Freitag, 30. Oktober 2015

IBM - ein gescheitertes Superprojekt

(Kommentar) Früher galt die Wendung: Eine komplexe Welt wird durch IBM noch komplexer. Das war der Grund, warum man die größten und wichtigsten Projekte an die Mutter aller Projekte (OS/360), an IBM, vergab. Denn da konnte man sicher sein, dass alles, was an Komplexität notwendig war, aufgeboten werden würde, um aus jedem noch so schnöden Projekt ein strategisches zu machen - eines, das höchste Management-Aufmerksamkeit genoss. Denn am Ende würde IBM zwar nicht in Time, aber in Primetime, wenn alle Aufmerksamkeit gewonnen worden war, mit der Lösung kommen. Man musste nur gute Nerven haben - und tiefe Taschen. Und weil SAP ja 1972 aus der IBM hervorgegangen ist, konnte man davon ausgehen, dass die Gründer diese Art von Geschäft ebenfalls beherrschten. So rühmten sich IT-Chefs auf den Golfplätzen der immensen Projektherausforderungen, die sie gemeinsam mit IBM und/oder SAP gemeistert hatten. Natürlich sprach man auch darüber, was das gekostet hatte. Je teurer, desto größer das Ansehen in der Vergleichsreihe.
Doch nun hat es eine Riesenprojektpleite bei der Post-Tochter DHL gegeben. 308 Millionen Euro wurden da in einem gemeinsam mit SAP und IBM durchgeführten Projekt in den Sand gesetzt - eine Summe mit Börsenrelevanz. Denn die Post musste nun wegen der Totalabschreibung eine Gewinnwarnung absondern - und erwägt sogar, von IBM und möglicherweise auch von SAP Schadensersatz zu fordern. Nicht gerade gut für eine Firma, die wenige Tage zuvor melden musste, dass die amerikanische Bösenaufsicht Buchungspraktiken der IBM unter ihre Lupe genommen hat.
Was genau dahinter steht, erfahren wir nicht. Also spekulieren wir mal ins Dunkel hinein. 
Eins fällt auf: Je mehr sich ein IT-Unternehmen von der Hardware entfernt (und IBM ist da geradezu beispielgebend), desto einfacher ist es wohl auch, "weiche" Umsätze wie Software und Services nach Belieben zu vermischen und umzubenennen. Das mag alles legal sein und in Übereinstimmung mit den Buchungsregeln, aber es bleibt "alter Wein in neuen Schläuchen", ist nicht so ganz ehrlich. (Es sei denn, man sagt genau, was umgebucht und umgenannt wurde). 
Was gestern von der Software nach Services umgebucht wurde, um einen selbstgefälligen Trend zu stärken, wird heute von Services zur Cloud verlagert, weil man dort den Markttrend erwartet, der zu höheren Börsenbewertungen führt. Wie sehr Firmen wie IBM bei sinkenden Umsätze darauf angewiesen ist, den Strukturwandel als Erfolgsgeschichte zu verkaufen, wissen wir bereits seit mehr als zwanzig Jahren. Diese Firmen müssen mit ihren inneren Umsatzströmen herumhantieren, wenn das Gesamtwachstum stagniert oder gar wie bei IBM seit 14 Quartalen rückläufig ist.
Natürlich macht es keinen Spaß an der Spitze eines solchen Unternehmens zu stehen, vor allem, wenn man weiß, dass der schlechte Geschäftsverlauf seine Ursachen in den Fehlentscheidungen der Vorgänger seine Ursache hat. IBM ist seit 1992 ein Superprojekt, das nun von Quratal zu Quartal mit der Tatsache konfrontiert wird, sich dem Scheitern zu nähern. Da helfen auch milliardenschwere Aktienaufkauf-Programme nicht, von denen es soviele gab, dass man sich fragt, ob die Firma nicht längst sich selbst gehört.
Auf jeden Fall sucht das Unternehmen geradezu krampfhaft nach neuen Umsatzfeldern - wohl wissend, dass das einzige, was wirklich Zukunft hat, das Geschäftsfeld Watson ist. Es wäre eine phantastische Unternehmensstory, wenn Watson für sich ganz allein stünde - ohne das Beiwerk IBM. Es wäre ein grandioses Start-up. So ist es ein Start-up mit 101 Jahren Vorgeschichte. 1914 trat Thomas J. Watson als Präsident an, das war immer das Gründungsdatum der IBM, bis Sam Palmisano kam und das Geburtstdatum in seine Ära hinein, nach 2011, umbuchte. Ein kleines Indiz dafür, wie IBM mit Big Data umgeht.
Aber Big Data ist ein unglaublich gutes Mittel, um alles so zu belegen, wie man es braucht. Je mehr Daten zu buchen sind, desto besser kann man sie auch manipulieren.
Warum IBM sich dann aber ausgerechnet einen Wetterdienst für schätzungsweise zwei Milliarden Dollar kaufte, wird einem nicht ganz klar. Denn das Wetter passiert immer in Echtzeit, wird von Milliarden Menschen registriert, kann man nicht einfach umbuchen. Denkt man. Wetterprognosen müssen jeden Tag den Wirklichkeitstest bestehen. Lässt sich IBM auf so etwas ein? Nein. Denn den Wetterfernsehkanal, den hat sie nicht gekauft. Aber wenn man einen Dienst hat, der jeden Tag zehn Milliarden Prognosen produziert, dann hat man so viel Big Data, dass man damit jedes Wetter bekommen kann, das man braucht, um ganze Wirtschaftszweige zu steuern. In der Landwirtschaft ohnehin, wo der Bauer schon lange nicht mehr im Märzen die Rösslein einspannt, sondern stündlich wissen will, was er wo tun kann. In der Verkehrssteuerung und bei den technischen Betrieben, die rechtzeitig wissen werden, wann wo wieviel Schnee fällt. Jeder Mensch braucht sein Wetter - und all das bekommen sie von Watson & Wetter. Donnerwetter!
Aber IBM wäre nicht IBM, wenn sie nicht bei der Kundschaft vor allem an institutionelle Anbieter denkt, an die, die börsenrelevant sind. Sie denkt dabei nicht an uns, an die Individuen. Wir sind nur Empfänger von Services, die andere für uns aufbereitet haben - in Superprojekten wie die der DHL.
Raimund Vollmer

