Mittwoch, 19. Februar 2025

Zum Tage: Tageszeitung

 1990: „…können Sie sich vorstellen, morgens ohne Tageszeitung zu sein?“

Kurt Werner, Präsident der DRUPA-Messe (Druck und Papier) in Düsseldorf[

Dienstag, 18. Februar 2025

Zum Tage: Größenwahn

 2000: „Die Römer haben in ihrem pragmatischen Realismus  neben ihre siegreichen Generäle einen Sklaven gestellt, der dem Triumphator – während ihm die Volksmassen zujubelten – ins Ohr flüsterte, dass er sterblich ist. Demokratische Institutionen haben eine ähnliche Funktion: Sie verhindern, dass Amtsinhaber sich in egomanem Größenwahn verlieren und dass die Bürger in der Hörigkeit versinken.“

Guy Kirsch (*1938), luxemburgischer Sozialwissenschaftler

Montag, 17. Februar 2025

Zum Tage: Die Aufklärung

„Wie die Welt noch im Finstern war, war der Himmel so hell, und seit die Welt so im Klaren, hat sich der Himmel verfinstert. Die Sterne, die sich anno Aberglauben um unser Schicksal so hinabgezappelt haben, sind anno Aufklärung in dieser Qualität erloschen.“

Johann Nestroy (1801-1861), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Opernsänger

 

Samstag, 15. Februar 2025

Zum Tage: Stolperfallen

 Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfhügel

Konfuzius (551-479), chinesischer Philosoph

Freitag, 14. Februar 2025

Zum Tage: Dämoskopie

 

„Es gibt die Demoskopie, weil es die Demoskopie gibt.“

Rolf Schneider (*1932), deutscher Schriftsteller

Mittwoch, 12. Februar 2025

SAP - zu groß für Deutschland?

Kommentar: Da berichtet heute die FAZ, dass die SAP, das wertvollste Unternehmen in Deutschland, zu schwergewichtig für den DAX sei. Interessant, nicht wahr? Wenn man bedenkt, dass SAP nur ein Fünftel dessen wert ist, was amerikanische Spitzenreiter ausmachen, muss man sich doch fragen, ob nicht das ganze Geschäftsmodell unseres Landes verfehlt ist. SAP bedient ja nur die institutionellen Märkte, nicht – wie die Giganten aus USA – Consumer-Märkte. Unsere auf Endverbraucher zielende Firmen, allen voran unsere heiß geliebten Automobilhersteller, sind vielleicht zu schwachgewichtig für etwas, was man DAX nennt und mit Höchstständen versucht, uns zu blenden.

Aber auf solche Gedanken darf man in Deutschland gar nicht erst kommen. Wir ahnen zwar, dass mit unserer Wirtschaft etwas nicht stimmt, wir kennen vielleicht sogar die Ursachen en detail, aber die große Linie wollen wir nicht wahrhaben. Wir sind vielmehr froh, wenn uns als Ausrede die KI einfällt…

Vielleicht bin aber ich derjenige, der schiefgewickelt ist.

Raimund Vollmer

1985: Computer auf Rädern...


 Journalyse-Quelle: Arche Nova/RV

Zum Tage: Gelästert!

 „Jedes Laster geht seinen eigenen Weg,
aber alle gelangen zu demselben Ziel.“

August von Platen (1796-1835), deutscher Lyriker

Montag, 10. Februar 2025

Zum Tage: Ungewissheit

"Wer von den ungewissen Fragen der Zeit nichts erhofft und nichts befürchtet, ist wahrhaftig klug."

Anatole France (1844-1924), französischer Schriftsteller und Nobelpreisträger

Samstag, 8. Februar 2025

Zum Tage: Digitalisierung 1970?


