Donnerstag, 9. Oktober 2014

Hinter den Abspaltungen steht der Generationswechsel...

(Kommentar) ... meinen Analysten im Wall Street Journal. Die Herren der achtziger und neunziger Jahre treten ab - oder kommen allmählich unter Druck. Sie würden Konzerne führen, die zu groß seien, um noch den Wandel zu packen. Sie müssten jungen Leuten weichen, die ganz einfach die neuen Themen besser drauf hätten. Hört sich gut an. Klingt plausibel - und trifft doch nicht das Kernproblem. Abspaltungen sind zuerst einmal die Konsequenz aus einem "Naturgesetz", das ab einer bestimmten Größe die Grenzen des Wachstums sichtbar werden. Unabhängig davon, ob an der Spitze ein 30jähriger oder ein 60 jähriger Chef steht. Ist Apple dann in der IT die Ausnahme, die die Regel bestätigt? Weder Jobs noch Cook gehörten zu den Youngsters - und vor allem Jobs gab dem Unternehmen eine strategische Ausrichtung, die für dieses Jahrzehnt noch volle Gültigkeit hat. Wir werden auch bei anderen Firmen sehen, dass sie in Dimensionen hineinwachsen werden, von denen man einst glaubte, dass sie qua Management nicht zu packen seien. Was IBM und Hewlett-Packard, aber auch Ebay und Cisco, was vielen IT-Giganten in aller Welt fehlt, ist die Langfriststrategie. Und es sind die Investoren und Analysten, die eine solche Langfriststrategie verhindern.
Es ist äußerst bequem, sich an DAX-Unternehmen oder Dow-Giganten zu engagieren. Man kann jederzeit deren Aktien kaufen und verkaufen. Manchmal kauft man sich ein paar Prozente zusammen, um eine Strategieänderung durchzusetzen. Aber wirkliche Treue zu diesen Firmen kennt man nicht - und manchmal fragt sich auch, ob das Management der Unternehmen selbst diese Loyalität aufbringt.
Wenn man sich jedoch an kleinen Firmen beteiligt, ob sie nun an der Börse sind oder dahin drängen, dann muss man sich als Investor langfristig binden. Das hat viele Investoren in der Vergangenheit zurückgehalten. Den das Leben im DAX-Bau ist ja viel einfacher. Bei den mittelständischen Unternehmen muss man sich sehr genau mit dem langfristigen Geschäftsmodell auseinandersetzen - und dann auch dem Management zur Seite stehen. Über einen längeren Zeitraum. Das "Prinzip Verantwortung" greift hier voll.
Im Prinzip gilt folgende Dialeltik: Je langfristiger das Geschäftsmodell ausgelegt ist, desto schneller kann man kurzfristig agieren. Je kurzfristiger das Geschäftsmodell ist, desto langsamer wird man in den täglichen Aktionen. Weder IBM noch Hewlett-Packard haben ein langfristiges Geschäftsmodell. Daran ändert weder die Aufspaltung von HP etwas, noch hilft es, wenn Gini Rometty von dem Wirtschaftsmagazin Fortune zur mächtigsten Wirtschaftsfrau der Welt gekürt wird. Und liest man die mehrseitige Titelstory fragt man sich einmal mehr, was denn eigentlich die Strategie dieses Konzerns ist.
Vor mehr als 20 Jahren wollte IBM sich in mehrere Einzelgesellschaften aufspalten - viel radikaler als Hewlett-Packard dies jetzt beabsichtigt. Der Nachfolger von John Akers, ein gewisser Lou Gerstner, blies das Projekt ab - und führte die IBM in das Niemandsland des Nullwachstums. Heute ist IBM zur Ausbeutung durch die Aktionäre freigegeben. Wenn es über kurz oder lang IBM nicht mehr geben sollte, mal angenommen, dann würde das keiner merken. Selbst nicht die Mainframe-Kunden, die - ohne es zu wissen - die letzten sind, die IBM noch zusammenhalten.Wer erinnert sich noch an Enron oder WorldCom, an Lehman Brothers - alles Unternehmen, vor deren Verschwinden jeder angenommen hat, dass sie "too big to fail" seien. Sie sind verschluckt und verschwunden wie vormals Tandem, DEC, Compaq und EDS, alles Firmen, die sich HP einverleibt hat. Von Sun redet auch keiner mehr. Lotus Development? Wer ist das?
Das große Fressen hat sich in der IT-Branche (und nicht  nur dort) eher selten als langfristig richtig und wichtig erwiesen. Mit welchem Stolz haben die Gründer von Tandem, DEC, Compaq und EDS die Geschichte ihres Unternehmens vorgetragen! Und dazu dürfen wir auch Heinz Nixdorf zählen. Oder auch Gene Amdahl.
Wie stolz waren die Mitarbeiter von HP auf die beiden Gründer, auf William Hewlett und Dave Packard? Wie stolz waren die Mitarbeiter von Microsoft auf ihren Bill Gates, die von Apple auf den zurückgekehrten Steve Jobs? Mit welchem Glanz in die Augen sprachen die Mitarbeiter von DEC über Kenneth Olsen, bei Tandem Computers über James Treybig? Was wäre Amazon ohne Jeff Bezos, Facebook ohne Mark Zuckerberg, Google ohne Larry Page und Sergey Brin?
IBM, Hewlett-Packard und all die anderen sind heute Giganten ohne Gründer. Ein solches Erbe anzutreten, gehört vielleicht zu den schwersten Jobs überhaupt. Und was wir momentan erleben, ist das Scheitern dieser Nachfolger. Das ist der eigentliche Generationswechsel. Sie scheitern an der Größe ihres Unternehmens und ihrer Vorgänger. Am Ende bleibt doch nur die Abspaltung oder der Schlussverkauf.
Deswegen schauen wir ganz zum Schluss auf Tim Cook - und fragen uns: Wird er zu den ganz, ganz wenigen gehören, die ihrem Meister ebenbürtig sind?
Wer allerdings wissen will, was die Zukunft bringt, der wird sich mit Gründern und deren Ideen beschäftigen müssen. Deshalb sind Google, Amazon und Facebook so gefährlich. Ach ja, Apple auch. Und da gibt es noch die vielen, vielen kleinen, die keiner auf seiner Checkliste hat.
Raimund Vollmer (einfach mal Gedanken nachgegangen)



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