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Taxi-Lizenz: Finanzwelt wird "uber"-rascht...

... vom drohenden Wertverfall der Taxi-Lizenzen in den USA. Was bislang als ein sicheres Finanzierungsgeschäft galt, wird möglicherweise zum Risikopapier, suggeriert das Wall Street Journal, das in Europa seine "Papiergestalt" aufgegeben hat und sich nur noch online darstellt.

Mittwoch, 21. Oktober 2015

IBM und die Qual der Quartale: Ein Unternehmen weiß nicht woher und wohin...

(Kommentar) Wer oder was ist eigentlich IBM? Keiner weiß es so genau. Zwischen irgendwann in den letzten 100 Jahren und heute war es für viele Jahrzehnte der Computergigant. Alles Hardware, hieß es, als die Branche noch klein und IBM groß war. Sie war so mächtig, dass sie in ihrer Geschichte drei staatliche Antitrust-Verfahren bestehen musste, bis die Branche so groß geworden war, dass IBM endlich kleiner werden konnte. Seit 14 Quartalen erfüllt sie diesen Auftrag mit geradezu unbeirrbarer Konsequenz. Sie nennt es Wandel - und der Umsatzschwund ist offensichtlich ihr Verständnis von "Fortschritt".
Wer in den letzten Tagen die sich einander ähnelnden Presseberichte las, rieb sich indes verwundert die Augen, wenn er wissen wollte, als was für ein Unternehmen IBM klassifiziert wird. NTV nennt IBM einen "PC-Giganten" (hui), für finanzen.net steckt Big Blue im "klassischen Computergeschäft", Heise-Online sieht IBM aus dem "klassischen PC-Geschäft" kommend, das Handelsblatt sieht in dem einstigen Marktherrscher einen "Technologie-Oldie", obwohl er doch mit seinen Patentanmeldungen weltmeisterlich eine permanente Verjüngungskur angetreten hat. Vor ein paar Jahren, als irgendwo noch Wachstum zusammengestiefelt wurde, nannte sich IBM einen Service-Konzern, war stolz darauf, dass sie das Hardware-Geschäft überwunden hatte. Und nun suggerieren die Meldungen, dass sie ihre Systembelastung immer noch nicht überwunden hat. Cloud hin, Watson her - man hat schon den Eindruck, dass dieses einst so selbstbewusste Unternehmen nicht mehr weiß, woher es kommt und wohin es will. Und auch gemäß der nach unten offenen Google-Suchskala haben die Medien eigentlich keine Ahnung. Warum sollten sie sich auch abmühen mit einem Konzern, der sich sukzessive auf sein Verschwinden vorbereitet?
Raimund Vollmer

