Sonntag, 25. Januar 2009

Sonntagsblog - Extrablog: MACs Big Bang





Am 22. Januar 1984 wurde ein Mythos geboren, am 24. Januar getauft...


Aus: Die Geschichte des PCs - Von Raimund Vollmer


Es war in der Halbzeit des Superbowls, als plötz­lich die Matt­schei­be in das Schwarz-Weiß-Zeitalter zurück­fiel und eine riesige Halle einblendete. Zu Zom­bies er­starr­te Menschen stieren mit lee­ren Augen auf einen gewaltigen Bild­schirm, von dem ein übermächtiger Big Brother herabblickt. Inmitten dieser gespenstischen Szene taucht auf einmal ein junges, ath­le­tisches Mädchen in apfelroten Shorts auf der nun wieder farbigen Matt­schei­be auf, rennt zu dem Bildschirm, wirbelt herum und zer­schmettert ihn mit einem Vor­schlaghammer. Während das Bild des Big Brothers in tausend Scherben zer­fällt, erwachen die Seelen der grauen Menschen zu neuem Leben.
Dann erscheint ein Text: »Am 24. Januar wird Apple den MacIntosh vorstellen. Und Sie werden sehen, daß 1984 wird nicht so sein wird wie `1984’. Apple Computers.«[1]
Der heilige Krieg. »Für jeden, der irgendetwas über IBM und Apple wußte, waren die Implikationen unmissverständlich klar. Apple war der kühne Held, der mit unkonventionellen Methoden arbeitete. IBM hingegen stand für die Tyrannei der großen Firmen, die mit ihrem Konformitäts­zwang je­dermann quälte«, kommentierte das Fachblatt Electronics die Werbe-Show.[2] Für Newsweek hatte der nun offen zu Tage tretende Konflikt zwischen den beiden Anbietern bereits den Charakter eines »hei­ligen Krieges«:[3]
Auf der einen Seite stand der alte Go­liath IBM (Umsatz 1983: 40,2 Milliarden Dollar), auf der anderen Seite der David Apple (Umsatz 1983: 982,8 Millionen Dollar). Welch ein Mißverhältnis! Big Blue war 40mal größer als der Her­aus­forderer. IBM schien der strahlende Sieger zu sein: Während Apple 1981 noch 41,2 Pro­zent des amerikanischen ­Desktop-Marktes beherrschte, war ihr Anteil 1983 auf etwa 24 Prozent gesunken. Wertmäßig - so ermittelte die Gartner Group - waren es am Jahresanfang sogar keine zehn Prozent mehr gewesen.[4] War sie 1981 noch die Nummer 1, so rangierte sie jetzt auf Po­sition 2 - und das, obwohl ihr Um­satz 1983 um 69 Prozent ge­stie­gen war.


DER CLICK ZUM CLIP:
http://www.macprime.ch/cinema/movie/steve-jobs-praesentiert-1984/


Die Pleite des PCjr. Rund 1,4 Millionen Exemplare hatten die Kalifornier laut Dataquest bis Ende 1983 von ihrem Starprodukt Apple II verkauft. Allein im Dezember sollen 90.000 bis 100.000 Exemplare über die Händler-Ti­sche ge­gangen sein. » Apple sollte sich eigentlich in Rabbit [Kaninchen] umtaufen lassen, denn deren Rechner vermehren sich so schnell«, scherzte Thomas M. Lodahl, damals Chefanalyst für Bürokommuni­ka­tion bei der Diebold Group.[5] Noch einmal hatte die legendäre Maschine, die 1977 auf den Markt ge­kommen war, abgeräumt und Apple stolze Bruttomargen von 48 Pro­zent beschert.[6] Sie konnte dies unge­hin­dert tun, weil der PCjr. – IBMs Gegenofferte – das Weihnachtsgeschäft verpasst hat­te. Der Apple II lei­stete sogar noch mehr: er kompensierte den Miß­er­folg, den der En­de 1980 an­ge­kündigte Apple III den Kaliforniern beschert hatte. Das Pro­dukt war nicht ausgereift gewesen. So mussten rund 14.000 Maschinen zurück ins Werk gerufen werden. Damals war die Firma gerade mit einem Kurs von 22 Dollar an die Börse gegan­gen und konnte sich solche Image-Verluste kaum leisten. Nach­dem der Kurs auf 10 Dollar gesunken war, ret­tete der Apple II das An­sehen.
Doch nun, im Ja­nuar 1984, war allen klar, daß die Tage des lütten 8-Bit­­­lers aus Kali­fornien gezählt wa­ren. Die nächste Runde war er­öff­net. Die durf­te auf keinen Fall an IBMs PCjr. gehen. Mehr noch: ein Frontal­an­griff gegen den Meister aller Klassen, ge­gen IBM, musste insze­niert werden.[7] Einen besseren Zeit­punkt für ihre öffentliche Kriegserklärung hät­te Apple gar nicht wählen können. Wir schrieben immerhin das Orwell -Jahr »1984».


