Mittwoch, 5. Juni 2019

Die Angst vor dem Valley


Die Amerikaner lieben Größe, wenn sie entsteht, sie hassen Größe, wenn sie besteht. Die einzige Größe, deren Existenz sie seit 250 Jahren akzeptieren, sind sie selbst, "Gottes eigenes Land", die Vereinigten Staaten von Amerika. So haben sie vor 50 Jahren IBM verklagt, weil sie ihnen zu groß wurde. So haben sie sich seit 1990 immer wieder Microsoft vorgeknöpft, nun sind in den USA die Giganten des Silicon Valley dran. Die Drohung heißt immer Zerschlagung, wirklich massiv vollzogen wurde sie eigentlich nur bei dem einstmals staatlich geschützten Monopol - dem Privatunternehmen AT&T, dessen Regionalgeschäft 1984 - also vor 35 Jahren - auf mehrere Baby Bells aufgeteilt wurde.

Vor 40 Jahren glaubten die Auguren, dass alles, was heute das Silicon Valley ist, würde sich dereinst unter den drei Großbuchstaben IBM vereinen. Ein Supermulti würde entstehen, und der Schreiber dieser Zeilen war ganz fasziniert von dieser Aussicht. Der Prozeß gegen IBM war zu diesem Zeitpunkt "without merit" eingestellt worden, Big Blue war völlig frei in ihren Aktionen. Aber anstatt sich um die Zukunftsthemen, die seit den siebziger Jahren bekannt waren, zu  kümmern, verkroch sich IBM in sich selbst. Sie traute sich selbst nichts mehr zu und verpennte somit einen Markt nach dem anderen.

Um Microsoft und Intel war es ja dann auch eher still geworden, nachdem beide von den Kartellwächtern gemaßregelt worden. Und bei allem Wohlwollen und Anerkennung für Microsoft, die sogar zwischenzeitlich das teuerste Unternehmen der Welt wurde, visionär ist dieses Unternehmen nicht. Und wenn man ganz genau auf Google und Facebook, auf Amazon und Apple schaut, wird man feststellen, dass sie auch nicht so recht wissen, was sie wollen. An unseren Daten werden sie sich noch überfressen. Sie ahnen, dass das, was sie da täglich aus dem Netz saufen, nicht das Echte ist. Das sind nicht wir. Und wir haben es in der Hand dafür zu sorgen, dass wir es immer weniger sind - dieser Datenschatten, vor dem wir schon zu lange Angst haben, dass er uns bestimmt und nicht wir ihn.

Als die Kunden und Mitarbeiter der IBM in den achtziger Jahren aufhörten, Angst vor diesem Giganten zu haben, schwand innerhalb kürzester Zeit deren Macht. "Fear - Uncertainty - Doubt" - das war laut Gene Amdahl, dem Vater der IBM /360 und späteren Konkurrenten, die Methode, mit der Big Blue ihren Markt in Angst und Schrecken versetzte. (Die Wikipedia spricht zwar davon, dass er das gesagt haben soll, aber er hat's tatsächlich gesagt - zumindest
zu mir, der 1978 das große Privileg hatte, ihn interviewen zu dürfen.)

Zuerst verloren die Kunden diese Angst (obwohl noch sehr viele von der Liebe der IBM zu ihnen abhängig sind), dann waren es die Mitarbeiter. Microsoft ist kein Unternehmen, vor dem man Angst haben muss. Es verwaltet sich im Grunde genommen nur selbst - über die Cloud. Intel ringt um seine Daseinsberechtigung. Die Big Four aber leben noch von unserer Angst. Und die Kartellbehörden - damals wie heute - auch. Sie sind auf unserer Seite, demonstrieren eine Macht, die sie gar nicht haben. Die Macht sind wir von dem Augenblick an, in dem wir keine Angst mehr haben. (Raimund Vollmer)

1 Kommentar:

Falk hat gesagt…

Die Macht sind wir von dem Augenblick an, in dem wir keine Angst mehr haben. (Raimund Vollmer).

Da hast du sowas von Recht!!!!

Das musst du unbedingt breiter streuen! :)