Dienstag, 29. September 2015

Wilkommen zu Amerika, Herr Porche. (Leserkommentar im Wall Street Journal)

... und weitere internationale Stimmen zum VW-Skandal, die sich nun auch dem nächsten Skandal widmen: den Anwälten, die die Sammelklagen durchziehen:

I've always pitied Europeans in suffering folly of their governments taxing fuels so heavily they drove everyone to buy a diesel car for the sake of higher mileage.

The class action settlement will probably by a free oil change for the owners and 50 gagillion dollars for the lawyers!

just got the settlement for a 4 year old securities suit for a stock I owned then. After the lawyers got done, I was offered $0.10 a share to compensate for the $4/share loss.

I hope the attorneys clear $25 billion from VW.  Then no car company will dare mess with pollution laws ever again.  Keep your fingers crossed!

The governments of the world  needs to control the VW penalties  and put a total cap on what vw owns word wide/ vehicle and thus helping VW avoid bankruptcy. I would recommend no attorney fees allowed world wide. VW did was break the law.  No benefits from a Bankrupted VW. 

Journalyse-Quelle: Wall Street Journal

Mittwoch, 23. September 2015

Schon 2012 wurde VW in Kalifornien auf die Testabweichungen aufmerksam gemacht...

...was endlose Tests nach sich zog. Im August und September gab dann VW zu, dass es eine "geheime Technologie" benutzt habe, um die Werte anzupassen. So berichtet heute das Wall Street Journal.
Kommentar: Wielange will der Vorstand noch nicht davon gewusst haben?

Hier mal ein paar Leserkommentare:

The CEO is a dead man walking, as he should be.

This is a deep character flaw, not bad management.

Really, Really STUPID.

Supposedly spending 100 euro more on a larger filter would have solved the problem without any trickery. How do you spell incredibly stupid?


VW was "Endlessly and Sincerely sorry"
- - - that they got caught.

It may take years but people will go to jail over this one. 

VW has inadvertently now established the value of unwanted emissions...

No better time to buy a VW. Just avoid the diesels.

Do you think German beer is still safe to drink?

Come on!  The fires in California caused a 1000000x more damage than this computer program ...even if it is that. 

... by all means, buy as much VW stock as your family can afford!

Dienstag, 22. September 2015

Die Leser im Internet: Jetzt wird die Qualität der deutschen Autos kritisiert...

