Freitag, 10. Januar 2020

Das schlechte Image der Multis und ihrer Manager


1966: »Da der einzelne in unserer Zivilisation größeres Ansehen genießt als die Organisation, schreibt man ihm regelmäßig die Leistungen zu, die eigentlich von der Organisation erbracht werden.«
John Kenneth Galbraith (1908-2006), nordamerikanischer Ökonom und Präsidentenberater,
in seinem Buch „Die moderne Industriegesellschaft“

Wer regiert die Welt?
von Raimund Vollmer (2017)
Vor einem Vierteljahrhundert stand ein Buch monatelang ganz oben auf der Bestsellerliste: „Nieten in Nadelstreifen - Deutschlands Manager im Zwielicht“. Es war eine grandios inszenierte Polemik, ein Who-Is-Who des Versagens, eine Analyse, die nur deshalb auf ein breites Publikum stieß, weil der reichlich umstrittene Autor Günter Ogger mit dem Titel genau das ausdrückte, was die Menschen in den Betrieben über ihre Führungskräfte dachten.

Als die Meinungsforschung forsa im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes anderthalb Jahrzehnte später nachhakte, schien sich das Ansehen der Manager um keinen Deut verbessert zu haben.  Ja, es kam sogar immer heftiger. Die Manager seien inzwischen eine Belastung für den „Ruf der Wirtschaft“, klagten Personalberater 2012 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Drei Jahre später war das Ansehen der Manager noch weiter abgerutscht. Gegenüber 2007, der ersten Bürgerbefragung, hatten die Manager elf Prozentpunkte verloren. Sie befanden sich auf den untersten Rängen der Skala. Schlechter war nur noch das Image der Versicherungsvertreter, Werbeleute, Telefonmitarbeiter, Gewerkschaftsfunktionäre und Politiker. Diese Gruppen bildeten von Anfang an den Bodensatz in der Schmähliste. Allerdings gab es jetzt eine Species, die gegenüber 2007 einiges an Boden gewonnen hatte: die Politiker.

Ja, ausgerechnet die Politiker, über die zu schimpfen doch eigentlich ein Volkssport geworden war. Viel Sympathie genießen sie indes nach wie vor nicht. Manchmal machen sie es uns - wie bei den Präsidentschaftswahlen 2016 in den USA - aber auch sehr, sehr einfach, sie nicht zu mögen. Jüngste Skandale wie die bei der Deutschen Bank, Siemens oder Volkswagen, die jahrzehntelang unsere Vorzeigeunternehmen waren, heben nicht unbedingt das Image der Top-Manager, die vor allem in der Kritik stehen.

Ganz besonders werden jene Unternehmen beobachtet, die alljährlich mit großem Aufwand zu den sogenannten Fortune 500 gelistet werden. Dahinter verbergen sich die 500 größten Unternehmen der Welt. 1995 setzten diese Giganten insgesamt 11,3 Billionen Dollar um, zwanzig Jahre später hatten sie ihre Umsätze mehr als verdoppelt: auf 27,6 Billionen Dollar. Es wäre wahrscheinlich einer Verdreifachung nahegekommen, wenn nicht 2015 der starke Dollar den Großen der Welt das Geschäft verdorben hätte. Begnügten sich die Fortune 500 noch 1995 mit 332 Millarden Dollar Profit, so erwirtschafteten sie 2015 1,48 Billionen Dollar Gewinn - eine Vervierfachung. 35 Millionen Menschen waren 1995 in den aufgelisteten Betrieben beschäftigt, 2015 waren es 67 Millionen Beschäftigte. Sie sind die Mächtigsten der Mächtigen. Sie produzieren Wohlstand in der ganzen Welt. Sie stehen für Wachstum und Wandel. An ihrer Spitze stehen die Besten der Besten. Und dennoch. Ihr Image wankt. 

Inzwischen kommt man nicht umhin, dieser Elite selbst die Schuld zu geben an dem schlechten Ruf, den sie nun seit mehr als zwei Jahrzehnten aushalten muss. Nach dem Crash der New Economy zu Beginn des Jahrhunderts war es dann 2008/2009 die Subprime-Krise, die unseren Glauben an die Machbarkeit der Märkte und der Seriosität der Macher erschütterte. Insiderhandel, Superboni, Tricksereien und Betrügereien sorgten dafür, dass wir mitunter nur noch voller Verachtung über diese Menschen sprachen. Mit dem Imageverlust verschwand auch weltweit der Glaube an die Marktwirtschaft. Zwischen 2002 und 2012 stürzte selbst in den USA die Zustimmung von 80 auf 60 Prozent ab. So eine Umfrage der Denkfabrik  GlobeScan. „Das Vertrauen in den Kapitalismus ist gesunken“, meinte 2012 die Londoner Financial Times. Das Blatt, das nun wirklich nicht im Verdacht steht, die linke Seite argumentativ bedienen zu wollen, sah, dass die Mittelklasse litt und „die Kluft zwischen dem ein Prozent“, also den Reichen, und den restlichen 99 Prozent „ein Fragezeichen hinter die Legitimität der marktwirtschaftlichen Systems“ setze.[1] Die Politiker, vor allem der Linken, hätten gehofft, von diesem Vertrauensverlust zu profitieren. Das würde sich mehr und mehr als falsch erweisen. Geholfen hat‘s dem rechten Rand.

Gegen den Verlust der Glaubwürdigkeit ist auch kein PR-Kraut gewachsen, wie nun die professionellen Strippenzieher und Spin-Doktoren sehr bald merken mussten. Schlimmer noch: die Menschen spürten, dass die Aura vieler Manager der Oberklasse zu sehr „gemacht“ und zu wenig erworben war. Vor allem das sogenannte „Storytelling“ fiel in sich zusammen, als zum Beispiel ein Automobilfürst, der sich sogar für die winzigsten Ingenieurdetails eines neuen Modells interessierte, der Welt versuchte zu erklären, dass er von dem Einsatz irgendwelcher Schummelsoftware nichts gewusst hätte. Vielleicht haben die Spitzenleute die Ausgestaltung ihres Ansehens zu sehr den PR-Agenten überlassen, um noch glaubwürdig und authentisch zu erscheinen. Vielleicht basiert dieses Storytelling auf einem völlig ausgelutschten Thema: auf Unternehmensaufkäufen im  mehr oder minder großem Stil. 9000 Milliarden Dollar hatten die Firmen allein in den 1990er Jahren für Mergers & Acquistions ausgegeben. Aber nicht immer bringen die Käufe das, was sie den Aktionären versprochen hatten.



[1] Financial Times, January 29, 2012: Philip Stephens: "Leader who generate diminishing returns"

1 Kommentar:

Besserwisser hat gesagt…

Welche Frage: Geld regiert die Welt!!!!!