Donnerstag, 8. April 2021

DAS MYSTERIUM EINES ZUKUNFTSMINISTERIUM


Wir sollen also ein Zukunftsministerium bekommen, wünschen sich eine Staatsministerin und ein Professor heute in der ‚FAZ‘. Es ist Mode geworden, im Doppel-, Drei- und Vierfach-Modus zu schreiben und ein ganz neues Wir-Gefühl damit zu kommunizieren. „Wir“ meint nicht mehr uns, sondern eine Elite, die alles tut, um sich selbst zu versorgen. Die Zukunft ist auch nicht mehr unser aller Angelegenheit, sondern die eines zukünftigen Zukunftsministeriums, das genau weiß, was Zukunft ist und deswegen mit umfangreichen Zugriffs- und Durchgriffsrechten ausgestattet werden soll.
Zukunft ist Macht. Genau darin liegt der Fehler, ja, der Verrat an der Zukunft. Denn Macht macht dumm. Zukunft ist zudem vor allem eins nicht: zentral. Es sei denn, es besteht massiver Nachholbedarf. Es sei denn, man muss gegenüber anderen Volkswirtschaften aufholen, es sei denn, man hat vorher eine ganze Menge versäumt. Ja, dann kann ein Zukunftsministerium sehr wohl helfen – nur wird es dann aus reinen Selbsterhaltungsmotiven heraus immer beim Aufholen bleiben. Deshalb hat Deutschland bei den Informationstechnologien seit Jahrzehnten immer das Nachsehen gehabt. Das hat auch etwas damit zu tun, dass sie immer ein elitäres Unterfangen blieben. Selbst die hochgerühmte SAP, unser Vorzeigeunternehmen schlechthin, erreicht allenfalls Gegenwartsstatus, kommt aus der Buchhaltung, die zentral alles weiß, was ist, aber nicht, was dezentral kommt. Sonst müssten unsere Automobilhersteller nicht nach Teslas Pfeife tanzen und zusehen, wie in kürzester Zeit vor ihrer Nase ein Automobilwerk entsteht. Stattdessen entschied sich für sie die Zukunft an den Spaltenbreiten in den Karosserien. Man suchte nach dem Nachholbedarf der anderen anstatt den eigenen zu sehen. So wurde auch staatliche IT-Politik seit den sechziger Jahren betrieben.
Zukunft ist dezentral. Zukunft, also echte Zukunft geschieht. Sie ist immer überraschend. Und sie kommt aus Winkeln, mit denen keiner rechnet. Google, Facebook, Amazon – geplant hat sie ein Silicon Valley nie. Sie waren plötzlich da. Auch Microsoft wurde nicht geplant durch irgendein Ministerium. Und das Internet, einmal von Regierungsseite befreit, baute sich selbst in einem wahrhaft rasanten Tempo. Wer erinnert sich nicht an das EWS-Debakel in den siebziger jahren (wahrscheinlich kaum noch einer), als Siemens und SEL komplett die Digitalisierung der Telefonnetze verpennten. Selbst amerikanische Bürokraten konnten sich nicht vorstellen, dass man paketvermittelt miteinander telefonieren kann. Heute tun wir es alle. Gar kein Thema. Hat sich selbst gebaut.
Was Extrapolation bedeutet, konnten wir lange vor dem Corona-Monothemismus dort beobachten. Auch die Eisenbahnen haben sich im 19. Jahrhundert selbst gebaut. Ihre Zukunft war zu Ende, als der Staat sie übernahm.
Die Zukunft ist sich selbst ihre eigene, souveräne Macht, die darin besteht, dass sie nicht ausgeübt wird, sondern einfach geschieht. Sie kann von keiner Elite, von keiner Regierung beherrscht werden. Die Regierung, die Bürokratie, kann nur so tun also ob. Leider gibt es sehr viele Menschen, die sich an diesem Schauspiel beteiligen – gerne beteiligen, weil es ihnen ganz persönlich Zukunft gibt. Und wir, wir, deren Zukunft wirklich von der Zukunft abhängt, fallen immer wieder darauf rein. Raimund Vollmer

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vermutlich meint Frau Bär ihr Digitalministerium, dass vielleicht in Zukunft ein kompetenterer und durchsetzungsstärker Nachfolger etabliert. Natürlich könnte das auch eine Nachfolgerin leisten!!! Frau Bär in allen Ehren - aber Sie erweist Deutschland nur Bärendienste (der Kalauer musste sein). Ich kann mich an keinen einzigen konstruktiven Beitrag zur Diskussion von ihr erinnern, sei es zu Datenschutz, sei es zum Breitbandausbau, zur Digitalisierung der Schulen oder zu autonomen IT-Infrastrukturen / Gaia-X. Sorry, doch: Da waren ja die Flugtaxis. Die brauchen wir dringend. In Zukunft. In ferner Zukunft.

Besserwisser hat gesagt…

Bärinnendienste muss es heißen. Oder BärInnendienste. Man weiß ja nie, wohin sie gerade gendert...

Anonym hat gesagt…

Technologien fallen nicht vom Himmel oder erscheinen einfach in der Zukunft. Sie werden von Menschen gemacht, lieber Herr Vollmer! Von Machern und Macherinnen, aber natürlich nicht von Machthabern und Machthaberinnen. Und noch eins: Zukunft passiert nicht, sondern wird gestaltet. Hoffentlich kreativ, sozial und ökologisch. Und, und, und. Nur die Lottozahlen passieren einfach – und Schicksalsschläge...

Ein Zukunftsministerium brauchen wir nicht. Das ist Quark. Letztlich sind doch alle Ministerien für die Gestaltung der Zukunft unseres Landes (mit)verantwortlich!

Oder???

Raimund Vollmer hat gesagt…

Danke für die Kommentare. Das hat mnich sehr gefreut. "Phantasie ist etwas, das vom Himmel herabfällt", sagt in etwa Dante. Und wer im "Kreativgeschäft" tätig ist, weiß das sehr wohl, dass man eigentlich für seine eigenen Ideen nichts kann. Sie passieren einfach. Hinterher wird dann die Story daraus gemacht. Aber der Einfall ist eben doch Zufall. Und der ist unbestechlich. "Die Welt ist alles, was der Fall ist", formuliert Wittgenstein. Und Flusser zählt ausdrücklich den Zufall ebenso dazu wie den Beifall (oder den Reinfall). Wer Erfinder fragt, Unternehmerfragt, wie sie zu dem gekommen sind, was sie heute haben, werden sie wahrscheinlich eine Sekunde innehalten und ganz einfaxch sagen: Ich habe Glück gehabt - und das kommt nicht aus dem Zukunftsministerium.

Besserwisser hat gesagt…

Stimmt. Aber Glück hat am Ende nur der Tüchtige. Und der dümmste Bauer 😎 Die meisten erarbeiten sich die Zu- und Glücksfälle aber hart. Es kommt aber immer auch auf das Timing an. Man kann die richtige Idee haben, aber zu früh! Oder schlimmer noch: Viel später als andere!!!!

Anonym hat gesagt…

Man kann es auch so sehen: „Zukunft als Aufgabe“. Sagt zum Beispiel der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina...

Anonym hat gesagt…

Diana Kinnert fordert ein Ministerium für Anti-Einsamkeit! Das macht mehr Sinn als das verquaste Geschwafel der alten Tante