(Kommentar) ... und die Japaner sind die heimlichen Gewinner. Wer in der angelsächsisch geprägten Presse nachliest, wie die Leser die Berichte über die Manipulationen der Abgastests bei VW kommentieren, bekommt nicht nur sehr viel Wut und Enttäuschung zu spüren, sondern erfährt auch massive Kritik an der Qualität und dem Preis-/Leistungs-Verhältnis deutscher Autos. Im Gegenzug werden Fahrzeuge japanischen Ursprungs besonders gelobt. Aber auch General Motors wird nicht geschont. Ebenso wenig die Politik. Man spürt deutlich die Forderung nach Anstand und Ehrlichkeit in einer Welt, in der Zahlen wichtiger wurden als Werte. Die Leser sind vollkommen desillusioniert - und die 500 Milliarden Dollar, die jährlich für Werbung ausgegeben werden, sind - außer für die Werbeindustrie und die Marketing-Manager - eigentlich für die Katz. Früher gab es im Fernsehen das Pausenwort "Störung", heute heißt es "Werbung")
Wenn das 19. Jahrhundert das Jahrhundert der Unternehmer war, das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Manager, dann ist das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Verbraucher. Und sie haben mit dem Internet eine Waffe in der Hand, die sie sich nicht mehr wegnehmen lassen - allen Versuchen der Big Four zum Trotz. Apple kann zum Beispiel den jüngsten Hacker-Angriff nur souverän überstehen, wenn es - wie geschehen - alles tut, um den Verbraucher zu schützen. Google und Fachebook, verseucht noch von einer hierarchisch organisierten Werbewelt, werden in den kommenden Jahren, ka Monaten oder Wochen, erkennen, dass ihre Glaubwürdigkeit die einzige Chance ist, ihr Milliardenpublikum zu halten. Je mehr sie sich auf die Seite der - das sieht man am VW-Skandal - bestens vernetzten User schlagen, desto größer ist ihr Börsenwert. Keine Werbeagentur, kein Werbe-Watcher, auch nicht deren Zusammenschluss, kein Big Data-Pallast, keine Börsenmacht der Welt kann ihnen Gleichwertiges bieten. Amazon ist vielleicht das Unternehmen, das in der Kundenorientierung - in meiner Wahrnehmung - am weitesten fortgeschritten ist, was prompt zu Konflikten mit den Mitarbeitern führt.
Die höchste Ware ist Vertrauen. Das weiß jeder. Im 20. Jahrhundert hat man immer wieder ohne große Folgen dieses Vertrauen verletzen können. Im 21. Jahrhundert, das sich nun mehr und mehr hinter unseren Bildschirmen entfaltet, ist das nicht mehr möglich. Wir befinden uns in der Übergangsphase. Das Gute an dem VW-Skandal ist, dass er diese Phase der Übergangs verkürzt, vielleicht sogar dramatisch verkürzt.
Die Japaner gehen seit bald 25 Jahren durch eine Wirtschaftskrise, durch eine Übergangszeit. Ihre Hybris war zu Ende, als die Mitsubishi-Gruppe 1991 das Rockefeller-Center in New York kaufte - aber nur unter einer Bedingung: Es sollte das teuerste Gebäude der Welt sein. Danach kam ein Absturz, der dieses Land den Weg zurück zu alten Tugenden wies.
Wir haben in Deutschland genügend äußerst fähige Menschen, die wissen, was Ehrlichkeit und Anstand bedeuten. Es wird Zeit, dass sie die Verantwortung übernehmen und all die Zahlen-Zyniker und -Zocker zum Teufel schicken. Es würde unser Leben soviel besser machen - und das müssten wir noch nicht einmal messen. (Raimund Vollmer)

