„Menschliche Wesen nehmen die Dinge nicht in ihrer Ganzheit wahr; wir sind keine Götter, sondern verwundete Kreaturen, zersprungene Linsen, nur zu gebrochener Wahrnehmung fähig".
Salman Rushdie, Dichter, aus: „Heimatländer der Phantasie"
„Menschliche Wesen nehmen die Dinge nicht in ihrer Ganzheit wahr; wir sind keine Götter, sondern verwundete Kreaturen, zersprungene Linsen, nur zu gebrochener Wahrnehmung fähig".
Ich bastele gerade an einer Miniserie, von der ich hoffe, dass ich sie in den Tagen zwiwschen den Jahren hier veröffentlichen kann. Wünsche Euch, meine Freunde, ein Frohes Weihnachtsfest. Mit viel Verständnis und Nachsicht. Dann wird es auch ein geruhsames Fest. Euer Raimund
„Über das isolierte Studium hinauszugehen, wäre aber heute umso dringlicher, als bei fortschreitender kommunikativer Erfassung der Bevölkerungen die Präformation ihres Bewusstseins so zunimmt, dass es kaum mehr eine Lücke lässt, die es erlaubt, ohne weiteres jener Präformation innezuwerden.“
Theodor W. Adorno (1903-1969), deutscher Philosoph und Soziologe
1960 »Es besteht der falsche Eindruck, dass kleine Probleme auf kleine Maschine gehören und große Probleme auf große Rechner. Tatsächlich gehören alle Probleme auf die größte verfügbare Maschine ‑ wenn die Kosten den ersten Rang innehaben.«
Frank Cole,
DV‑Chef bei Douglas Aircraft, Missiles & Space Systems Engineers« in Datamation
1961: „Ohne ‚Krise‘ gibt es nur Stillstand. Ohne ‚Krise‘ gibt es nur Versteinerung und Tod. Alles Denken und alle Kunst ist aggressiv.“
Eugène Ionesco (1909-1994), französischer Dramatiker und Mitbegründer des Absurden Theaters
„Moral ist ohne Zweifel die höchste Angelegenheit des Lebens, sie ist vielleicht der Wille zum Leben selbst.“
Thomas Mann /1875-1955), deutscher Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger
„Es ist nicht die Aufgabe des Dichters, das was wirklich geschehen ist, zu erzählen, sondern das, was hätte geschehen können, das heißt, was nach Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit möglich ist.“
Aristoteles (384-322 v. Chr.), griechischer Philosoph und Universalgelehrter
Sowie die Demokratie wirklich zur Herrschaft gelangt, hat alle Poesie ein Ende – der Übergang zu diesem Ende ist die Tendenzpoesie, deshalb, nicht bloß weil sie ihrer Tendenz dient, wird die Tendenzpoesie von der Demokratie begünstigt – sie wissen, hinter oder vielmehr mit Hoffmann von Fallersleben, hat die Poesie ein Ende
Heinrich Heine (1797-1856), deutscher Dichter, in seinen Aufzeichnungen über August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, dessen Lyrik er als „Sudeleyen“ bezeichnete. Hoffmann von Fallersleben, der Verfasser unserer Nationalhymne, war antijudaistisch gestimmt und sehr national.
Hamborger
Heinrich Heine (1797-1856), deutscher Dichter in seinen "Aufzeichnungen"
„Wir neigen uns in Ehrfurcht vor jedem Symbol unseres Volkes – ich sage ausdrücklich vor jedem –, unter dem deutsche Menschen ihr Leben für ihr Vaterland geopfert haben.“
Hans-Christoph Seebohm (1903-1967), deutscher Verkehrsminister zwischen 1949 und 1966
„Wem es hier nicht passt, der kann `rausgehen aus Deutschland.“
Franz-Josef Strauß (1915-1988), deutscher Politiker
„Das Innere des deutschen Menschen ist ein undeutlicher, qualliger Wirrwarr.“
Karl Barth (1886-1968), Schweizer Theologe
Woran erkenne ich den besten Staat? Woran du duie beste Frau kennst! Daran, mein Freund, dass man von beiden nicht spricht.
Friedrich von Schiller (1759-1805), deutscher Dichter
Ich bin bereit, überall hin zu gehen, wenn es nur vorwärts ist.
