1987: »Die Börse arbeitet nur noch für sich selbst. Es steht kein echter Boom bei Investitionen dahinter.«Charles P. Kindleberger, Massachusetts Institute of Technology
The New York SCHOCK Exchange
Frankfurt. Montagmorgen, 19. Oktober 1987. In Deutschland war alles ruhig. Noch schlief
die Wall Street. Doch wer von
den Börsianern am Morgen seine Frankfurter
Allgemeine Zeitung studiert hatte, spürte, dass dies ein Tag der
Entscheidung sein würde. »Computergesteuerte Verkaufsprogramme haben am
Freitag und in den Vortagen den Kursverlauf gefährlich beeinflußt und können
auch weiter markttreibend wirken«, schrieb voll böser Ahnungen das Blatt in
der Börsenkolumne Brief von der Wall
Street. Weiter hieß es da: »Automatismus kann hier zum Teufelswerk
werden. Panik ist schwer mit Vernunft beizukommen.«[1] Plötzlich
schimmerte Angst durch vor dem bislang so perfekt inszenierten Zusammenspiel
zwischen Profis und Computer...
New York. Montagmorgen, 19. Oktober 1987. Während in Deutschland längst Nachmittag war, lasen die Amerikaner begierig
am Frühstückstisch die neuesten Nachrichten. Um 108,36 Punkte war am Freitag
zuvor der Dow Jones gefallen.
Damit sei der »Kapitulationspunkt erreicht«, überbrachte das Wall Street Journal eine Botschaft
von Dennis Jarrett, Analyst bei
der Investmentbank Bear, Stearns &
Co.. »Die Hitze wird so stark, dass die Leute nicht mehr am Feuer
verweilen können.« Seine Befürchtung: an diesem Montag würde die Börse mit
Verkaufsorders überschwemmt. Eins war klar: ab einem Volumen von 600 bis 700
Millionen Aktien, würde eine »wahre Panik« herrschen, warnte Ned Davis, Chef von Ned Davis Research Inc. in Venice
(Florida).[2]
Wenige Stunden später nahm das Drama seinen Lauf. Die New Yorker Börse
erlebte den freien Fall des Dow Jones,
der in wenigen Stunden von seiner Position mit 2246 Punkten um 508 Punkte
absackte und schließlich beim Stand von 1738 Punkten erschöpft einrastete.[3] Wäre die
Börse noch länger offen gewesen, dann hätte Sturz noch tiefer sein können.
Dieser Fall um 22,6 Prozent war aber auch so schon schlimm genug. Er übertraf
sogar den Schwarzen Freitag im Oktober 1929, als der Dow Jones 11,7 Prozent einbüßte. 604 Millionen Aktien wurden
verkauft. Das war dreimal mehr als der Tagesdurchschnitt ‑ aber es gab wohl
keinen, der sich über diese Leistung freute. Niemand lobte deswegen die
immense Effizienz der Computer, die sich an diesem Tag eine grandiose Schlacht
lieferten.
Denn das Volumen, das an diesem Tag abgewickelt werden mußte, war 37mal
höher als am 29. Oktober 1929.[4] Damals
waren gerademal 16,4 Millionen Aktien auf den Markt geworfen worden. Und das
war schon eine Rekordleistung gewesen.
Damals, am Schwarzen Freitag, hatte das Volumen im Vergleich zum 3.
September 1929, als der Dow Jones
seinen Höchststand markierte, um den Faktor 4 übertroffen.[5] Im Vergleich
zu der Wucht des Black Monday
war Black Friday jedoch
allenfalls ein grauer Tag. Am 19. Oktober 1987 legte sich tiefe Finsternis
innerhalb von Sekunden über die ganze Welt.
»Mit Computer‑Geschwindigkeit rauschte die Kunde vom US‑Börsendesaster
[...] um den Erdball und zog alle Börsen mit«, schrieb die Tageszeitung Die Welt.[6]
Dabei verloren die Anleger in der Woche nach dem Crash rund eine Billion Dollar ‑ die bis dahin
wohl größte Geldvernichtung in der Geschichte der Börsen. Die Effektivität
der Börsianer war dahin: statt Werte zu schaffen, hatten sie nun Vermögen
zerstört.
Was besonders erschütterte, war die Perfektion des weltweiten Zusammenspiel
der Finanzplätze. So etwas hatte es in der Historie noch nie gegeben. Die
Hälfte der Verluste ging zu Lasten der institutionellen Investoren, die
andere Hälfte mußten Privatanleger verdauen, obwohl sie zumeist gar keine
Chance hatten, in das professionelle Treiben einzugreifen. Es hatte beide
gleichermaßen erwischt. Und niemand auf der Welt konnte dem Crash entkommen. Der Blitz hatte
eingeschlagen und markierte seine Zickzacklinie durch alle Indices ‑ seien
es nun die, die Aktienkurse zusammenfassen, oder jene, die Bonds bewerten oder Währungen.[7] Zum
ersten Mal wurde der Weltöffentlichkeit deutlich, wie stark die
Informationstechnologien die Ereignisse global vernetzt hatten. Und manche
fragten sich, ob es wieder 25 Jahre dauern würde (wie beim Oktober‑Crash 1929),
bis sich der Dow Jones von
einem solchen Sturz erholen und den alten Höchststand nehmen würde.[8] Denn diesmal
hing die ganze Welt am Netz.
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[2] Wall Street
Journal, 19.10.87, John R. Dorfman: »Record New York trading volume is
considered good sign by some«
[3] Die Zeit, 30.10.87, Bernhard Blohm: »Der programmierte Crash«
[4] Wirtschaftswoche, 23.10.87: »Massaker an Wall
Street«
[5] Wall Street
Journal, 19.10.87, John R. Dorfman: »Record New York trading volume is
considered good sign by some«
[6] Die Welt, 2.1.1988, Inge Adam: »Im Börsenjahr 1988 beherrscht der
Dollar die Kulisse«
[7] Financial Times, 30.3.88: Stefan Wagstyl: »Shaking the kaleidoskope«
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