(Kommentar) ... ahnte wohl niemand, dass dies der Beginn des Untergangs eines der stolzesten und bestgeführten IT-Unternehmen Deutschlands einleitete. Bei der Ankündigung des Börsengangs in Frankfurt-Niederrad im März 1984 war der Gründer Heinz Nixdorf aus Paderborn mit dem Firmen-Learjet eingeflogen. Doch die Landung verzögerte sich, weil Nebel über Frankfurt war. Derweil hatte F.W. Christians, Chef der Deutschen Bank AG und Minderheitsaktionär, verkündet, dass die Pressekonferenz eine "Bankenveranstaltung" sei und die Deutsche Bank sehr stolz darauf sei, mit der NCAG nun ein frisches Technologieunternehmen an die Börse zu führen. In diesem Augenblick betrat Heinz Nixdorf den mit etwa 100 Journalisten gefüllten Saal, enterte das Podium und dementierte: "Dies ist keine Bankenveranstaltung, sondern eine Technologieveranstaltung", erklärte er (und wenn ich mich richtig erinnere, erklärte er auch, dass er überhaupt nicht daran denke, an die Börse zu gehen. Großes Erstaunen im Publikum. Hier wurde der ebenfalls aus Paderborn stammende Bankenchef von einem IT-Mann öffentlich gerügt, eine Ungeheuerlichkeit. Und wir, die Fachjournalisten, wussten, dass Heinz Nixdorf der Börsengang tatsächlich zuwider war. 1978 hatte er ein Angebot der Volkswagen AG abgelehnt - obwohl sein Unternehmen unterfinanziert war. Damals war dann die Deutsche Bank als Geldgeber eingesprungen - mit einer Beteiligung. Dann kam trotz allem der Börsengang. Günter Sandscheper, ein leider viel zu früh verstorbener Kollege und Chefredakteur von Online (ein Blatt, das man eigentlich wieder gründen müsste), erzählte später immer wieder, dass er den allgewaltigen und zu cholerischen Anfällen neigenden Firmenchef mal auf dessen seinerzeitige Aussage angesprochen habe, nach dem Börsengang die Aktien wieder zurückzukaufen. "Das war wohl nichts", hatte er ihn gefoppt. Doch Nixdorf erklärte wutschnaubend, dass er jede Menge seiner Aktien klammheimlich zurückerworben hätte. 1986 verstarb leider Heinz Nixdorf. Und seine Nachfolger agierten eher glücklos und wohl auch allzu arrogant. In der Chronik heißt es, dass Nixdorf den Einstieg ins PC-Geschäft verpasst habe. Nein, das Unternehmen hatte sein Charisma verloren, seinen Eigen-Willen.
Der Börsengang war dann letztlich der Auftakt für den ein Jahrzehnt später einsetzenden Börsenboom, der sich mit dem Neuen Markt in schwindelerregende Höhen emportrug. Die Unternehmer, die von dieser Hausse profitierten, agierten indes ganz anders als Heinz Nixdorf. Sie gehorchten den Empfehlungen der Banker und Borsianer. Für sie war der Neue Markt eine Bankenveranstaltung, keine Technologieveranstaltung. Den Rest mag sich jeder selbst denken.
Raimund Vollmer
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