Freitag, 21. November 2025

Nachschlagzeile: Ostblock 1990

 "... DANN MÜSSTE DIE DDR AUS DEM OSTBLOCK AUSSCHEIDEN"

Die Welt, 13. Januar 1990

"Die Einbindung der DDR in Schengen würde bedeuten, dass die DDR aus dem, was einmal Ostblock hieß, ausscheiden muss."

Innenminister Wolfgang Schäuble 

Mittwoch, 19. November 2025

Nachschlagzeile: IST MERZ ASOZIAL? (2004)

 "WIR NÄHERN UNS KOLLEKTIVER DEKADENZ" 

Die Welt, 30. November 2004 

„Es ist wirklich asozial, solche Schulden zu machen auf dem Rücken unserer Kinder, die sich dagegen mit dem Stimmzettel nicht wehren können.“

Friedrich Merz (*11.11.1955), CDU, nach seinem Rücktritt als Fraktionsvize über die Schuldenpolitik der Schröder-Regierung

Dienstag, 18. November 2025

GAIA - Eine Ausstellung in Sankt Blasien






 Gefilmt habe ich dieses Bild der Erde, eine sich drehende Kugel in dem Dom zu Sankt Blsien im Schwarzwald - aber nur für private Zwecke, weil ich dazu eine Musik wählte, die sofort die GEMA auf den Plan rufen würde - und gewidmet habe ich ihn meiner Familie. Ich war überwältigt - und möchte zumindest ein Hauch davon, wie das Regnum vom Sacrum umfasst wurde hier wiedergeben. Spuren von uns Menschen sucht man übrigens vergeblich auf diesem Planeten. Das hat mich am mneisten erstaunt. Raimund Vollmer

Journalyse-Fotos: R.V.

Nachschlagzeile: Putin 2001 (9)

 "'Putin ist ein Glücksfall für Russland'"

Die Welt, 15. November 2001 

"Putin ist sehr pragmatisch, 
er handelt wie ein Manager. 
Schritt für Schritt arbeitet 
er seine Prioritätenliste ab..."

Wladimir Potanin (*1961), Milliardär und Präsident der Industrieholding Interros 

 

Montag, 17. November 2025

Zum Tage: Maximen

 „Wenige Maximen sind wahr in jeder Hinsicht.“

Luc de Vauvenargues (1715-1747), französischer Auto

Sonntag, 16. November 2025

Zum Tage: Ruhm

 „Der Ruhm ist eine jugendliche Form der Blindheit.“

Arthur Miller (1915-2005), amerikanischer Schriftsteller

Samstag, 15. November 2025

Drei Jahre später immer noch aktuell?
  

Eine unzeitgemäße 
Betrachtung von Raimund Vollmer

ERSTER AKT

1990: „Wir gehen jetzt einer Zeit entgegen, in der der Frieden gefährlicher wird als der Krieg.“
Friedrich Dürrenmatt (1921-1991), Schweizer Schriftsteller und Dramatiker
 
 
Erstveröffentlichung am 6. Mai 2022. unterder Überschrift "Jetzt reicht's"
 
