Kommentar: Einen erstaunlichen Bericht veröffentlichte heute das Hochqualitätsmedium F.A.Z. unter der Überschrift „Daimler und das Steuergeld“. Autorin ist Susanne Preuß. Sie erklärt uns, warum es Kurzarbeitergeld gibt. Jetzt wissen wir es. Sie erklärt uns, dass der Automobilhersteller Daimler 700 Millionen Euro an Corona-bedingten Kurzarbeitergeld für seine Mitarbeiter erhielt. „Um diesen Betrag habe das Unternehmen die Kosten gesenkt, sagte Daimler-Chef Ola Källenius“, zitiert sie indirekt den Vorstandsvorsitzenden. Aber da sind wir bereits tief in der Story drin, die alles tut, um dem Management des Unternehmens zu gefallen.
In der beliebten Methode, aus der vorausgedachten Synthese dann These und Antithese herauszufiltern, baut die Journalistin die „Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht“ zuerst einmal als Antagonistin ihrer Story auf. Denn die Politikerin rügte, wie satt der Automobilhersteller ist, während kleine Einzelhändler darben müssen. Wenn man so negativ einsteigt, weiß man schon, was kommt. Das Kopfschütteln vor allem der schwäbischen Leser wird bei der Lektüre groß gewesen sein. Wie kann man nur das eine mit dem anderen vergleichen. Andere werden sich fragen, warum gar nichts über die Zulieferindustrie gesagt wird, von der Daimler abhängig ist – und noch mehr gilt das umgekehrt.
Stattdessen wird groß und breit erklärt, warum Daimler die Dividende erhöhen musste. Einmal, weil es der Vorstand versprochen hat, zum anderen, um beim Börsenwert des Unternehmens zulegen zu können. Das sei wichtig in einer Aktionärsstruktur, die sich vor allem durch das Ausland definiert.
Dass die heute so aussieht, daran hat der Vorstand natürlich keine Schuld. Das ist gleichsam gottgegeben. Und so rechnet sich Frau Preuß in stiller Ergebenheit durch das Zahlenwerk von Daimler durch. Natürlich alles tadellos.
Dennoch steht man am Ende dieses Artikels hilflos da. Wichtig wäre doch gewesen darzustellen, wie sehr und womit die Zulieferbetriebe zum Erfolg beigetragen haben. Daimler ist nicht allein auf dieser Welt, lässt sich erst recht nicht aus sich selbst erklären. So hält ja auch die Autorin dem schwäbischen Konzern die Börsenkapitalisierung von Toyota und Tesla entgegen, die deutlich höher liegt. Mit höheren Dividendenzahlungen haben diese das nicht geschafft, sondern mit dem Aufbau von Vertrauen in die Zukunft. Sie bringen einfach ihr Geschäftsmodell besser auf die Straße. Dass Daimler viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgibt, wissen wir. 8,6 Milliarden Euro seien es, das 30fache dessen, was der Hersteller an staatlicher Zuwendung bekomme, schreibt Frau Preuß. WOW. Das soll imponieren!
Zum Vergleich: Der Computerhersteller IBM war jahrzehntelang der Weltmeister bei den Patenten. Er gab mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus als seine größten Mitbewerber zusammen. Und doch fand IBM einen langen Weg in den Misserfolg. Am Ende – wie wir jüngst erfahren durften – blieb nur noch die Aufspaltung. Es ist der Weg, den Daimler nun auch gehen wird. So ist es beschlossen.
Nein, das Management des Konzerns braucht keine publizistische Rechtsfertigungsakrobatik. Es braucht Kritik. Dringend.
Raimund Vollmer (der sich allmählich aus dem journalystischen Lockdown befreit)
1 Kommentar:
Was ist journalistischer Lockdown?
a) Selbstzensur??
b) Schreibblockade???
c) _______
Wir würden es gerne wissen (Pluralistischstes Majestatis)
József Pulitzer
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