Freitag, 3. Februar 2012

Experton zu IBM-Entlassungen: "Was für ein Unfug"...

... meinen die "unabhängigen Experten" von "Experton", nachdem wohl auch das Heute-Journal die Meldung des Handelsblattes in seine Sendung aufgenommen hatte. Und als Begründung wird von den Expertonern die "grundsolide" Finanzausstattung des Unternehmens genannt. Da IBM zudem keine länderspezifischen Kennzahlen veröffentliche, sei auch "keine direkte Aussage für Deutschland" möglich. Siehe HIER.
Kommentar. Nicht ein Hauch von Kritik schimmert in dieser Meldung und Beurteilung von Experton durch. Man spürt regelrecht den Atem der IBM-PR-Abteilung, die in ihrer Verzweiflung über diese Gerüchte-Nachricht nicht weiß, wie sie die Spekulation über den Abbau von 8.000 Arbeitsplätzen aus der Welt schaffen soll und nun wohl ihre Analysten füttert. Schade, dass die Experten von Experton nicht erwähnen, dass IBM früher sehr stolz auf die Leistungen ihrer lokalen Gesellschaften war und in Bilanzpressekonferenzen die Zahlen zum Beispiel aus Deutschland vom Chef persönlich verkünden ließen. Das war unter Bösenberg so, das war auch noch unter Henkel so. Es war Gerstners Großtat die Lokalfürsten zu entmachten, der dann auch den Bilanzpressekonferenzen ein Ende setzte. Und mit dem Trend zum Offshoring, der Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Indien, war es der IBM unter Nachfolger Palmisano sehr recht, dass diese Tradition der Lokalberichte abgeschafft worden war. Die Vernichtung von Zehntausenden von Arbeitsplätzen in den Hochlohnländern ließ sich somit stets gut verstecken. Betroffen waren davon übrigens ganz besonders die USA. Dass die Kollegen dort leichter entlassen oder nach Indien versetzt werden konnten als deutsche IBMer hatte zwar hierzulande eine aufschiebende Wirkung, aber irgendwann würde man auch hier den Mitarbeitern die Rechnung vorlegen. Ob das nun jetzt geschieht, wie das Gerücht suggeriert, oder erst in zwei, drei Jahren, eins ist sicher, die außerordentliche Ausrichtung der IBM auf lohnintensive Services macht das Offshoring und Outsourcing zu einer permanenten Bedrohung für die Arbeitsplätze in Hochlohnländern wie Deutschland. Das weiß jeder Mitarbeiter. Deswegen ist für sie die Meldung wohl kein "Unfug", sondern eine Konfrontation mit der erwarteten Zukunft. Wenn nun also Analysten sich bemühen, diese mögliche Zukunft auszublenden, indem sie auf die rechtliche Situation in Deutschland hinweisen und meinen, dass es gerade hier schwierig sei, "grundsätzlich neue Modelle der Zusammenarbeit mit entsprechend drastischem Personalabbau (zu) 'testen'", dann klingt auch dies fadenscheinig. Da gibt es nichts mehr zu testen (die amerikanischen Kollegen haben das schon geleistet), da gibt es auf Dauer keine Alternative. Es sei denn, IBM würde ihre Analysemacht, die sie ja angeblich durch milliardensc hwere Aufkäufe aufgebaut hat, mal an sich selbst anwenden und feststellen, dass es nach 25 Jahren Ausrichtung auf das Service-Modell an der Zeit wäre, das Geschäftsmodell radikal zu ändern. Davor hat aber ihr Management eine Heidenangst:
- Denn erstens frisst die Revolution ihre Kinder, wie das Schicksal von John Akers belegt. Er war es, der Mitte der achtziger Jahre unter großen Mühen die Rückkehr zur Service-IBM angestoßen hat. Nicht nur er verlor anschließend seinen Job. Rund 100.000 Mitarbeiter mussten gehen. Eine Neuausrichtung zum jetzigen Zeitpunkt müsste eine ganze Generation an Mangern hinwegfegen, die aber - bevor es sie selbst trifft - erst einmal die "Indianer" entlassen werden. Aber es ist wie in einem griechischen Drama: Je mehr man versucht, sein Schicksal abzuwehren, desto unausweichlicher kommt es auf einen zu.
- Und zweitens hat IBM überhaupt keine Idee, wie denn diese Neuausrichtung aussehen könne. Es ist wohl zu vermuten, dass sich im Management allmählich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Smart-Initiative doch nicht so "smart" ist, sondern eher eine mit Millionen Werbedollar aufgepumpte Verlegenheitslösung ist. Was aber kommt danach? Wie sieht die IBM des Jahres 2022 aus?
Die Analysten von Gartner, Experton und Forrester wissen es auch nicht. Dafür braucht man nämlich mehr als nur Analyse, dafür braucht man Phantasie. Aber für diese Leute ist das wahrscheinlich nichts anderes als "Unfug".
Solch ein Unfug geht übrigens demnächst an die Börse - und heißt Facebook...
Raimund Vollmer

Entwicklung der Mitarbeiterzahlen in den USA
2011: 98.000 (Schätzung, da IBM die Zahlen nicht mehr veröffentlicht)
2010: 101.000 (Schätzung, da IBM die Zahlen nicht mehr veröffentlicht)
2009: 105.000
2008: 115,000
2007: 121.000
2006: 127.000
2005: 133.789
Quelle: Alliance@ibm
BILD schaltet sich übrigens auch ein: Mit folgendem Jobangebot an IBMer
Im Jahr 2005 hatte IBM übrigens noch 22.000 Mitarbeiter in Deutschland.

Unseren gestrigen Beitrag würdigt übrigens der Journalist Berthold Wesseler HIER.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Herr Vollmer hat vollkommen Recht. Als IBMer kann ich bestätigen, dass die Geschäftsführung der IBM Deutschland seit Hans-Olaf Henkel ein Kreis ideenloser und rückgratloser Erfüllungsgehilfen ist, deren Qualifikationsvorraussetzung aus der unreflektierten und stumpfen Umsetzung der Anweisungen aus USA besteht. Auch dies ist ein Grund dafür, dass in den vergangenen Jahren fast ausschließlich gebrainwashede Eigengewächse aus der Berufsakademie in die Geschäftsführung berufen wurden.