Ich bin nur ein ganz kleiner Staatsbürger, längst verschwunden im Rentnerdasein, im Nichts des Nichtstun und des Nichtsnutz. So bin ich natürlich voll darauf angewiesen zu hören und zu denken, was die, die denken, dass sie klug und weise denken, so denken. Und deshalb studiere ich demütig Emmas Brief an unseren Bundeskanzler, der vor allem ihr Bundeskanzler wird, wenn er denn so denkt wie sie und nicht wie die anderen, die Frieden schaffen mit schweren Waffen. So jedenfalls lautet die Absicht. Ihnen reicht's.
Doch Emmas Freunde halten dagegen: Zwei Grenzlinien seien JETZT erreicht, schreiben die 28 Unterzeichner des Briefes, der mit größter Inbrunst verfasst wurde – voller edlen, vornehmen Gemüts, dass es einem, der sich bis zum 29. April 2022 traute, es anders zu sehen, ganz mulmig wird.
Da sei „erstens das kategorische Verbot, ein manifestes Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt in Kauf zu nehmen.“ Das klingt sehr intellektuell, das ist es wohl auch. Sehr vernünftig und getragen. Auch das Zweitens, das „Maß an Zerstörung und menschlichem Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung“, dem ein Ende gesetzt werden müsse, markiert eindeutig eine Grenzlinie, die uns einzäunen soll. Was will man dagegen sagen!
Ja, es reicht. Es ist schon viel zu viel Leid geschehen. Auf beiden Seiten, hallt es aus dem Emma-Tal: „Selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor steht dazu irgendwann in einem unerträglichen Missverhältnis“. Das ist schön gesagt, all der Schriftsteller und Feindenker würdig, die ihn unterschrieben haben. Edelmütig warnend. Irgendwann – so lese ich in meiner Schlichtheit heraus – wird sich ansonsten die Ukraine so sehr gewehrt haben, dass sie in die Rolle des Aggressors zu fallen droht. Dann gilt fortan: Böser Selenskyj, armer Putin!
Aber wahrscheinlich habe ich das alles falsch verstanden. Ich sollte das Denken den 28 Aufrechten überlassen! Sie denken klüger.
Wir leben unter dem Diktat einer Bombe, deren paradoxe Funktion darin besteht, dass sie nicht gezündet wird. In dem Augenblick, in dem dieses Tabu gebrochen wird, ist alles vorbei. Wer immer den Finger am Trigger hat, zerstört sich unweigerlich selbst.
So dachte ich bisher.
Als ich noch lange kein Rentner war und der Kalte Krieg die Welt für immer und ewig in das Reich des Bösen und in das des Ronald Reagan teilte, da wagte ich mich an eine These heran, die so böse klang, dass sie fast schon wieder gut war: „Die einzige Chance, die Atombombe abzuschaffen, besteht darin, sie zu zünden.“ So formulierte und fabulierte ich vor mich hin. Natürlich nur in der Duschzelle. Vierzig Jahre ist das her – und ich war felsenfest davon überzeugt, dass niemand die Atombombe abschaffen würde. Zum Glück. Für uns alle. Emma hatte Recht.
Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.
***
ZWEITER AKT
1990: „Mitunter habe ich den Eindruck, die Welt spielt ein noch verrückteres Theater.“
Friedrich Dürrenmatt (1921-1990), Schweizer Schriftsteller und Dramatiker, über seine eigenen Stücke
 