David Livingstone (1813-1873), englischer Entdecker
Der britische Economist berichtete kürzlich von einem Labormitarbeiter, der von seinem Chef beauftragt worden war, alle im Labor gehorteten Chemikalien mit einem Ablaufdatum zu versehen. Eine Flasche mit Sand überging er natürlich. Daraufhin wurde er zurechtgewiesen und aufgefordert, auch hier seines Amtes zu walten und die Compliance-Vorschriften zu erfüllen. Er schrieb auf das Etikett: In 65 Millionen Jahren...
Nicht nur Medaillen, auch die Verdienste haben eine Kehrseite.“
Milovan Vitezović (1944-2022), serbischer Schriftsteller
"Es gibt zwei Wege für den politischen Aufstieg: Entweder man passt sich an, oder man legt sich quer."
Konrad Adenauer (1876-1967), erster deutscher Bundeskanzler
„Zur Nation euch zu bilden, ihr hoffet es, Deutsche, vergebens.
Bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus.“
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), deutscher Dichterfürst
Das haben sogar schon die Germanen gewusst.
Wer keinen Namen hatte, hatte auch keine Seele.
Manfred Gotta (*1947), Werbefachmann
1989: "Industriepolitik ist eine Politik für 500 Unternehmen - Wirtschaftspolitik eine für zwei Millionen Unternehmen."
Volker J. Geers (*1946), Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e.V. (ASU)
Wer sich nicht zu viel dünkt, ist viel mehr, als er glaubt.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), deutscher Dichterfürst
1990: „Die Wahrheit gilt nichts mehr: Wir wollen Sensationen; und wir wollen vor allem die Menschen schrecken, terrorisieren, womöglich dauernd in Schrecken halten.“
Sir Karl Raimund Popper (1902-1994), österreichisch-britischer Philosoph„Der Frosch trinkt den Teich nicht aus, in dem er lebt.“
Indianisches Sprichwort
„Wenn wir es recht bedenken, so stecken wir doch alle nackt in unseren Kleidern.“
Heinrich Heine (1797-1656), deutscher Dichter und Journalist
1998: „…es ist gerade der Vorzug der Religion des Neuen und des Alten Testaments, dass die Spannung zwischen Frömmigkeit und Handeln, zwischen Glauben und Moral hier von Anfang an besteht, dieser Religion geradezu einprogrammiert ist. Von den Tagen der Propheten Israels bis zu modernen sozialen christlichen Bewegungen geht es um diesen Grundkonflikt – Gott sei Dank. Nirgends jedoch wird in der Bibel diese Spannung einseitig aufgelöst. Immer ging es darum, ob und dass im Rahmen der Orientierung an diesem Gott der Mensch auch seinen Weg im Handeln finden könne.“
Klaus Berger (1940-2020), deutscher Theologe, zuerst katholischer, dann evangelischer Konfession
versucht zu gehen, blindlings, nicht im
Plan
der Wandelsterne, Sonnen und Systeme.
Rainer Maria Rilke (1875-1926), österreichischer
Lyriker
"Dass wir einen Gott ahnen, ist nur ein unzulänglicher Beweis für sein Dasein. Ein stärkerer ist, dass wir fähig sind, an ihm zu zweifeln.“
Arthur Schnitzler (1862-1931), österreichischer
Schriftsteller
Wer auf sein Elend tritt, steht höher.
Friedrich Hölderlin (1770-1843), deutscher Dichter
"Ein Selbstmordattentäter kostet die Hamas 20 Euro"
Überschrift in der Tagszeitung Die Welt am 26. März 2004
2017: Die Politik ist ein Feld, das unablässig von den polaren Spannungen der Politisierung und der Entpolitisierung, der Familie und der Stadt durchzogen wird.“
Georgio Agamben (*1942),
italienischer Philosoph, über Familie und die griechische Polis, respektive den Staat
2004: „Europas Geschichte war immer die Auseinandersetzung mit Grenzen und deren Überwindung.“
Claudio Magris (*1938), italienischer Germanist
"Wir haben andere Länder reich gemacht, während der Wohlstand, die Stärke und das Selbstvertrauen unseres Landes hinter dem Horizont verschwunden sind."