 


Zum Tage: Barock, Perücke, Dreispitz

 1997: „Vergangenheit vermag ich nur aus der Gegenwart zu interpretieren.
Es ist absurd anzunehmen, dass ich barocke Musik erst begreife,
wenn ich mir Perücke und Dreispitz aufsetze“


Michael Gielen (1927-2019), deutsch-österreichischer Komponist und Dirigent

Dienstag, 4. Februar 2025

Zum Tage: Sorgen

 "Oh ja, ich mache mir über alles Sorgen
– und das macht mir auch Sorgen.“

A.L. Kennedy (*1965), britische Schriftstellerin in der Erzählung „Gerecht werden“

Montag, 3. Februar 2025

Zum Tage: Übergang

 2003: "Übergangsphasen sind immer mit Gewalt und Verunsicherung verbunden.“

Emmanuel Tod (*1951), französischer Historiker

Freitag, 31. Januar 2025

Donnerstag, 30. Januar 2025

Zum Tage: 100 Jahre Doug Engelbart

 2001: „Das eigentliche Problem, an dem ich in den letzten fünfzig Jahren gearbeitet habe, ist die Frage, wie sich der menschliche Intellekt durch kollektives Denken verbessern lässt.“

Doug Engelbart (1925-2013), amerikanischer Erfinder der Computermaus, der heute seinen 100. Geburtstag feiern würde. Der Mann hat weitaus mehr die Computerei getan als mancher, der mit seinen Erfindungen Milliardär wurde und Imperien schuf. Die Maus soll ihm persönlich gerade einmal 600.000 Dollar eingebracht haben...


Mittwoch, 29. Januar 2025

Dienstag, 28. Januar 2025

Die Macht und die Herrlichkeit (2)

Ein Versuch, die Welt zu verstehen - Von Raimund Vollmer

„Weltseele, komm, uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen,
wird unserer Kräfte Hochberuf.“

Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), deutscher Dichterfürst in seinem Gedicht „Eins und alles“

Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist notierte am 25. Januar 2025: „Historiker reden über das lange 19. Jahrhundert, das 1914 endete. Man kann darüber streiten, wann genau das 20. Jahrhundert endete. Aber es ist vorbei.“[1] Und den Anlass für diese Aussage lieferte natürlich niemand anders als Donald Trump mit seiner Rückkehr ins Präsidentenamt der Vereinigten Staaten von Amerika.

Da thront er nun im Weißen Haus und dekretiert die Neue Welt, die er um die Grönländer erweitern will und für die er den Panamakanal zurückerobern möchte. Die alte Seemacht USA rüstet wieder auf – gegen die beiden Landmächte Russland und China, die danach gieren, sich die Ukraine und Taiwan einzuverleiben. Was für ihn ein Deal wäre, bedeutet für die beiden anderen Krieg und Sieg.

Ist es wirklich das neue Jahrhundert, das nun endlich das 20. Jahrhundert hinter sich gelassen hat? So lautete ja auch vor einer Woche meine vorlaut vorgebrachte These. Die Frage ist nun:

-   Springen wir zugleich zurück in das ultralange 19. Jahrhundert, das 1789 mit der Französischen Revolution begann und erst 1914 mit dem Beginn des Weltkrieges zu Ende ging,

-   oder entwickelt dieses 21. Jahrhundert seinen eigenen Charakter, wird es – 1989 mit dem Fall der Mauer erwacht – ähnlich lang werden?

Es ist eine Frage, die eigentlich viel zu groß ist für einen Schreiberling – zumal dessen eigene Lebenszeit sich dem Ende zuneigt.

Doch zieht sie mich an – auch auf die Gefahr hin zu dilettieren. Irgendwie möchte ich ein Gefühl für eine Zeit entwickeln, die vielleicht ganz anders ist als die, in der ich gelebt habe, die geprägt war von der Macht und Herrlichkeit großer, expansiver Institutionen und Bürokratien. Und ich kann mir vorstellen, dass die wenigen, aber treuen Leser und Kommentatoren der Journalyse ähnlich denken: Was ist, was wird anders – irgendwann dann auch ohne uns.  

***

Du fühlst dich besonders herausgefordert, weil letzte Woche, am Dienstag, 21. Januar 2025 morgens um 8.00 Uhr, dein Schwiegersohn Roland das tödliche Opfer eines Arbeitsunfalls wurde, der wenige Stunden später sogar die „Tageschau“ beschäftigte. Und du konntest im Laufe der Woche sehen, dass wir – die Familie, vor allem meine, vom Schicksal unmittelbar getroffene Tochter mit ihren zwei Kindern, vier und neun Jahre alt – keineswegs allein sind. Die Reaktion war und ist überwältigend. Vielleicht bekam ich da einen ersten Eindruck von der Dynamik  dieses 21. Jahrhunderts. So wie es ist, ohne das Erbe des 20. Jahrhunderts. Allen Autokraten, allen Donalds, Vladimirs und Xis zum Trotz – diese Welt baut sich von unten ganz neu auf. Das ist die stille Hoffnung, der wiederum Goethe Ausdruck gab in seiner Dichtung „Hermann und Dorothea“, als er über die Französische Revolution, die ja auch von unten kam, schrieb:

