... unter dieses Motto will die IBM-Benutzervereinigung GSE Deutschland ihre Jahrestagung am 3. und 4. Mai 2010 in München stellen. In der Tat - es ist an der Zeit, Big Blue auf den Prüfstand zu stellen. Durch Analysten. Durch Anwender. Durch Anbieter. Vor diesem Tripple-A muss die Firma, die seit bald 100 Jahren über den IT-Markt herrscht, bestehen - nicht nur auf dieser Tagung, sondern vor allem im Markt. Tag für Tag.
"Schneewittchen und die sieben Zwerge" - so wurde in den sechziger, siebziger und frühen achtziger Jahren das Verhältnis zwischen IBM und ihren Mitbewerbern beschrieben. Mit Blick auf die nächsten fünf, zehn Jahre möchte man dies umdichten und formulieren: "IBM und die sieben Riesen". Nachdem im Technologie-Sektor, dem anzugehören und anzuführen einst IBMs größter Stolz war, bereits Hewlett-Packard und Samsung umsatzmäßig vorbeigezogen sind, braucht man nur noch abzuwarten, bis Big Blue von anderen überholt wird.
Durch Merger. Durch Wachstum. Vor allem aber durch Konzentration auf die richtigen Märkte. Intellektuell hat sich IBM längst von anderen abhängen lassen. So nett die Idee und Story mit dem Smarter Planet ist, sie lockt niemanden hinter dem Ofen hervor. Schon gar nicht durch Wiederholungen. Big Blue zielt damit zwar auf den Markt der institutionellen Anwender, der Organisationen, die immer auch das Gemeinwohl mit im Auge haben, aber sie erreicht die Individuen nicht, die in diesen Firmen agieren. Das gilt besonders für die IT-Leute. Ohnehin im Verdacht, nur die Erfüllungsgehilfen der Unternehmensstrategie zu sein, bekommen sie - im Unterschied zu früher - von IBM nichts, was ihr eigenes Selbstwertgefühl stärkt. Und die Strategen an der Spitze dieser Kundenunternehmen haben die IT noch nie wirklich ernstgenommen. Im Vergleich zu Vertrieb und Marketing, Forschung und Entwicklung, Finanzen und Produktion wurde die IT im Vorstand stets nur als Emporkömmling, als Parvenue, angesehen. IBM hat letztlich keine Adressaten für ihre Botschaften. Sie marketiert ins Leere - und nicht etwa in eine Marktlücke hinein.
Vor 17 Jahren veröffentlichte Business Week, ein Blatt, das übrigens ebenfalls einen intellektuellen Abstieg durchmachen musste, die Titelgeschichte "Deconstructing The Computer Industry". Damals befand sich die Computerbranche in einer ähnlichen Sinnkrise wie heute (IBM). Der Unterschied: Damals erkannte man diese Sinnkrise. Heute sind die Herren der Systeme so weit von den Ereignissen entfernt, dass sie dies noch nicht einmal mitbekommen.
Wie sieht die IBM des kommenden Jahrzehnts aus?
Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass diese Frage niemanden mehr interessiert. Das Beste, was passieren kann, ist, dass vor allem die Anwender diese Frage aufnehmen und erklären, was sie von der IBM erwarten. Es kann sein, dass sie zu der Erkenntnis kommen, dass das, was sie fordern und wünschen, von allen anderen bekommen, nur nicht von IBM. Dann wüsste Big Blue - wenn sie denn noch einigermaßen bei Verstand ist und nicht auf ihre Marketiers hört, sondern auf ihre Technologen - was sie ändern muss.
IBM hat "verdammt gute" Leute in ihren Reihen. Leider sind sie zu oft "verdammt", ihr Maul zu halten. Es wäre gut, wenn das Marketing & das Management diesen Menschen mal zuhören würde.
Übrigens: Es gibt in der Branche noch eine Menge Leute, die gerne stolz auf IBM wären, nicht weil sie Aktien besitzen, Mitarbeiter, Kunden oder Lieferanten sind, sondern weil sie wissen, dass von Blueland einst die großen Veränderungen in der IT-Szene ausgingen.
Google mag ja vielleicht momentan das intelligenteste Unternehmen der Welt sein, das war IBM auch einmal. Aber eins wissen wir aus der IBM-Geschichte auch: Intelligenz schützt nicht vor Dummheit. Und weil Big Blue dies von allen anderen Firmen am besten wissen müsste, sollte sie endlich denen das Zepter überlassen, die wissen, was sie sagen, und sagen, was sie wissen.
Das sind nunmal die Technologen.
Post scriptum. Nächstes Jahr wird die IBM Deutschland 100 Jahre alt. Aber soviel wir wissen, wird dies kaum gefeiert werden. Denn die Mutter wird 2011 ihr Jubiläum feiern wollen, die Gründung der C-T-R, aus der übrigens vor 85 Jahren IBM wurde. Vielleicht ist dies Grund genug für IBM, einmal über sich selbst nachzudenken - nicht über die Siege (das kann jeder), sondern über die Niederlagen und Versäumnisse. Das ist viel lohnender und lehrreicher.
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