Dienstag, 15. September 2009

15. September: Alles "feiert" die Lehman-Pleite...

... sogar das Bundesfinanzministerium widmet sich auf seiner Website dem Großereignis vor einem Jahr. Die politisch geduldete Pleite der amerikanischen Investmentbank war zwar nicht der Grund für die Wirftschafts- und Finanzkrise, aber der Anlass. Und nachdem die Bush-Regierung allenthalben gerügt wurde, weil sie dem Zusammenbruch der Bank nicht entgegengewirkt hat, wird heute wohl doch mehr und mehr klar, dass anders als durch die reale Möglichkeit des Scheiterns keine Vernunft beizubringen sei.

WARUM BANKEN IHR TESTAMENT MACHEN SOLLTEN
Das Wirtschaftsmagazin The Economist hat in seinem Kommentar "Wall Street - One year on, what's changed" vorgeschlagen, dass Banken in einer Art Verfügungserklärung niederlegen sollen, was im Falle einer Pleite mit dem Geld geschieht - um so die Einlagen zu schützen und sie in die Verpflichtung zu nehmen, die Geld schulden. So würde der Steuerzahler geschont. "Living Will" heißt dazu der Fachausdruck, der 1969 erstmals in der amerikanischen Fachliteratur auftaucht.
Dass trotzdem der Bankensektor immer ein geschützter Bereich bleibt, darüber ist sich auch das liberale Wirtschaftsblatt im Klaren. »Niemand soll vorgeben, dass die Bankenbranche ein Wirtschaftszweig ist, in dem so etwas wie natürliche Auslese stattfindet.«
Journalyse-Quelle: The Economiust, 12.9.2009: "Wall Street - One year on, what's changed"

»Der Tod einer Investmentbank galt bis zu jener Morgenstunde des 15. September 2008 als undenkbar. Götter sterben nicht.« So schreibt Der Spiegel in seiner Titelgeschichte zum Lehman-Gedenktag und beharrt auf der Lieblingsmeinung aller Banker: "Die unterlassene Hilfeleistung für Lehman-Brothers gilt heute gemeinhin als letzter schwerer Fehler der an Fehler reichen Ära von George W. Buch". Mit der Idee des Livin Will setzt sich das Blatt, das ansonsten der Regulierungsseite viel Platz einräumt, mit keinem Wort auseinander (oder haben wir in dem Geschwall von schön formulierten Allgemeinplätzen etwas überlesen?)
Journalyse-Quelle: Der Spiegel, 14.9.2009: "Der Erreger lebt weiter"

Ganz anders steht die die Londoner Financial Times in ihrem Kommentar zum Jahrestag:
"Die US-Behörden hatten recht, als sie Lehman untergehen ließen." Das Blatt greift ebenfalls die Idee der "Living wills" auf, der Nachlassverfügungen im Fall eines Bankscheiterns. Im übrigen ist das Blatt der Meinung, dass die Institutionen, die man nicht untergehen lassen will (wegen ihres systemischen Risikos) dafür eine Prämie zu zahlen hätten - an den Staat, damit der Steuerzahler nicht dafür ins Risiko gerät.
Journalyse: Financial Times, 14.9.2009: "The legacy of Lehman Brothers"

Und die Frankfurter Allgemeine erfährt in einem Interview mit dem Finanzmarktexperten Peter Praet, der an den Finanzmarktregeln mitarbeitet und wohl in das Direktorium der EZB aufgenomen werden soll, etwas über den Living Will. Wir zitieren:
Eine Erwägung ist, die Banken zu einer Art Testament zu zwingen. Dann müsten sie Pläne vorlegen, wie die Bank im Fall der Fälle möglichst reibungslos abgewickelt werden kann. Wir woillen sicher sein, dass die Banken ihre für das System unerlässlichen Funktionen erfüllen kann. Wenn die Bank das nicht überzeugend darlegen kann, würde der Aufseher eine klarere Struktur des Unternehmens erzwingen, so jedenfalls nach dem Grundgedanken des Vorschlags." Das klingt schon wieder richtig deutsch. Ohne Aufseher geht bei uns nichts...
Journalyse-Quelle: FAZ, 15.9.2009: "Die Banken müssten eine Art Testament machen"
Lehman-Mann: I'm sorry
Das Wall Street Journal widmete gestern Lehman-Boss Richard Fuld eine Doppelseite. Der Mann von Lehman, den die US-Regierung fallen ließ, ist zwar immer noch voller Wut und Hass auf Bushington, aber im privaten Kreis - bei seiner neuen Finanzberatungsfirma namens Matrix Advisors - gestand er doch: "Ich verbrachte zuviel Zeit mit Kunden außerhalb des Büros und vertraute anderen, dass sie das Risiko schon managen würde. Es tut mir leid." Nun - so berichtet das Wall Street Joornal - er hat aber auch ein paar sehr einflussreiche Freunde behalten. Wie zum Beispiel den Chef der IBM, Sam Palmisano.
Journalyse-Quelle: Wall Street Journal, 14.9.2009: "One year after company's collapse, former CEO says he is sorry"

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