Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist widmet seinen Analyse-Teil „Briefing“ dem Turbinenbauer Rolls-Royce, das letzte verbleibende Schaustück aus der großartigen britischen Industriegeschichte. In einem Land, das seinen Produktionssektor seit der Thatcher-Ära praktisch komplett geschlossen hat, ist Rolls-Royce vor allem aber ein Paradebeispiel dafür, wie sehr Manufacturing und Services zusammengehören.
Mehrmals pro Stunde kann es geschehen, dass Flugzeuge unterwegs zu ihren Zielen vom Blitz getroffen werden. Geschieht diese bei einem Aggregat aus dem Hause Rolls-Royce, dann sendet das Flugzeug eine Fülle von Daten zum Service-Standort nach Derby in England. Dort erwachen die Computer zum Leben, Experten analysieren die Daten und geben schließlich ihre Empfehlung, ob die Turbine inspiziert, repariert, ausgetauscht oder einfach weitergenutzt werden kann. 3.500 Düsentriebwerke werden so permanent überwacht. Die Daten, die so gesammelt werden, sind unschätzbar für die Luftgesellschaften, meint das Blatt. Sie sind es aber auch für Rolls-Royce. Denn damit schützen die Briten ihr Eigentum – ihren Umsatz, ihren Ertrag und ihre Innovationskraft.
In 80 Prozent der Fälle gehören die Turbinen nämlich nicht dem Carrier, sondern Rolls-Royce. Die Triebwerke, die als die momentan modernsten der Welt gelten, werden an die Betreiber vermietet. Eigentum verpflichtet – zu besonderer Sorgfalt, zu ständiger Aufmerksamkeit, zu permanenter Innovationsbereitschaft. So entstand rund um die Jet-Engines ein hochprofitables Service-Geschäft. Mehr als 50 Prozent des Umsatzes macht Rolls-Royce inzwischen mit solchen Dienstleistungen, die ohne den massiven Einsatz von IT und Communications nicht möglich wären.
Übrigens – nur damit wir eine Vorstellung davon haben, um welches Vermögen es sich hier handelt: Das Gewicht eine Turbinen wird gewogen in Silber, das eines Autos in Hamburger.
Übrigens – wer in der Computerbranche schon etwas länger drin ist als die sogenannte Generation Y, weiß, dass es auch hier einmal ein Unternehmen gab, dass dieselbe Strategie fuhr: Produktion, Miete, Service. Es war IBM. Vielleicht sollten wir anfangen, unseren Kindern einmal diese Geschichte zu erzählen. Das sind sie uns schuldig, nachdem wir in den letzten Jahren soviel über Web 2.0 geduldig in uns aufgenommen haben. Im Unterschied zu Web 2.0 ist das Beispiel Rolls-Royce oder früher IBM oder Xerox nicht nur eine Idee in der Nutzung neuer Technologien, sondern es ist ein Geschäftsmodell, ein Geschäftsmodell, das sogar funktioniert.
Journalyse-Quelle: The Economist, 10.1.2008, Briefing: „Britains lonely high-flier”
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