht ganz korrekte Verfahren entstanden Giganten, die anfallende Geldstrafen aus der Portokasse bezahlen. Da nichts so schlecht ist, dass es nicht für was gut ist, erlösen die Kläger durch die Schadenersatzzahlungen sicher oft mehr als sie durch den Verkauf ihrer Produkte jemals verdient hätten. Und damit ist die Welt eigentlich wieder in Ordnung.

Verfasser: Hermann K. Reiboldt

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