Montag, 21. September 2015

Die Welt der Jurys und der Absturz der VW-Marke

(Kommentar) Der Absturz der VW-Aktie nach dem Bekanntwerden der Manipulationen bei den Abgaswerten in den USA wirft ein besonderes Licht auf unsere Welt, in der praktisch alles, was ist, gemessen und gewertet wird. Bei dem seit Lopez-Zeiten geradezu neurotisch gepflegten Versuch des vetostaatlich geführten Unternehmens, der größte Automobilhersteller der Welt zu werden, wurde der Volkswagen-Konzern bei der größten Sünde erwischt, den man in der heutigen Zeit begehen kann. Er hat die über unsere Umweltbelastungen wachenden Behörden getäuscht - durch Manipulation von Befehlssätzen, landläufig Software genannt.
Es musste so kommen. Irgendetwas war da doch im Busch, nachdem der Mann, der diese Erfolgssucht bei VW in den neunziger Jahren gepflanzt hatte, wohl irgendwann zur Besinnung gekommen war - und war zu seinem Schüler Martin Winterkorn "auf Distanz" gegangen. Ferdinand Piech hatte 1993 den GM-Wunderdoktor José Ignacio Lopez zu VW geholt und damit die Amerikaner hochgradig verärgert. Damals war Piech der Chef in Wolfsburg geworden und hatte all die Schlampereien eingestellt, die den staatlich und gewerkschaftlich durchgeschmusten Konzern in höchste Nöte gebracht hatten. Ein enger Mitarbeiter, der ganz nah am Vorstand arbeitete, erklärte damals dem Autor dieser Zeilen: "Endlich wird im Vorstand richtig gearbeitet." Damals hatte Piech wohl festgestellt, dass bei VW ein harter Besen, wie ihn dieser Lopez darstellte, fehlte. Der brachte nicht nur sein Wissen mit von General Motors, dem damals größten Automobilgiganten der Welt, sondern - so meinten jedenfalls die Amerikaner - auch Betriebsgeheimnisse. 1997 einigten sich GM und VW darauf, dass die Wolfburger 100 Millionen Dollar an Wiedergutmachung (oder wie immer man das nennen soll) zahlten und für eine Milliarde Dollar Zulieferteile bei GM kauften.
Das hätte VW eine deutliche Warnung sein müssen. Mit den Amerikanern ist nicht zu spaßen.
Es war jene Zeit, in der Qualitätssicherung das ganz große Thema in den USA war - und damit einher erwachte die große Leidenschaft der Angelsachsen für das Messen und Wiegen. Die Zeit der Juroren brach an, die uns heute jeden Abend bis in die Fernsehprogramme hinein verfolgt. Alles wird bewertet, alles wird in Hierarchien des Gut und Besser gepresst. "And the winner takes it all..."
Schummeln - so hatte man bei VW, wie sehr oft bei Unternehmen mit unerträglicher Staatsnähe - gehörte zum Geschäft. Sie passt aber nicht in eine Welt der totalen Qualitäts-Kontrolle. Nur wird man die leidigen Laster nicht so schnell los. Wie getrickst wird, haben wir ja dann zuletzt noch auf schlagzeilenträchtige Weise bei der Wendelin-Wiedeking-Schlacht um VW sehen können.
Noch deutlicher aber wirft es ein Licht auf ein offensichtlich völlig überfordertes Management. Nahezu alle Automobilhersteller haben sich in den vergangenen Jahren vollgestopft mit Rechenknechten - in der Erwartung, dass diese am besten klarkommen in einer Welt, in der alles aus Zahlen und Befehlen, also Daten und Programmen, besteht. Die Nähe dieser Leute zu einer ähnlich konditionierten IT-Welt bildeten eine Kombination, die von einer Erfolgswelle zur anderen führte. Und wer sich in einer permanenten Vergleichsreihe befindet, sich der Brutalität der Zahlen aussetzt, muss damit rechnen, dass er auch gerechnet wird - und schließlich abgerechnet wird.
Die Deutsche Bank weiß, wovon VW künftig reden muss. Auch sie ist auf die Zahlen- und Befehlswelt hereingefallen. Das ist keine Frage des Wissens und Könnens, sondern des Charakters.
Die Blamage bei VW ist vielleicht noch größer.
Im privaten Kreis hat der Autor dieser Zeilen im Frühjahr die Meinung vertreten, dass Chef Martin Winterkorn die eigene Erfolgsgeschichte einholen wird. Ein Mann wie Piech würde nicht solch einen Stunk machen, wenn da nicht etwas grundsätzlich falschläuft. Der Aufsichtsratsvorsitzende, der dann seinen Job räumen musste, ahnte wohl, dass dieser permanente Erfolgsdruck seine Blüten treiben würde. Er hatte recht - vielleicht sogar in einem Maße, wie er sich das nicht hat vorstellen können.
Wenn VW die richtigen Konsequenzen daraus zöge und den Vorstand komplett ersetzt, dann sollte sich der Konzern endlich einen Boss suchen, der dem Grundanstand seiner Mitarbeiter an den Fließbändern und in den Facharbeiterkreisen gerecht wird. Und die Gewerkschaftsleute sollten sich auch an deren Tugenden erinnern: Fleiß, Ehrlichkeit und Anstand. Für diese Kriterien braucht man keine Qualitätssicherung, dafür braucht man Charakter - etwas, das nicht unbedingt zum Studienprogramm der Rechenknechte gehört. Muss auch nicht, denn die sonstigen Mitarbeiter nringen dies ja auch von zuhause aus mit. Der Skandal um Peter Hartz war doch schon ein ganz deutlicher Warnschuss gewesen: Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.
Wer je einen VW-Käfer fuhr, weiß, dass dies ein grundehrliches Auto war. Noch ohne Software erfunden und gebaut. Es war ein Welterfolg. Sein einziger Makel war, dass er seine Ursprünge in der Nazizeit hatte. Da versprach man den Menschen, dass sie im Rahmen des Spar-Programms "Kraft durch Freude" ein Auto erwerben, eben diesen Käfer. 336.000 Menschen machten mit. Ihr Auto haben sie nie gesehen. Es musste erst ein Neubeginn kommen.
Raimund Vollmer