„Als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei,
Von der begeisternden Freiheit und von der löblichen Gleichheit!
Damals hoffte jeder sich selbst zu leben; es schien sich
Aufzulösen das Band, das viele Länder umstrickte;
Das der Müßiggang und der Eigennutz in der Hand hielt.“

Johann Wolfgang von Goethe (17491832), deutscher Dichterfürst in seiner Dichtung „Hermann und Dorothea“

 

Nie zuvor habe ich in dieser einen Woche so unmittelbar erfahren dürfen, was Solidarität – zumeist stillschweigende – wirkliche Solidarität bedeutet. Der schönere, auch emotional weiter fassende Ausdruck ist Brüderlichkeit. (Es heißt übrigens DIE Brüderlichkeit).

***

Es geschieht tatsächlich etwas anderes, vielleicht nicht Neues, weil wir immer noch dieselben Menschen sind. Aber wir fangen an, unsere Welt auf neue Art wahrzunehmen, diesen Weltgeist, von dem Goethe sprach und wahrscheinlich an Hegel dachte.

Wir verlassen uns nicht mehr auf die Institutionen und deren Mechanismen. Wir stellen uns selbst dem Weltgeist.

Mit ihm zu ringen wird unser Hochberuf. Und so traue ich mich. 

Fortsetzung folgt



[1] The Economist, January 25, 2025: „Project 1897“

Zum Tage: Zur Ukraine vor 20 Jahren

 2005: „Bislang hat sich die EU in ihren Aussagen über die europäische Perspektive der Ukraine auf mutlose Äquivalenz beschränkt. Die immer noch anhaltende Diskrepanz in den Darlegungen über die europäische Zukunft der Türkei einerseits und der Ukraine andererseits sind des Selbstverständnisses der Union unwürdig, denn die Ukraine teilt europäische Geschichte und Kultur. Die EU darf das Land jetzt nicht sich selbst überlassen, sondern muss bereit sein, es eines Tages, wenn Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft realisiert sein werden, in die Strukturen der EU einzubeziehen. Ebenso sollten wir auch prinzipiell Position beziehen zu Moldau und Weißrussland, die unser europäisches Erbe teilen.“

Wolfgang Schäuble (1942-2023), Politiker, am 28. Januar 2005 in der FAZ

Montag, 27. Januar 2025

Zum Tage: Eindringlinge

1993: "Ich wende mich von der Politik ab, weil ich andere Dinge zu tun habe. Ich möchte einfach meine Zeit für etwas gewinnen, das einen echten Wert hat. Politik ist eine immense, negative, destruktive Kraft, die oft zum Schlechten in das Privatleben eines jeden von uns eindringt. Es ist nicht Intelligenz, die diese Spezies auszeichnet, sondern List."

Julien Green (1900-1998), französischer Schriftsteller mit amerikanischem Pass, in der Tageszeitung Le Monde vom 7. September 1993

Sonntag, 26. Januar 2025

Zum Tage: Denken Sie daran!!!

 "In Gesellschaft großer Gedanken ist man niemals allein."

Philip Sidney (1554-1586), englischer Schriftsteller 

Samstag, 25. Januar 2025

Zum Tage: Lesen Sie das!!!

"Lesen ist die einsamste Tätigkeit der Welt."

Michael Krüger (*1943), deutscher Schriftsteller

Freitag, 24. Januar 2025

Zum Tage: WINTERVORHERSAGE

Vieles von dem, was 1970 in dem oben zitierten Bericht über den Klimawandel empfohlen wurde, diente dem Zweck die Erkaltung der Erde, eine neue Eiszeit, zu verhindern. Nun haben wir den Salat. Statt von einer Eiszeit reden wir heute von der Klimaerwärmung. Was nun? Die Empfehlungen von heute ähneln denen von vor 55 Jahren - nur sollen sie jetzt den Anstieg der Temperaturen mindern, wenn nicht gar zu verhindern. R.V.
 

