So titelte vor genau 22 Jahren das Wirtschaftsmagazin "Top-Business". Und tatsächlich - wenige Monate später war John Akers, seit 1985 Chef der IBM, seinen Posten los. Vergeblich hatte er versucht, der Firma, der er sein ganzes Berufsleben gewidmet hatte, den "Ungeist" auszutreiben, schrieb das Blatt und meinte damit den "lähmenden Einfluss jener Aparatschiks in der Konzernzentrale, die Fabriken, Labors und Vertriebsniederlassungen in 130 Ländern ihren oft marktfernen Strategien unterworfen haben."
Akers scheiterte mit seiner Gegenstrategie, der Zerschlagung des Konzerns in viele Einzelgesellschaften. Das war übrigens über 13 Jahre hinweg das Ziel der amerikanischen Antitrust-Behörden gewesen, die schließlich 1982 das Verfahren gegen Big Blue eingestellt hatten, weil eine solche Zerschlagung keinen Sinn machte - angesichts der damals in den USA besonders heftig grassierenden Angst vor den japanischen Industrieriesen.
Als dann im März 1993 Lou Gerstner der Nachfolger des tragischen Rebellen wurde, hoffte diese Journalyse, die damals noch im Desktop-Publishing-Verfahren hergestellt wurde, dass der frühere McKinsey-Mann der neue Watson werden könne, dass Gerstner also den unternehmerischen Geist zurückbringen würde, den die beiden Gründer, Vater und Sohn Tom Watson, in die Firma hineingetragen hatten.
Wir haben damals den bisherigen Lebensweg von Gerstner, so gut es überhaupt ging, recherchiert und kamen zu dem Ergebnis: Ja, er könne "der neue Watson" werden, was dann auch Titelthema in unserer Publikation "Gigasteps" wurde.
Pustekuchen. Was wir unterschätzten, war, dass den neuen Watson die Eitelkeit übermannte und er in den Begehrlichkeiten der Wall Street, nicht in den Gesetzen der IT, IBMs Vergleichsreihe sah. Zudem waren ihm die Teilchenlieferanten aus dem Silicon Valley zuwider. Er verstand IBM als einen System-Lieferanten. Systeme galt es zu bauen, Systemen galt es zu dienen. Nun scheint IBM auf der Suche nach dem neuen Watson endgültig fündig geworden zu sein. Wirklich? Der neue Watson ist kein Unternehmer. Er wird alles tun, um riskante Entscheidungen zu verhindern. Er wird niemals die Firma riskieren, wie dies vor allem Tom Watson Jr. mit der Entwicklung der IBM /360 tat. Er wird vielmehr der größte Bürokrat werden, den die Welt je gesehen hat. Watson ist kein Mensch, sondern eben eine Maschine, die endlich das realisiert, wovon die Manager (und auch Politiker) seit den 50er Jahren träumen. Es wird unter Ausschaltung des kompletten Mittelmanagements, das bislang der größte Freund des Computers war, alle Entscheidungen vorbereiten, die Verwaltungsrat und Vorstände benötigen.Und wenn Watson sagt, dass zum Beispiel die Zerschlagung eines Konzerns das beste Mittel sei, um - wem auch immer - eine Zukunft zu geben, dann wird dies auch so befolgt. Hier in der Journalyse wurde gestern noch in den Kommentaren von der Ohnmacht des CEO angesichts der Begehrlichkeiten der Aktionäre gesprochen. Es ist eine sehr konservative, fast schon liebevolle Erklärung, die den CEO als eine "arme Sau" versteht. Nun könnte man ja meinen, dass Watson als "neues Vorstandsmitglied" auf der Seite des CEO stehen wird und dessen Macht gegenüber den Wallstreetern stärkt. Kann sein, dass es genau so kommt - mit fatalen Folgen.
"Can IBM ever be cool?" fragt in einer Titelstory das Wirtschaftsmagazin Fortune. Eine Frage, die der der Autor dieser Zeilen hier insgeheim stets ergänzt um das Wörtchen "again". Kann also IBM wieder "cool" sein? Leider nein. Wenn sich der Glanz, den die Maschine Watson auszustrahlen scheint, sich gelegt hat, wird man erkennen, dass die Maschine sich längst die Typen ausgesucht haben wird, die sie braucht, um sich unentbehrlich zu machen. Es sind die Controller-Typen, deren erste, zweite und dritte Reflexe es sind, Dinge zu verhindern, nicht sie zu ermöglichen. Eine Maschine namens Watson wird eher eine Dokumentation der Gefahren liefern als eine der Chancen. Wenn eine Entscheidung gut und richtig war, wird keiner nach ihrer Begründung fragen. Wenn sie danebengeht, wird man den Computer zurate ziehen und darauf hinweisen, dass Watson bereits vor allen Risiken gewarnt hat. Wenn die beiden Toms Unternehmer waren, dann wird es die Maschine namens Watson niemals sein. Sie wird Unternehmer geradezu verhindern.
Deswegen kann es durchaus sein, dass wir in den nächsten Jahren erleben werden, wie sich IBM ganz allmählich auflöst und am Ende nur noch Watson übrigbleibt. Auf SAP übertragen, möchte man übrigens meinen, dass HANA das weibliche Gegenstück zu Watson darstellt. Watson und HANA - die Herrscher über den Wolken...
Heute schreibt die gute, alte FAZ: "Zu Jahresbeginn gründete IBM eine eigene Geschäftseinheit für Watson, und deren Zuhause ist von nun an ein schicker neuer Büroturm im New Yorker East Village. Die Eröffnung dieser Büros übernahm Vorstandsvorsitzende Virginia 'Ginni' Rometty." Dann berichtet die FAZ davon, dass Watson nach Aussage der "mächtigsten Frau" der Wirtschaftswelt (Fortune) Geschichte schreiben werde. Er (sie, es?) werde "das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine neu definieren".
Vielleicht wird Watson der Wissenschaft, vor allem der Naturwissenschaft, viele gute Dienste leisten, aber wie wird sich dessen Fähigkeit zur Datenanalyse auf die Unternehmensentscheidungen auswirken? Zum Beispiel bei IBM. Wird er nicht (hat er nicht vielleicht sogar schon) der IBM vorausgesagt, dass er - und nur er ganz allein - die Zukunft der IBM sei? Am Ende bleibt also nur Watson? Oder - um die SAP mit hineinzuziehen - Hana?
Nicht nur SAP oder IBM, sondern immer mehr Unternehmen der IT-Branche werden uns demnächst erzählen, dass die Umstellungen auf die Cloud jede Menge Jobs freisetzen werden. Und nach der Cloud kommen Watson & HANA.
Greifen wir also die Titelzeile des übrigens 1995 eingestellten Magazin "Top-Business" auf und behaupten:
"Watson - IBMs letztes Gefecht"
1 Kommentar:
Akers hat sein letztes Gefecht erst diesen Sommer verloren. Das (Top-)Business wird maßlos überschätzt...
Das von mir zitierte Lied über den Schaffner heißt übrigens zweideutig: Schaffnerlos. Ersetze auch hier Schaffner durch CEO - und man ahnt sein Los in der Watson-Ära!
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