Mittwoch, 2. September 2015

Rück-Click 1998: Gerstner prophezeit für IBM zweistellige Wachstumsraten...

... weil alle Welt nach ihren Beratungsdiensten ruft, Chips und Speicherplatten sich besonders gut verkaufen lassen werden. So berichtet am 18. Mai 1998 die FAZ.

Montag, 10. August 2015

Rück-Click 1970: Die Wetterprognose

"Zehn Milliarden Rechenoperationen sind notwendig, um eine 24stündige Voraussage zu treffen."
Die Zeitschrift "Hobby" am 15. April 1970 über die Anschaffung einer Anlage IBM /360-195 für das Britische Meteorologische Institut

Übrigens: Ein Mikropozessor Intel Core i7 5960 X leistete 2014 mehr als 300 Milliarden Instruktionen pro Sekunde. Und bevor die Diskussion über MIPS und MOPS und FLOPS losgeht, es soll nur ein kleiner Vergleichsversuch sein, ohne Absolutheitsanspruch. Vielleicht hat der ein oder andere Journalyse-Leser einen besseren Vergleich.

Montag, 27. Juli 2015

IBM - die Firma, die nur noch Mitleid erntet...

(Kommentar) ... muss man meinen, wenn man die Kommentare liest, mit denen in der vergangenen Woche der weitere Niedergang des Unternehmens begleitet wurde. "Die letzten 20 Jahre" lautete der Untertitel meines Buches "Blueland", das ich 1997 veröffentlicht habe. Ich gebe zu: Ich habe mit der Zweideutigkeit dieses Satzes gespielt, aber nie geglaubt, dass er mal einen eindeutigen Hinweis auf die Zukunft dieses einstmals so grandiosen Unternehmens geben würde. Ehrlich gesagt: heute bin ich eher sprachlos und fassungslos. Im Prinzip hat diese Firma schon jetzt aufeghört zu existieren. Denn sie steht für nichts mehr in dieser Branche. Selbst die Großrechner besitzen keine Faszination mehr. Vielleicht sollte IBM mit sich selbst das tun, was sie mit ihrem PC-Geschäft getan hat: einfach sich selbst verkaufen. An Google zum Beispiel. Denn dieses Unternehmen entspricht weitaus mehr der Vision, die vor 40 Jahren die sogenannten IBM-Watcher der IBM gaben, als die IBM, wie sie sich heute darstellt. Sie hat nur noch eine Trumpfkarte: Watson. Und in den Händen von Google würde daraus ein SuperWatson, ein Android-Genie.
Raimund Vollmer

Mittwoch, 1. Juli 2015

Warum ich keinen Bock mehr auf Blog habe...

... und nur noch gelegentlich hier schreiben will: aus purer Frustration.
Es war mehr Zufall als Absicht, dass ich vor vierzig Jahren als 23jähriger, frischgebackener Redakteur in diese Branche hineinkam. Nach einer Woche bei der Computer Zeitung wollte ich schon wieder kündigen. Das war absolut nichts für mich. Freunde, die mich kannten, hatten ohnehin nicht verstanden, dass ich dieses Angebot angenommen hatte. Doch ich blieb.
Ich lernte eine Branche kennen, die mir alle Begriffe raubte, die mir hoch und heilig war. Damals, 1975, wurde in der EDV-Branche viel über Philosophie gesprochen. Dass dies nichts, aber auch gar nichts mit Kant oder Nietzsche zu tun hatte, erstaunte und entsetzte mich. Aber ich akzeptierte es. Und ich lernte, dass die Computerleute eine ganz andere Sicht auf die Dinge pflegten als ich. Sie wollten diese Dinge nicht beschreiben, sondern programmieren. Ich fand das (um einen weiteren der ausgehöhlten Begriffe zu benutzer) ziemlich spannend.. Wenn man aber in Dimensionen vorstieg, die keiner unmittelbaren Nützlichkeit oder der Selbstbezüglichkeit der Maschine unterworfen waren, stiegen die Gesprächspartner aus. Komplettes Desinteresse.