Donald Trump bei seiner Antrittsrede als Präsident der Vereinigten Staaten 2017
1990: „Die Öffentlichkeit hat die Ansprüche der Computerwelt zu beurteilen und in Kategorien wie Glaubwürdigkeit und Quatsch zu sortieren. Sie ist auf diese Aufgabe ebenso wenig vorbereitet wie die gläubigen Menschen im Mittelalter, die die Aussagen ihrer Theologen bewerten sollten.“
Joseph Weizenbaum (1923-2008), Professor für Computerwissenschaften am Massachusetts Institute of Technology1986: „Die Kirche beklagt alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die ich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben, ich wiederhole, von jedem.“
Papst Johannes-Paul bei seinem historischen Besuch im April 1986 in der römischen Synagoge
"Es richten Freundschafft auff Soldaten durch Gefahr
Durch Bücher und durch Schrift der klugen Geister Schaar
Und durch Gewinn pflegt sie der Kauffmann zu erkauffen
Nur unser Deutscher muss dieselbe sich ersauffen."
August Adolph Haugwitz (1645-1706), dichtender Landedelmann aus der Oberlausitz
„Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass er sie verdient hat.“
Cornelius Tacitus (55-120), römischer Geschichtsschreiber
„Das Bedürfnis gilt als Ursache der Entstehung, in Wahrheit ist es oft nur eine Wirkung des Entstandenen.“
Friedrich Nietzsche (1846-1900), deutscher Philosoph
Wer die Umgangsformen beachtet, aber die Lüge verwirft, gleicht einem, der sich zwar modisch kleidet, aber kein Hemd auf dem Leibe trägt.“
Walter Benjamin (1892-1940), deutscher Philosoph
1948: Der Krieg erscheint immer mehr als ein Prozess, der aus gegebene Spannungen hervorgeht und, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr aufgehalten werden kann.“
Romano Guardini (1885-1968), italienischer katholischer Theologe
Diplomatie und Öffentlichkeit gehen eine Verbindung ein wie Feuer und Wasser. Die Diplomatie zisch und wird zu Wasser.“
Ludwig Marcuse (1894-1971), deutsch-amerikanischer Philosoph
„In Deutschland werden europaweit die meisten Nickerchen gehalten.“
Ingo Fietze und Thea Herold in ihrem Buch „Der Schlafquotient, Hamburg 2006
„Waren nicht Platons Gastmahl, das letzte Abendmahl oder König Artus' Tafelrunde auf eine Art von Stammtische?“
Klaus-Peter Hufer (*1949), deutscher Bildungswissenschaftler
„Durch den Begriff des Endes wird jeder Zeitgewinn von absoluter Kostbarkeit und Unersetzlichkeit.“
Hans Blumenberg (1920-1996), deutscher Philosoph
„Durch häufiges Händeschütteln mit der Prominenz werden auch die schmutzigsten Hände sauber.“
John Osborne (1929-1994), britischer Autor
"Manager hemmen Innovation"
Überschrift in der Stuttgarter Zeitung am 22. April 1997 zu einer Studie des Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW)
1972: „In der Dienstklassengesellschaft liegt der repräsentative Staat im Winterschlaf, und eine sehr langweilige Art von bürokratischem Konservatismus beherrscht die Bühne. Was immer begonnen wird, läuft und läuft.“
Lord Ralf Dahrendorf (1929-2009), deutsch-britischer Soziologe und PolitikerÜber die Menschen in der DDR im August 1990
„Man hat das Bewusstsein, dass man Erfahrungen, Zumutungen, Zwängen in einer solchen Intensität ausgesetzt war, dass die eigene Gesellschaft dadurch zu einer existentiellen Erlebniseinheit wurde. Das bedeutet, dass man nicht verstehen kann, wer ihr nicht angehört hat. (…) Die Doppelrolle des Staates als Unterdrücker und Versorger wurde sogar doppelt positiv verinnerlicht.“
Christian Meier (*1929), deutscher Althistoriker
„Ein wichtiger Punkt in jeder Theorie des nichttyrannischen (also ‚demokratischen‘) Staates ist das Problem der Bürokratie. Denn unsere Bürokratien sind ‚undemokratisch‘ (in meinem Sinn des Wortes). Sie enthalten unzählige Westentaschendiktatoren, die praktisch nie für ihre Taten und Unterlassungen zur Verantwortung gezogen werden. Max Weber hat dieses Problem für unlösbar gehalten, und er wurde darüber zum Pessimisten.“
Sir Karl Raimund Popper (1902-1994), österreichisch-britischer Philosoph
„Sprache ist ein System, das nur seine eigene Ordnung kennt.“
Ferdinad de Saussure (1857-1913), Schweizer Sprachwissenschaftler
Sie ist aber auch ein Machtinstrument, das über sich selbst hinauswirkt... (R.V.)
