Donnerstag, 12. Mai 2016

CLICK ZURÜCK NACH VORN: 1997 - Die Diktatur der Fakten - Die Schwächen des Controllings



Von Raimund Vollmer (1997)

Niemand wird bestreiten, dass durch SAP & Co. aus der Sicht des Controllings die Globalisie­rung der Unternehmen einfacher geworden ist. Niemand wird anzwei­feln, dass die Firmen dadurch an Wettbewerbsstärke gewonnen haben. Sie haben deutlich abgespeckt, was sich nicht zuletzt im Anstieg der Börsenkurse widerspiegelt. Was die Börse nicht zeigt, ist, dass die Unternehmen dafür noch einen Preis zu zahlen haben: das Urvertrauen zwischen den Mitar­beitern und dem Unternehmen ist in vielen Betrieben zerstört. Die Macht des Mittelmanagements, die wichtigste Schutzmacht der Mit­arbeiter, wurde gekippt.
In den Unternehmen steht jeder im Wett­be­werb mit jedem. Das Klima ist rauher geworden. Der Umgangston ist grob. Überall herrscht die Diktatur der Fakten ‑ so wie sie das Controlling sieht und ermittelt. Es hält zwar die Zahlen weltweit zu­sam­men, aber nicht die Menschen. In vielen Betrieben ist Software der stärkste Schutzfaktor der Unternehmen geworden ‑ vor den eigenen Mitarbeitern. Deshalb rückt nun das Wissensmanagement in den Vordergrund. Zwischen 1996 und 1998 wollen die Firmen hier ihre Investitionen nahezu verzehnfachen ‑ auf vier Milliarden Dollar. 
Die Unternehmen spüren, dass die Zeit, in der sich an der Geschäftsbasis nur wenig änderte, vorbei ist. Hinter dem Trend zu Dienstleistungen steht ein außengesteuertes Geschäft. Doch die Zahlen, die das Controlling produziert, sagen darüber nichts ‑ oder wenn das Falsche: Service sei wenig pro­duktiv und lebt von niedrigen Margen. Giganten wie IBM sind jahrzehntelang genau diesen falschen Zahlen gefolgt. Stattdessen pflegten sie die Produktbasis ‑ mit der Folge, daß sie in gewaltige Strukturkrisen stürzten. Controlling ist stark im Optimieren des Bestehenden, aber schwach im Erkunden des Neuen. Immer häufiger ist deshalb in den USA die Rede davon, daß neue Projekte ohne Einschaltung des IS‑Bereichs aufgesetzt werden ‑ weil dieser zumeist dem Finanzvorstand untersteht und somit alles aus dem Blickwinkel des Controllings betrachtet. Denn es geht nicht mehr ums Optimieren, sondern ums Innovieren.

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