Also suchte ich mir eine Story, die sowohl mich als auch die Computerleute interessieren könnte und stieß dabei auf das Thema "IBM". Das Unternehmen, das eine Branche war, faszinierte mich. Das war "spannend". Schlimm wurde es jedoch, als dieses Thema bei Big Blue in die Fänge eines unfähigen Managements geriet. Gut, damit konnte man als Journalist noch fertig werden. Als jedoch in Deutschland Leute, die an die Börse wollten, anfingen, sich "Storys" zusammenzubasteln, die so dürftig waren, dass man sich als Leser geradezu fremdschämte (und dies trotzdem zu schwindelerregenden Bewertungen führte), ahnte ich, dass diese Branche in ihrer sogenannten Führungselite intellektuell komplett abgewirtschaftet hatte. Hier ging es nur noch um Geld. Schlimmer noch: Es herrscht geradezu eine panische Angst davor, etwas zu tun, was nicht in Geld aufgewogen wird. Eigentlich ist dies ein Zeichen für einen gigantischen Minderwertigkeitskomplex.

Geradezu ekelig wurde es, als diese Typen auch noch anfingen, den allerheiligsten aller Begriffe zu missbrauchen, das letzte Refugium von Menschen, die in Geld zwar eine Notwendigkeit, aber keine Glückseligkeit sehen: Dieser Begriff heißt Phantasie.
Dieser Begriff erlebte mit dem Aufstieg des Neuen Marktes eine geradezu inflationäre Bedeutung. Aber das, was uns als Phantasie verkauft wurde, hatte nicht das geringste damit zu tun. Ich habe dann versucht, auf andere Themen auszuweichen - und trotzdem immer wieder versucht zu verstehen, was in der Computerbranche eigentlich passiert. Einen Zugang habe ich nie mehr gefunden. Ich habe mit Kollegen gesprochen und sie gefragt: Warum rebellieren wir nicht gegen diesen geistigen Notstand, den wir in der Führung nicht nur der IBM, sondern in allzuvielen IT-Unternehmen sehen? Meistens gab es nur verlegene Antworten. Sie teilten zwar meine Meinung (glaube ich zwar ihren Worten entnommen zu haben), aber riskieren wollten sie nichts. Die meisten hatten beschlossen, mit den Wölfen zu heulen und zu heucheln.
 Heute stehen wir, die Schreiber, in Deutschland vor dem Nichts. Und dieses Nichts heißt IT. (Man könnte auch sagen IT 0.0)

Raimund Vollmer

Nachtrag: Ich habe in den letzten Monaten versucht, die letzten 40 Jahre in einer "Story" Revue passieren zu lassen und habe dabei Menschen zugehört, die das, was in der von der IT durchdrungenen Welt geschieht, genau beobachtet, vorgedacht oder vorhergesehen haben. Und dabei habe ich festgestellt: Sie waren und sind die letzten Hüter der Phantasie. Und ich habe den Verdacht, dass die IT-Branche und ihre Kunden vor nichts so sehr Angst haben wie genau vor dieser Phantasie. 





Montag, 15. Juni 2015

Rück-Click 1964: Ein Patent braucht sechs Jahre...

... von der Anmeldung bis zu Bearbeitung. Jährlich wurden vor 50 Jahren 61.000 Patente angemeldet, aber nur 42.000 bearbeitet. Dies hatte nach dem Krieg zu einem Bearbeitungsstau von 250.000 Anträgen geführt - oder einer Wartezeit von sechs Jahren.