Zum Tage: Bürgerratlos

“Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt.Wäre es da nicht doch einfacher,die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?” 

Bert Brecht

Donnerstag, 23. Januar 2025

1975: ALTAIRnative - die Story, mit der alles begann...

Im Januar 1975 erschied diese Story über den historisch wohl ersten Mikrocomputer. In unserem "extrablog" können Sie gerne MEHR darüber lesen...

Dienstag, 21. Januar 2025

Zum Tage: Realität

 "Alle Dinge haben Realität nur in unserem Geiste."

Heinrich Heine über Fichtes Philosophie

Montag, 20. Januar 2025

Die Macht und die Herrlichkeit (1)

 Ein Versuch, die Welt zu verstehen - Von Raimund Vollmer

 "Das goldene Zeitalter Amerikas beginnt."

Donald Trump, 20. Februar 2025, 18.05 MEZ


Es ist Montag. 20. Januar 2025, Trump-Time. Ein Angriff aus dem Nichts. Ich gegen sie.

Sie sind die neuen Herrscher. Kaiser, König, Edelmann. Meinen sie. Das Netz ist ihr Eigentum mitsamt all seinen Bewohnern. Bürger, Bauer, Bettelmann. Ein globales Feudalsystem. Errichten sie.

Es herrscht Mittelalter im Cyberspace. Ein Rückstoß um 1000 Jahre.

„Die Kirche hat das Christentum nicht mehr vernichten können“, meinte 1920 der deutsche Theologe Wilhelm Walther (1846-1924) über die Zeit damals, als die Kirche alle Herrschaft an sich reißen wollte, der Papst über aller irdischen Macht stand.

Werden wir das auch eines Tages sagen können?

„Die Digitalkonzerne haben das Menschentum nicht vernichten können.“

Fragezeichen.

Digitalkonzerne! Ein Begriff, in den ich meine ganze Verachtung hineinlege. Denn ich bin Journalist. Voller Moral. Mühsam erworben – über ein halbes Jahrhundert als Beobachter der IT-Szene.

Es begann im September 1975. Bei der Computer-Zeitung in Leinfelden bei Stuttgart. Nur einer herrschte damals, hatte die Macht über alles Geschehen. Wir nannten diesen Riesen Big Blue oder auch Mother Blue. Ausdrücke des Respekts. Unsere ganze Verachtung legten wir in den Begriff „Monopolist“.

Für mich war IBM mein Lieblings-Spielzeug. Wie wunderbar konnte ich mich hier profilieren! Alle Aufmerksamkeit auf mich ziehen! Ich gegen sie! Und so ging es los!

Ausrufezeichen.

Ein halbes Jahrhundert später haben IBM und ich eins gemeinsam: Wir sind absolut bedeutungslos. Abgestürzt. Entmachtet. So zog das Duopol Gates & Grove, Microsoft und Wintel, an mir vorbei. Dann war da plötzlich das Quadropol: Google & Apple, Facebook & Amazon. Fasziniert war ich nicht – und wenn, dann nur ganz kurz. 1, 2, 4 – was kommt als nächstes? Acht oder sechzehn? Da hilft nur noch Kaballa! Ich habe es gewagt. Ich lese im Netz.

Zahlenorakel.

Die Acht steht für Gerechtigkeit, Harmonie und weises Handeln. Sie steht aber auch für Kontrollzwang, Selbstgerechtigkeit, Neid und Intoleranz.

Das war einmal.

Die Sechzehn steht für Schwierigkeiten und Lernprozesse, für Lehren und Beraten. Zu ihr gehört aber auch Seelenstärke. „Menschen mit der Zahl 16 sind oft sarkastisch, treten in jedes Fettnäpfchen, sind chaotisch, aber auch mutig“, erfahre ich und denke an diesem 20. Januar an einen Menschen, dessen Name fast schon Programm ist.

Er kam wieder.

Trump.

