Donnerstag, 27. Oktober 2011

Warum sich IBM nie ändern wird...

Kommentar: Ein Aspekt, der in all den Repliken zum 100jährigen Bestehen der IBM nicht gewürdigt wurde, ist das starre Weltbild, das der Graue (aber nicht unbedingt greise) Riese in all den Jahrzehnten beibehalten hat.
Im Unterschied zu all den Firmen, die um die nächste Jahrhundertwende herum ihre 100-Jahr-Feier haben werden, hat IBM niemals ernsthaft versucht, mit ihren Kunden, den Anwendern, in Konkurrenz zu treten - und wenn sie es versucht hat, wie zum Beispiel in den achziger Jahren gegen AT&T, dann tat sie es nie mit letzter Konsequenz. IBM war immer ein Diener ihrer Kunden. Deswegen macht es auch Sinn, wenn an die Spitze des Konzerns nun eine Frau tritt, die aus dem Service-Geschäft kommt.
Die Neulinge hingegen (im Vergleich zu Big Blue ist auch Apple eine junge Firma) kennen keine Tabus.
- Apple sowieso nicht, die sich längst zum Herrscher der Musikindustrie und des Mobilfunks aufgeschwungen hat und mit Tabletts und bald auch TVs die nächsten Coups in Richtung Content durchzieht.
- Google, die man ursprünglich auch der IT-Branche zugerechnet hat, dominiert das Anzeigengeschäft und erobert die klassischen Umsatzfelder der Verlage. Mit Android versucht sie, die Hegemonie von Apple im Smartphone-Geschäft zu durchbrechen (und damit den Mobilmarkt in den Griff zu bekommen).
- Amazon konkurriert als Warenhaus des Internets mit jedem - und kooperiert mit allen, um ihre Wachstumsstrategie unerschütterlich weiter zu gehen.
- Und da ist auch noch Facebook, die nach allen Seiten offen ist (ebenso wie Twitter), die aber wie alle anderen auch, keine Rücksicht darauf nimmt, wer man ist und woher man kommt.
Der Markt ist für diese Firmen immer und überall. IBM hingegen, die in ihrem Midlife ebenfalls solche Allmachtsgedanken hegte, aber nie auslebte, hat sich auf eine altersweise Position zurückgezogen. Sie tut alles für ihre Kunden, aber nichts gegen sie. Niemand braucht Angst vor Big Blue zu haben. Und mit Business Intelligence glaubt sie, ihre Nische gefunden zu haben, mit der sie ihre Service-Strategie ausleben kann. Es wird immer und ewig eine unendliche Story bleiben. Sie begann nicht erst mit Data Warehousing (vor 20 Jahren), und sie wird mit der Watson-Maschine noch lange nicht zu Ende sein. Auf jeden Fall ist IBM immer nur Werkzeug, niemals selbst der Meister, der es anwendet - jedenfalls nicht außerhalb der IT-Branche.
IBMs Heimat ist die IT-Branche. Deren Aufgabe ist es, Werkzeuge zu liefern. Mehr nicht.
Darauf nehmen aber die 100jährigen der Zukunft überhaupt keine Rücksicht. Sie haben ein weitaus umfassenderes Bild vom Kunden. In ihren Märkten sind sie nie nur Anbieter, sondern auch immer Anwender. Sie sind der Markt, ja, sie stellen im Rahmen von Cloud Computing auch den Marktplatz, über den sie dann herrschen wollen. IBM hat zwar auch Cloud-Ambitionen, aber diese sind rein technischer Art. Sie versucht nicht, eine Oberherrschaft zu erlangen.
IBM wird auch unter der neuen CEO Rometty niemals ihre selbstgesetzten Grenzen überschreiten. Sie wird sich nie ändern. Vor diesem Hintergrund und im Rahmen ihrer Tabuzonen ist Big Blue ein zu Ende gedachtes Unternehmen. Es ist perfekt angepasst an ihre Kunden, die sie deswegen auch gerne mit Geld füttern. IBM macht ihren Gewinn damit, dass sie ihren Kunden nicht wehtut. Und mit dem Mainframe hat sie das Werkzeug, über das sie sich für ihr Wohlverhalten bezahlen lassen kann.
Derweil die Kunden IBM so im Schach halten, sehen sie nicht, wie andere ihnen die Hölle heiß machen. Wahrscheinlich denken sie: Auch Microsoft haben wir in den Griff bekommen. Das Unternehmen ist ähnlich angepasst wie IBM. Keiner redet mehr von deren Allmachtsstreben, das ja bis in den Erlass einer eigenen Währung, den Microsoft Dollars, ging. Und Hewlett-Packard ist ähnlich domestiziert.
Apple, Google & Co. werden sich aber nicht beschränken. Ihnen gelten IBM, Microsoft und Helett-Packard eher als warnende Beispiele. Sie werden weiter expandieren - auf Kosten der institutionellen Anwender und deren Märkten.
Aber bis dies die Betroffenen wirklich begriffen haben, wird sich der Gesamtmarkt komplett geändert haben. Es könnte sogar sein, dass sich am Ende die Kunden der IBM die Produkte der IBM gar nicht mehr leisten können. Und sie werden feststellen, dass sie die ganze Zeit das falsche Biest gezähmt haben.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wer schrieb einmal: Der Markt sind wir???
:-)

Anonym hat gesagt…

Ein IBM-Marketier sagte einmal: Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein!

Er meinte die Lieferanten "russischer LKW", wie der ebenso irrende DEC-Gründer Ken Olsen die Unix-Protagonisten herabwürdigte.

Ob Wollschläger damals schon Facebook und Twitter vorhersah??