Vor 60 Jahren, am 21. Februar 1962, wurde in Zürich das Stück „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt uraufgeführt. Prominent besetzt. Es spielt in einer Irrenanstalt, in der nur eine Person wirklich verrückt ist: die behandelnde Ärztin (Therese Giehse). Zwei der drei Insassen, der eine nennt sich Einstein (gespielt von Theo Lingen), der andere Isaac Newton (Gustav Knuth), tun nur so, als seien sie diese Physiker, deren Namen sie tragen. Sie sind in Wirklichkeit Geheimagenten und wollen an das Geheimnis des dritten Physikers namens Möbius (Hans-Christian Blech) heran: er allein besitzt – ebenfalls bei vollem Verstand – die Formel, nach der sich die ganze Welt vernichten lässt. Die drei Physiker sind sich am Ende einig, dass nicht die Welt vernichtet werden sollte, sondern das Wissen darum – doch die Ärztin hat die Formel längst kopiert…
Das Stück spielt in einem einzigen Raum – so, als sei es die Ukraine. Und wenn man nun meint, dass alle, die in diesem Raum sind, hier bleiben wollen, dann dehnt er sich zu einer Welt unter dem Schutz der Atombombe, die zwar der komplette Irrsinn ist, aber unter der wir es uns fast schon gemütlich gemacht haben.
Gemordet wird sowieso.
Bei Dürrenmatt sind es Einstein und Newton, in der Ukraine Putin und Selenskyj, der eine Geheimagent, der andere Schauspieler. Verrückter geht’s kaum. In seiner Ausbildung zu dem, was er war, ein KGB-Offizier, wurde Putin einem strengsten psychologischen Training unterzogen. Ja, er lernte, wie man inmitten eines Irrenhauses seinen Verstand behält.
Würde er mit den Mächtigsten der Welt in einem Raum eingesperrt sein, dann - so ein Szenario - würde sich Putin absolut still verhalten, um jeden der Anwesenden genau zu studieren. Andererseits könne er auch, um sich vor den Gedanken der anderen zu schützen, stundenlang damit beschäftigen, seine Schuhe zu putzen, um sich auf keinen Fall von irgendjemandem beeinflussen zu lassen.
Zweiundzwanzig Jahre später wissen wir, dass er beides getan hat: Er hat alle um sich genau studiert und zugleich stur seine Schuhe geputzt.
Er hat erkannt, was die Welt ist: ein Irrenhaus. Es ist ein Tollhaus, das unter dem Schutz der Atombombe steht. Ungestraft können wir hier unsere Verrücktheiten, unsere Kriege und Terrorakte begehen. Die Bombe alle, schützt auch ihn. Denn es steht in seiner Macht, die Bombe NICHT zu nutzen, also das Gegenteil von dem zu tun, was Emmas Freunde befürchten.
Ist das nicht der pure Wahnsinn? Die Bombe ist der Schutz, unter dem er seine ganzen Greueltaten entfachen kann. Vor diesem Hintergrund wirkt der Emma-Appell wie ein Freibrief. Verhandeln ist für Putin wie Schuhe putzen.
„Nur im Irrenhaus sind wir noch frei“, behauptet Möbius. Er ist jener Physiker, der die Weltformel zur totalen Zerstörung der Erde gefunden hat. Aber er hat sie vorsorglich vernichtet. Er sagt: „Nur im Irrenhaus dürfen wir noch denken. In der Freiheit sind unsere Gedanken Sprengstoff.“
Der Emma-Brief ist diese Art von Sprengstoff nicht, keine Befreiung. Im Gegenteil: seine Absicht ist es, das Irrenhaus zu schützen. Geht das gut? „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat, wird Dürrenmatt im Nachrichtenmagazin ‚Der Spiegel‘ zitiert. Das war am 28. Februar 1962.
Sechzig Jahre treibt die Geschichte genau auf diese Wendung zu. Und sie wird uns überraschen. Dürrenmatt hat es vorausgesehen: „Tritt die atomare Selbstvernichtung nicht ein, gerät die Menschheit in eine noch nie geahnte geopolitische Zwangslage, Eingriffe in die Wirtschaft und in die Persönlichkeitsrechte werden notwendig, politische Umwälzung.“ Das wäre die schlimmstmögliche Wendung.
Es wäre der Verlust unserer Würde, es wäre der Verlust von allem, was wir in den letzten 250 Jahren mühsam errungen haben.
Solche Appelle wie dieser Emma-Brief sind nichts anderes als der Aufruf dazu, den Schlüssel wegzuwerfen, der uns aus dem Irrenhaus befreien könnte. Dann - allerdings - haben wir tatsächlich den Verstand verloren.
Wir müssen handeln, nicht verhandeln. So hart das ist. Wir haben schon zu lange gewartet. Übrigens ein Argument, das auch Putin für sich reklamiert.


Freitag, 14. November 2025

Nachschlagzeile: Putin 2001 (8)

Newsweek, 7. Mai 2001
 

Zum Tage: Böser Genius

 "Jedem Jahrhundert sendet der Unendliche 
einen bösen Genius zu, der es versuche."

Jean Paul (1763-1825), deutscher Schriftsteller, dessen Todestag am 14.  November 200 Jahre zurückliegt

Donnerstag, 13. November 2025

Nachschlagzeile: Putin 2001 (7)

 Russland, bei allem Respekt

Die Welt, 1. Oktober 2001

„Die Frage ist, ob Putins Winken in Richtung Nato – seine Berliner Rede war keine formelle Bewerbung – taktisches Manöver ist, große Wendung nach Westen, Sicherheitsarchitektur der Zukunft – oder Anfang vom Ende des Nordatlantischen Bündisses.“

Michael Stürmer (*1983), deutscher Historiker

Nachschlagzeile: Putin 2000 (6)

WHAT PUTIN SAYS
ISN'T NECESSARILY 
WHAT PUTIN DOES

Wall Street Journal, 19. Dezember 2000 

Mittwoch, 12. November 2025

Nachschlagzeile: Putin 2000 (5)

BRAUCHT RUSSLAND EINEN PINOCHET?

Die Welt, 1. April 2000 

2000: "Im Menschen steckt alles, von Santanischem bis zu Heiligem, aber indem wir 'Geist, Ehre und Gewissen' in Gesalt eines FSB-Vertreters an die Macht bringen, setzen wir keineswegs auf Cherubim mit sechs Flügeln."

