Mittwoch, 31. Oktober 2012

Apple: Von der Diktatur zur Oligarchie

Der Einstieg in den Abstieg eines ehemals tyrannisch geführten Unternehmens

(Kommentar) Tim Cook räumt auf. Der Nachfolger von Steve Jobs entlässt dessen Liebling Scott Forstall, den der Gründer 1997 beim Verkauf von NeXT an Apple mitgebracht hatte.Sein großes Thema bei NeXT und Apple war das heute als Mac OS X bekannte Betriebssystem. Forstall ist eine umstrittene Figur, vermutlich ähnlich exzentrisch wie Jobs. Nur besitzt er nicht dessen natürliche Autorität. Nun wird Forstall Apple verlassen - auch deshalb, weil er sich nicht öffentlich für die Pannen bei den Maps entschuldigen wollte. Das überließ er Cook. Oder war es vielleicht so, dass Cook diese Entschuldigung als eine Gelegenheit sah, seine moralische Überlegenheit gegenüber Forstall zu zeigen? Denn jeder würde fortan auf Forstall als den wahren Schuldigen zeigen und Cook als den integren Helden feiern. Es wäre ein billiges, ein primitives Manöver, das uns einen Hinweis gibt auf die neue Unternehmenskultur bei Apple.
Apple befindet sich auf dem Weg von der Diktatur, wie sie auf einzigartige Weise der Gründer Steve Jobs praktizierte, hin zu einer Oligarchie. Verdiente, langjährige Mitarbeiter werden bei dieser Aufräumaktion mit mehr Macht ausgestattet. Es sind Leute, die für ein kollegialeres Verhältnis stehen. Das hört sich gut an, und als ein gut erzogener Mensch möchte man dem nur zustimmen. Aber ist es wirklich gut?
Der Zyklus, der sich hier anbahnt, ist der, den der Italiener Machiavelli in seinen Werken beschreibt. Zuerst kommt der Tyrann, dem alles erlaubt ist, solange es allein dem Gemeinwesen dient und nicht der persönlichen Bereicherung. Dafür stand mit seiner ganzen Tüchtigkeit Steve Jobs. Sein Gemeinwesen war Apple, nicht die Aktionäre. Deshalb keine Dividende, eine Politik die Cook änderte. Deshalb keine Spenden an Dritte, was unter Cook nun erlaubt ist.
Wie aus dem Lehrbuch des berühmten italienischen Politikers mutet es einem an, wenn man bei Machiavelli liest, dass der Gegenspieler der Tüchtigkeit, der virtus (Tugend), das Schicksal, also fortuna,sei. Ersteres kann der Diktator kontrollieren, was Jobs bis in ins kleinste praktizierte, das zweite steht außerhalb seiner Macht (wie Jobs auf bitterste Weise und ganz persönlich erkennen musste).
Je größer ein Unternehmen wird, desto mehr wandelt es sich von der Diktatur des Gründers zu der Oligarchie des Managements. Das heißt: der Versuch, die Außenwelt zu steuern, also das Schicksal zu bestimmen, wird zur zentralen Motivation. Deshalb Dividende und Goodwill, deshalb die Entschuldigung. Deshalb auch die Verlagerung der Macht auf mehr Manager. Dies führt - wie wir geradezu klassisch bei Apple beobachten können (ähnlich übrigens auch zuvor bei IBM und Microsoft) - dazu, dass eine Organisation den Höhepunkt ihrer Macht und Herrlichkeit erreicht. Apple ist das mit Abstand wertvollste Unternehmen der Welt.
Aber zugleich beginnt der Abstieg in die Anarchie. Die Entschuldigung, die eigentlich gar keiner erwartet hat, depraviert von der edlen Geste, die sie nach außen sein soll, zu einer internen Intrige, an deren Ende der Schuldige gefunden und rausgeschmissen wird. Forstall hat einen Fehler gemacht, aber er hat keine Chance, etwas daraus zu lernen. Man nutzt diesen Fehler, um eine missliebige Person, deren Tüchtigkeit eigentlich über alle Zweifel erhaben ist, zu stürzen. Das Schicksal schlägt zu. Und es wird auch Apple ereilen - der Abstieg hat längst begonnen.
Natürlich wird Cook alles tun, um diesen Abstieg zu vermeiden. Es ist jedoch wie in einem griechischen Drama. Je mehr man versucht, das Schicksal abzuwenden, desto unaufhaltsamer kommt es auf einen zu. Ein neues Kapitel in der Geschichte von Apple hat begonnen.
Raimund Vollmer

2 Kommentare:

Sisyphos hat gesagt…

Tragödie oder Komödie?
Jedenfalls Drama...
Gut für Reporter und Journalysten :-)

Joblos hat gesagt…

Nix Drama - wir werden doch alle ver APPLEt :-((