"Sagen wir, wie es ist: Trumps politische Kommunikation besteht aus ständigen Provokationen, er lügt und betrügt, verschiebt die Grenzen des Sagbaren und erniedrigt seine politischen Gegner. Damit ist er offensichtlich so erfolgreich, dass er immer noch mehr Leute mobilisiert. Das ist eigentliche Nachricht dieses Tages – und zwar, dass diese Art von Politik, die auf Emotionalisierung, Hass und die Ängste der Menschen setzt, bis ins Weiße Haus führen kann. Damit hat Trump durchschlagenden Erfolg."
Volker Depkat (*1965 in El Paso, Texas), lehrt American Studies an der Universität Regensburg.
1987: „Kunst – Künstlichkeit – ist das Schönste, was ein Mensch vermag. Man kann nämlich mit ihr die eigene Natur überwinden.“
August Everding (1928-199), deutscher Regisseur und Intendant„Fürwahr, ich zittere um mein Land, wenn ich bedenke, dass Gott gerecht ist.“
Thomas Jefferson (1743-1825), 3. amerikanischer Präsident, Hauptverfasser der Unabhängigkeitserklärung und Mitgründer der Demokratischen Partei
Die Anti-Politik
Mein Vater, der vor vierzig Jahren starb, war CDU-Mitglied. Und so war er natürlich nicht sonderlich glücklich, als es 1969 zur ersten sozial-liberalen Koalition kam. Ich, der ich damals noch gar nicht wählen durfte, war es umso mehr. Ich freute mich. Endlich Ende der großen Koalition, einer Koalition, die damals wirklich noch groß war
Aber dann sagte er etwas, was fortan mein Denken über Politik nachhaltig prägte. Das sei ja nicht so schlimm, denn im Bundesrat haben CDU/CSU die Mehrheit und nach zwanzig Jahren der Kanzlerschaft von CDU und CSU seien alle entscheidenden Jobs in der Verwaltung mit Mitgliedern des konservativen Teils besetzt. Zudem würden CDU/CSU im Bundestag die größte Fraktion bilden. So begann damals die heißeste Phase in der noch jungen Geschichte der Bundesrepublik. Sitzungen des Bundestages, zumal dann, wenn Franz-Josef Strauß (CSU) sich mit einer Rede ankündigte und die Debatte im Fernsehen live übertragen wurde, waren regelrechte Straßenfeger. Tagsüber. Dann, wenn die Bundesrepublikaner und Bundesrepublikanerinnen zu arbeiten hatten. Politik war wichtiger als alles andere – und man hatte das Gefühl, keiner hatte zu viel Macht.
Damals lernte ich, dass es gut ist für eine Demokratie, wenn die sie tragenden Institutionen nicht in einer Hand versammelt sind, sondern auf durchaus verzwickte und komplexe Weise auf viele verteilt ist. Die Gefahr einer „totalen Verwaltung“ (Max Horkheimer), sich in eine “totalitäre Verwaltung“ zu verwandeln, bestand kaum. Und die Gewaltentrennung tat ihr Übriges. Das Parlament war die höchste und vornehmste Institution.
Das Charisma der frühen Jahre ist längst verschwunden. Die Leidenschaft, die uns damals über alle Parteigrenzen, alle Differenzen hinweg in gegenseitiger Toleranz miteinander verband, weicht mehr und mehr einem Gefühl des dumpfen, irrationalen Hasses aufeinander.
In einem mich sehr nachdenklich machenden Essay des Londoner „Economist“ wird diese Tendenz als „negative Parteinahme“ und „Antipolitik“ bezeichnet. Und mit dem heutigen Wahltag in den USA werden wir davon nun ein Paradestück erleben und möglicherweise den Höhepunkt dieser Antipolitik – einer Entwicklung, die mit den neunziger Jahren begann, mit dem Fall der Mauer und dem Fehlen eines äußeren Feindes, der nach altbekannter Weise, den inneren Zusammenhalt stets fördert.