Ljudmila  Ulitzkaja (*1943), russische Schriftstellerin, über Wladimir Putin

 

Dienstag, 11. November 2025

Nachschlagzeile: Putin 2000 (4)

Russland muss sich dekolonialisieren

 Die Welt, 18. Februar 2000

2000: „Russland ist jener Staat, der im vergangenen Jahrhundert seine Volksgruppen und Minderheiten am stärksten misshandelt hat. Man denke nur an die vielen Völker und die Millionen von Menschen, die etwas unter Stalin mit brutalsten Mitteln innerhalb der Sowjetunion deportiert oder schlichtweg liquidiert wurden“

Karl Habsburg (*1961), seit 1986 Präsident der Paneuropa-Bewegung Österreich


Montag, 10. November 2025

Zum Tage: Und 30 Jahre später...

 1995: „Die Automobilindustrie hat sich selbst bewiesen, dass sie in der Lage ist, neue Technologien zu ihrem Vorteil zu nutzen. Das Elektro-Auto ist bereits hier, und das solargetriebene Fahrzeug auf seinen Weg gebracht…“

Claire Cooding, britische Jounalistin, am 13. Oktober 1995 in der Financial Times (UK)

Nachschlagzeile: Putin 2000 (3)

 DER NEUE ZAR MACHT'S WUNDERBAR 

Financial Times Deutschland, 10. März 2000 

Sonntag, 9. November 2025

KRIEG ODER VERTEIDIGUNG?

 Liebe Freunde, ich weiß nicht, wie es Euch mit dem Wort Krieg geht, aber ich bin - als Hineingeborener des Kalten Krieges - aufgewachsen mit dem Wort Verteidigung als Gegenreaktion. Wie seht Ihr das? Ist unser "Wording" angemessen? R.V.

Nachschlagzeile: Putin 2000 (2)

 PUTIN ZEIGT SICH ALS DEMOKRAT

Die Welt, 3. Januar 2000 

Freitag, 7. November 2025

Nachschlagzeile: Putin 2000 (1)

PUTIN FORDERT 
60 MILLIARDEN 
SCHULDENERLASS

Die Welt, 15. Juni 2000, auf Seite 1

"Deutschland ist mit 120 Milliarden Mark 
der größte Gläubiger Russlands." 

Zum Tage: Gut & Böse

 „Unsere Eliten ähneln weniger den Pragmatikern der Renaissance als mittelalterlichen Klerikern, die die Welt scheinheilig in Gut und Böse einteilen.“

Robert D. Kaplan (*^1952), amerikanischer Journalist

Donnerstag, 6. November 2025

Nachschlagzeile: 2000

UNION WILL EINWANDERUNG ALS WAHLKAMPFTHEMA

Die Welt, 11. Oktober 2000 

 

Friedrich Merz: "Wir werden jedes Thema, 
das sich eignet, erfolgreich Wahlkampf zu führen, nutzen." 

Zum Tage: Nationalismus

 „Der Nationalismus kann gewaltig sein. Niemals groß."

Stanislaw Jerzy Lec (1909-1966), polnischer Schriftsteller

Mittwoch, 5. November 2025

Zum Tage: Prognose aus meinem Geburtsjahr...

 1952: „Die Technologie hat euch alles gegeben, was ihr euch nur wünschen konntet. Drückt auf den Knopf, und ihr bekommt, was ihr wollt. Statt am Maschinenalter aktiv teilzunehmen, habt ihr euch bedienen lassen. Ihr habt euch sehr verwöhnt. Sobald das Maschinenalter zusammenbricht, ist es mit euch zu Ende. Ihr habt euch niemals zum Herren der Maschine gemacht, sondern euch verzärteln lassen.“

Walter M. Miller (1923–1996), Science-fiction-Autor, in „Dumb Waiter“

Montag, 3. November 2025

Kunst ohne Kunst

Zum Feuilletonpreis der FAZ 

Von Raimund Vollmer

„Brillant geschrieben“, denkst Du voller Bewunderung und leer allen Neides (oder war es umgekehrt?) bei der Lektüre des Siegertextes von Klaus Rössler, der beim Wettbewerb um den Feuilleton-Preis der FAZ mich und all die anderen Autoren souverän geschlagen hat.