Um ihn sammeln sich die Digitalkonzerne, die viele Namen haben, die sie gerne auch einmal wexeln. Die großen und die kleinen Player – mit Börsenkapitalisierungen  jenseits von Gut & Böse. Ja, Trump scheint selbst einer zu sein. Er ist der König in diesem Spiel, in dem es nicht um Schach geht, sondern um Macht. Pure Macht. Keine Regel mehr ohne Verfallsdatum!

Und ich, ich stehe auf der anderen Seite des Brettes. Ich habe meine Dystopien um mich versammelt. Ohne Verfallsdatum. Alles ist möglich. Und damit Ihr es wisst: Ich bin nicht größenwahnsinnig. Denn mir genügt ein Remis.

Schach.

Wir stehen an dem point of no return. Sage ich. Nur noch ein Zug – und wir sind verloren. Wir.

„Heute nimmt in Amerika eine Oligarchie Gestalt an, extremer Reichtum, Macht und Einfluss, die buchstäblich unsere gesamte Demokratie bedrohen.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Joe Biden aus seinem Amt, er ist der Präsident der Vereinigten Staaten, der an seiner Altersgrenze scheiterte. Das kann seinem Nachfolger nicht passieren. Der scheitert noch nicht einmal an sich selbst.

Das tut kein Machthaber. Kein Putin. Kein Xi. Nur Politiker scheitern. Scholz. Lindner. Habeck. So ist das in Demokratien.

Demokratien – so wichtig sind sie nun auch wieder nicht. Schutz ist wichtig. Deshalb sind wir im Zweifel nur „formale Demokraten“.  So nannten 1961 in ihrer Studie „Student und Politik“ die Autoren um Jürgen Habermas die größte Gruppe innerhalb der 170 intensiv Interviewten. Es waren 39 Prozent dieser Umfrage, die zwar nicht repräsentativ war, aber doch ein eher unpolitisches Verhalten signalisierte, ein Grundverhalten, das wir uns irgendwie bis heute erhalten haben. Wir wollen unsere Ruhe.

Klar, wir erwarten, wir verlangen Schutz von den neuen Herren, den Digitaloligarchen und ihrem Präsidenten. Und sie, die fremden Herrscher, sind gnädig. Sie gewähren uns diesen Schutz, indem sie uns großherzig unserem Verfall überlassen. Natürlich sind wir empört. Denn das können wir gut. Wir moralisieren uns zu Tode. Nur: die Macht und die Herrlichkeit ist nicht mit uns. Und jetzt?

Schachmatt.

Keiner glaubt mehr an uns. Sogar wir selbst glauben nicht mehr an uns. Glaube ist sowieso außer Mode. Schon lange. In seiner „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“ schrieb 1796 Jean Paul (1763-1825): „…das ganze geistige Universum wird durch die Hand des Atheismus zersprengt und zerschlagen in zahllose quecksilberne Punkte von Ichs, welche blinken, rinnen, irren, zusammen- und auseinanderfliehen, ohne Einheit und Bestand.“[1]

Es war die Geburtsstunde des Nihilismus – und deren größte Macht sind 200 Jahre nach dem Tode dieses großen deutschen Dichters die Digitalkonzerne. Für diese gottlosen Herrscher ist „das All (...) die kalte eiserne Maske der gestaltlosen Ewigkeit“. Es ist eine Welt ohne uns. Mit dem 20. Januar 2025 werden wir endgültig zu irgendwelchen Nummern, die durch irgendwelche Algorithmen rinnen, Punkte von Ichs.

Was soll’s? Der Mensch ist nur noch eine Abstraktion im Kalkül der Herrschaften, die sich für uns an sich überhaupt nicht interessieren.  Ja, die Herrschaften garantieren uns höchste Freiheit in ihren Netzen. Es gibt keine Zensur mehr. Aber die war ihnen ohnehin lästig. Denn unsere Meinung zählt nicht. Und was nicht zählt, muss auch nicht kontrolliert werden.

Was soll’s? Seit heute  wissen sei, dass sie allein im Namen der „höchsten Sittlichkeit“ (Hegel) agieren. Dafür steht nicht der Himmel, sondern der Staat, diese andere gestaltlose Ewigkeitsklausel, dieser Staat, der kein Problem damit hat, einen verurteilten Straftäter zum Präsidenten des mächtigsten Landes der Erde inaugurieren zu lassen. Die Digitalkonzerne und der Staat werden eins! Sie verstehen sich gut.