Mit dem Ende des Kalten Krieges verlegte sich stattdessen der Konflikt ins Innere. Von diesen Konflikten haben wir so viele inzwischen, dass der Anteil dessen, was wir gut finden, sich auf ein Minimum reduziert.
Die Wahlen in 50 Ländern zwischen 1961 und 2021 hat der Economist gemeinsam mit Wahlforschern in einer 274 Wahlen umfassenden Studie untersucht – und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass auf einer Skala von 0 bis 10 bis etwa 1980 die Zustimmung für die eigene Partei gestiegen ist – auf fast acht Punkte. Mit den neunziger Jahren sank sie auf knapp über sieben Punkte. Das wirkt letztlich immer noch stabil. Doch rapide sank die Sympathie für gegnerische Parteien von ehedem mehr als vier Punkten auf fast zwei, sie halbierte sich praktisch. Der Argwohn: es ist fast schon zum Geschäftsmodell der Politik geworden, die latent sicherlich in gewisser Weise stets vorhandene emotionale Ablehnung des anderen zu schüren. Weltmeister darin ist natürlich der Mann, der gerne wieder Präsident der Vereinigten Staaten werden will. Aber wir spüren dies in unserem Land nicht nur in dem sich gegenseitig zersetzenden Verhalten in der Koalition, sondern in den hiesigen Beurteilungen der kriegerischen Auseinandersetzung in Israel und in der Ukraine. Da ist oftmals so viel Scheinheiligkeit dabei, dass man schon gar nicht mehr anders kann, als zu dem Eindruck zu kommen, dass es in Wahrheit nur noch um das Polarisieren geht.
Wer sich einmal in eine mehr oder minder fragwürdige Position verrannt hat, ist bereit, auch Lügen zu akzeptieren, wenn sie denn der eigenen Meinung dienen und die „negative Parteinahme“ stärken. Ja, man sei sogar bereit, seinen eigenen Interessen zu schaden, wenn am Ende der Gegner weitaus stärker belastet wird.
Es ist ein ungutes Klima, das auch Deutschland längst erfasst hat. Und ein großer Teil der Politik und der Publizistik wirkt daran mit, weil es die Aufmerksamkeit fördert. Dies ist mehr und mehr unverantwortlich. Und um Verantwortung geht es denen, die da schüren, in der Tat schon gar nicht.
Letzten Endes ist dies aber eine Bankrotterklärung der Politik, die nicht mehr in der Lage ist, eine positive Parteinahme in den Vordergrund zu stellen. Zugegebenermaßen: sie hat auch auf den traditionellen Feldern einer Erfolgsstrategie keine Unterstützung mehr. Wir sehen das Missmanagement in der Wirtschaft, wir sehen den fehlenden Mut auf der Unternehmerseite, wir spüren die Überwältigung aller Lebensverhältnisse durch administrative Verfahren, wir ersticken in Anpassungsprozessen, die eigentlich nur sich selbst zum Ziel haben: die Anpassung. Wir transformieren uns in absolute Sinnlosigkeit.
Es wäre an der Zeit, wieder zurück zu einer positiven Einstellung zu Politik und Gesellschaft zu kommen. Sie wird aber bestimmt nicht über die traditionellen Felder (z.B. Wohlstandspolitik) kommen. Denn wenn die jetzige Periode irgendeinen Sinn hat, dann den, dass es nicht Wohlstand und Technik sind, die Menschen einen und den Hass besiegen. Die Menschen wollen als Menschen wahrgenommen werden – und nicht als Smartphone.
So habe ich vor 65 Jahren Politik erlebt - zwischenmenschlich und nicht medial gepusht. Uns haben vorrangig die Themen bewegt. Und es war auch im Widerstreit der Institutionen ein tolles, intellektuelles Schauspiel, das uns geboten wurde. Heute zanken sie nur noch ums Geld, das in erster Linie dazu dient, sich selbst zu erhalten – und nicht die Aufgaben zu erfüllen, für die man sie dereinst geschaffen hat. Vielleicht ist diese Art der Entfremdung das Grundübel. Wir haben uns alle voneinander entfernt.
Ich weiß, dass ich damals mit meinem Vater gerne über Politik diskutiert habe. Leidenschaftlich von meiner Seite, überlegen von der Seite meines Vaters. Bitterbös wurde es nie, weil er mich verstand und ich ihn mit der Zeit auch.
Raimund Vollmer