Mittwoch, 21. März 2012

Die amerikanischen Werte: Ist Apple das Maß aller Dinge?

Nachdem Mike Daisey überführt wurde und seine als investigativer Journalismus verkauften Enthüllungen über die Arbeitszustände bei Apple-Lieferanten in China nichts anderes als perfekt inszeniertes Theater gewesen war, können sich die Millionen von Kunden ganz beruhigt auf den Erwerb von i-Pads, i-Pods und i-Phones konzentrieren. Es ist alles halb so schlimm. Die Missstände werden beseitigt und der eigentlich blamierte ist Mike Daisey. Der Sender, der Daisey die Öffentlichkeit gab, "This American Life", so erzählt die FAZ heute, "entschuldigte sich eine geschlagene Stunde lang für seine bis dahin erfolgreichste Sendung, eine im Februar ausgestrahlte Show über die Arbeitsbedingungen in einer chinesischen Fabrik des Unternehmens Foxconn..."
Nun, Apple ist das am meisten bewunderte Unternehmen Amerikas, wie dies jüngst das Magazin "Fortune" auslobte. Es ist das wertvollste Unternehmen der Welt. Es ist wahrscheinlich auch inzwischen der umsatzstärkste IT-Konzern auf unserem Globus. Apple steht für Unternehmertum, für Kreativität und Innovationskraft, es steht für den American way of life wie (dereinst) Coca-Cola oder McDonald's, meint die Washington Post. Und der American way ist das Maß aller Dinge - in Fernost ebenso wie in der Alten Welt, in Afrika oder Australien oder in ganz Amerika.
Der Versuch, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Dominanz, die gestalterische und stilistische Präsenz von Apple zu entzaubern, indem man auf die moralische Verwerflichkeit ihres Produktionsverfahrens hinwies, ist zuerst einmal in sich zusammengebrochen. Apple kan weiter von einem Rekord zum anderen eilen.
IBM ging es vor 30 Jahren nicht anders. Zu Beginn der achtziger Jahre war sie das am meisten bewunderte Unternehmen der USA. Ihr Aktienkurs stieg bis 1987, bis zum Crash, ins Unermessliche. Ihre Führungskräfte waren das beste, was Headhunter auf ihrer Liste hatten. IBMer wurden Minister, griffen ein in die Politik eines Landes (siehe Hans-Olaf Henkel, damals Deutschland-Chef). Sie lebte von der wundersamen Vermehrung der Daten auf allen Systemen. Sie schien die Geheimformel des ewigen Erfolgs in der Tasche zu haben.
Wenige Jahre später war die Macht zu Microsoft gewandert und hinterließ mit IBM ein Unternehmen, das sich bis heute von diesem Verlust nicht wirklich erholt hat. Mother Blue ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. IBM verkörperte sicherlich niemals auch nur annähernd den "American way of life", dafür war es nie konsumentennah genug, aber sie stand für gutes Management, für saubere Geschäftspraktiken, war ein Symbol des "good citizen" in jedem Land, in dem IBM als Multi präsent war. IBMs Werte waren universell. Selbst die Regierung in den USA konnte nach 13 Jahren intensiver Untersuchung wegen Wettbewerbsverletzungen nichts Verwerfliches an diesem Unternehmen feststellen.
IBM und Microsoft besaßen zu ihrer Zeit dieselbe Weltgeltung wie jetzt Apple. Sie waren ohne Alternative. Trotzdem verloren sie mit der Zeit ihren ehedem gigantischen Einfluss. Und Apple wird es fortan kaum anders gehen. Ist es fehlende Innovationskraft? Geht dem Management die Puste aus? Sind es die Mitbewerber, die den König vom Thron stoßen? Sicherlich spielt das alles mit, aber entscheidend ist, dass Macht eine Energie ist, die sich ebenso verbraucht wie jede andere. Sie muss die Chance haben, sich zu erneuern - oder aber sie verlangt eine Klugheit, zu der Zeit-Arbeiter, wie sie Manager darstellen, nicht fähig sind: der sorgsame, zurückhaltende Gebrauch von Macht. Wirklich Macht besitzt der, der sie gar nicht anwendet.
Im Aufstieg ist Macht nicht wirklich die Trumpfkarte, erst im Abstieg wird ihr Einsatz notwendig. Bei IBM war dies zum ersten Mal wirklich spürbar, als sie - auf dem Zenit ihres Einflusses - ihre Wettbewerber wegen Patentverletzungen und Diebstahl geistigen Eigentums verklagte. Microsoft setzte mit Brachialgewalt ihren Internet Explorer durch und verteidigte mit allen Mitteln ihre Standards, Apple versucht es nun mit Patentklagen. Sie wird in den nächsten Jahren - 2012/13 werden als die Jahre des Höhepunktes in die Geschichte eingehen - erleben, wie ihre Macht erodiert.

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