Ein Clip macht Karriere. Das Volk war für das totalitäre Thema sensibili­siert. Die Sym­pa­thie gehörte dem Kleinen und Schwachen. Eine Me­dienanalyse er­gab, daß sich selbst am Tag nach der einminüti­gen Auf­füh­rung 79 Pro­zent der Zuschauer an den Werbe-Film erinnern konn­ten. In den Abendnachrichten war der rund eine Million Dollar teu­re Streifen sogar wieder­holt worden. Diesmal kostenlos. Analysierte die Fachzeitschrift Elec­tro­nics: »Die Tatsache, dass der Spot nur ein einziges Mal während der Spiel­über­tragung ausge­strahlt wurde, erhöhte nur die Mystik.«[8] Dabei hatte die Wer­be­agentur Chiat/Day in San Fran­cisco die Or­well-Or­gie noch zweimal wiederholen wollen, aber dem zu­rück­hal­tenderen Auf­sichts­rat von Apple war eigent­lich schon ein­mal zuviel.
Doch der Sturm-und-Drang-Spot schlug ein wie eine Bombe. Ausge­drückt im Jargon des Apple-Gründers Steven Jobs war der Erfolg schlichtweg »insanely great«. Am Tag nach der Ankündigung verkaufte Apple in­nerhalb von sechs Stunden Com­pu­ter im Wert von 3,5 Millionen Dollar. Schon in der Woche zuvor hatten 24 amerikanische Col­leges signali­siert, daß sie insgesamt Rechner im Wert von 50 Mil­lionen Dollar pla­zie­ren wür­den.[9] Der Macintosh war noch gar nicht offi­ziell an­gekündigt, da war er bereits ein Verkaufsschlager und eine Legen­de. Er war der » Computer for the rest of us « (Wer­be­slogan).[10]
Den Grundstock dafür hatte seine ältere Schwester gelegt. Ihr Na­me: Lisa. Sie hatte als Hochpreisprodukt das vorbereitet, was ihr kleiner Bruder voll­en­den sollte: absolute Benutzer­freund­lich­keit. Das war ihr mit einem Aufwand von 50 Millionen Dollar entwickel­tes Alleinstellungsmerkmal, das nun voll auf den erheb­lich preis­günstigeren kleinen Bruder übertragen wurde.


JOURNALSE-Quellen: Archiv Raimund Vollmer
[1] Wall Street Journal, 24.1.1984, Erik Larson, Carrie Dolan: » Apple courts the press as it prepares ton unveil Macin­tosh Model today«
[2] Electronics, 4/1989, John McLeod: »Giving it one big push: Apple and `1984'«
[3] Newsweek, 30.1.1984, Michael Rogers: »It's the Apple of his eye«
[4] Computerwoche, 16.6.1983: »IBM kann bestellte PCs nicht liefern«
[5] Fortune, 3.5.1992, Bro Uttal: »What`s detainung the office of the future«
[6] The Economist, 24.8.1991: »Apple: what price glo­ry?«
[7] Business Week, 16.1.1984: »Apple computer's coun­ter­attack against IBM«
[8] Electronics, 4/89, ohn McLeod: »Giving it one big push: Apple and `1984'«
[9] Financial Times, 32.1.1984, Louise Kehoe: »Apple seeks to fend off IBM with launch of desktop range«
[10] The Economist, 24.8.1991: »Apple: what price glo­ry?«

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