Ich glaube: Rössler hat diesen Preis zu Recht verdient, aber verdient hat er nicht das, was das Blatt daraus machte. Denn so wurde sein Text selbst zu einem Beispiel für eine Kunst, die sich annulliert, weil sie das verliert, wonach sie giert: Aufmerksamkeit. Verschämt versteckte die FAZ diese Geschichte um „verlassene Pixel“ auf die vierte (und damit wenig attraktive, weil auch noch linke) Seite ihres Feuilletons – als sogar „leicht“ gekürzten Text. Ein Text, der immerhin 10.000 Euro Preisgeld teuer war. Er erschien auch nicht in einer lesefreudigen Wochenendausgabe, sondern an einem gelangweilten Mittwoch (29. Oktober 2025). Kommentarlos. Achtlos. Banal. Neben Todesanzeigen. Noch nicht einmal ein Foto von der Übergabe des Preises ist hier zu sehen. Da vermutet man fast schon redaktionelle Verachtung, die sich ja bereits darin zeigte, dass man für die Verlierer kein einziges Wort des persönlichen Respekts übrig hatte. Mit alldem mindert sich auch die Wertschätzung für den Sieger. Schade.

Vielleicht steht dahinter nichts anderes als die eigene Hilflosigkeit in einer Zeit, in der die Leitmedien sogar sich selbst leid sind. Zu Recht.

Viel Poesie steckt in dem Text, der um ein Thema trauert, das gar keins ist: um digitale Kunst. Digitale Kunst ist keine Kunst, sondern eine eingebilderte Technik. Aufmerksamkeitstechnik. Pure Selbst-Sucht, aber eine, die kein Ich mehr kennt, keine Autoren, sondern nur noch sich selbst, ihre eigene Technik, die in der Krypto-Welt komplett funktionslos geworden ist.

So kennt der Text auch keine Künstler mehr - und wenn doch, dann nur unter Pseudonymen wie Beeple, der in Wirklichkeit Mike Winkelmann (*1981) heißt und der 2021 für 69 Millionen Dollar seine „The First 5000 Days“ bei Christie‘s versteigern ließ. Oder er nennt Pak – kein Name mehr, sondern schiere Anonymität, wie die des genialen Blockchainers Satoshi Nakamoto, mit dessen Formeln alle Kunst künstlich wird.

Schaut man sich die Hintergründe der Leute an, die in der Szene die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so sind sie selbst vor allem multifungibel. Sie sind keine Künstler mehr, sie sind künstlich. Sie sind Investoren, Fondsmanager, Kryptoexperten, Informatiker, vielleicht noch Regisseure. Technisch brillant. Perfekt. Sie sind die künstlichen Ingredienzien eines Marktes, der nur noch sich selbst kennt, nur noch sich selbst verbraucht und sich selbst produziert im Algorithmus einer Zeit, die kein Ziel mehr hat.  Eigentlich braucht er keine Menschen mehr, noch nicht einmal als Betrachter oder gar als Käufer. Diese Kunst verkauft und kauft sich selbst – ein Verdacht, den ich übrigens bei dem ganzen Hype um KI habe. Sie schürft sich unentwegt ihr eigenes Geld, das es ohne sie gar nicht gäbe und niemals den Wert erlangt, den sie vortäuscht. In der KI ist alles künstlich. Und Geld war das schon immer. 

Alles ist Prozess, nichts als Prozess. Künstler sind nur noch Kunstschaffende, die schaffen und schaffen, aber nichts mehr erschaffen, nichts mehr schöpfen. Sie halten nur noch den Kulturprozess am Laufen. Das alles hat wenig mit Kunst zu tun, sondern viel mit Künstlichkeit – mit einer Künstlichkeit, der man die Künstlichkeit nicht mehr ansieht. Sie ist Kitsch, ohne als Kitsch identifiziert zu werden. Sie ist nur noch Täuschung, die niemals mehr enttäuscht werden darf, sondern uns ihr eigenes Lebensrecht vortäuscht.

Es entsteht Kunst ohne uns. Und deshalb sind wir auch bald ohne Kunst. Nur werden wir es nicht merken.

Fast möchte man meinen, dass es die FAZ selbst schon nicht mehr merkt. Sonst hätte sie aus den rund 200 Einsendungen selbst ein Kunstwerk geschaffen – über die Kunst. So jedoch stellt sie die Kunst in eine Ecke. Und man fragt sich: Kann das weg?

Oder täusche ich mich da?