Heute, am 20. Januar 2025 wird uns endlich das 21. Jahrhundert in seiner ganzen Reinheit und Einheit bereitgestellt.

Alles, was vorher war, ist jetzt einer neuen Weltordnung unterworfen. 50 Jahre lang lebten wir in der Transformation von dem einen Jahrhundert ins andere. Hin und her ging es. Zwischen Fortschritt und Rückschritt.

Und?

Nun sind wir angekommen – und wundern uns zuerst einmal, dass es anscheinend doch wieder nur um die alten Themen geht – um Territorien. Um Kulturen. Um Konfessionen. Das wirkt alles andere als fortschrittlich, aber in einem bislang ungeahnten Maße ist es das, was man in der linken Szene so gerne imperialistisch nennt – mit erschreckenden Folgen:

„Denn sobald wir von Ländern, Völkern, Geschichten und Kulturen sprechen, beginnen wir automatisch zu verallgemeinern. Und verlieren dabei aus den Augen, worum es eigentlich geht: den Menschen“, meinte 1995 Joseph Brodsky (1940-1996), russisch-amerikanischer  Dichter und Literaturnobelpreisträger.[2] Der Mensch interessiert nicht. Grönland interessiert. Kanada interessiert. Antarktis interessiert. Ukraine interessiert. Naher Osten interessiert. Taiwan interessiert. Hier geht es um  Landnahme. Um Rohstoffe. Um Stützpunkte. Um all das, was wir als überwunden glaubten.

Interessant.

Und doch ist etwas fundamental anders. Die eigentliche Landnahme findet ganz woanders statt. Im Cyberspace. Der Kampf um die Menschheit. Am besten ohne Menschen. Ahnen tun wir es schon lange. Der Psychoanalytiker Erich Fromm sprach ganz in der Tradition eines Karl Marx von dem entfremdeten Menschen, „einem gut genährten, gut gekleideten und gut unterhaltenen Automatenmenschen, der von Bürokraten gelenkt wird, die ebenso wenig ein Ziel haben wie der Massenmensch.. Die Dinge werden den ersten Platz einnehmen, und der Mensch wird tot sein; er wird von Freiheit und Individualität reden, und er wird nichts sein“.[3]

Man muss nur den Begriff „Dinge“ durch „Daten“ ersetzen.

Vor 50 Jahren war die Frage nach dem Datenschutz, nach der Herrschaft der Computer der Hintergrund für meine Neugier, die mich nach dem Ende meines Volontariats in die IT-Branche führte. Als Redakteur.

Irgendwann habe ich dann als Beobachter gemerkt, dass diese Branche voller genialer, verrückter Typen ist, die einfach Freude hatten an dem, was sie schufen, austüftelten, ausdachten. Sie merkten nicht, dass sie mit alldem nur ihre größten Gegner fütterten: die Bürokraten.

Nun kehren diese Typen zurück. Verrückter denn je. Reicher denn je. Intelligenter denn je. Und sie spielen ein Spiel, das sich gegen das gesamte Establishment richtet. In dieses Spiel, das haben sie 2017 noch nicht gesehen, passt niemand so gut wie dieser Donald Trump. Er wird alle aufscheuchen und mit längst vergessen geglaubten Themen beschäftigen. Autokraten wie Wladimir Putin oder Xi Peng helfen ihm dabei sogar noch. Doch das ist alles nur das vordergründige Spektakel,  bei dem uns der Kampf um eine Weltordnung vorgegaukelt wird, die ihre Relevanz längst verloren hat.

In Wirklichkeit geht es nicht um irdische Territorien, sondern um Sphären, die uns unwirklich vorkommen – um den Cyberspace.

Auch dieses völlig absurde Essay kommt daher. Und Sie können dagegen nur eins tun: es nicht lesen. Ich gegen Sie.

Fortsetzung folgt (oder auch nicht)

[1] Jean Paul, 1796, Siebenkäs, Klassiker der deutschen Weltliteratur, 2006, Seite 385

[2] Die Zeit, 30. März 1995, Adam Michnik: “Dostojewskij kannte nicht die ganze Wahrheit” (Interview)

[3] Erich Fromm, Band 5, Seite 283