Donnerstag, 27. Januar 2011

Die FAZ über SAP: "Amerikaner in Walldorf"

Kommentar zu einem Kommentar
»SAP ist einzigartig in Europa«, kommentiert heute die Frankfurter Allgemeine Zeitung überschwenglich das Geschäftsergebnis aus Walldorf, schränkt dann aber ein: »... denn die Konkurrenz sitzt in Amerika und zunehmend in Asien.« Doch das Lob steht, und dahinter steht nicht die Frage, warum SAP einzigartig ist, also ohne ein anderes Beispiel. Das allein wäre eine Untersuchung wert. Stattdessen führt die FAZ in ihrem Kommentar an, wie sehr amerikanisch SAP inzwischen geworden sei - inklusive der Selbstdarstellung. Das ist nicht erst so, seitdem ein Amerikaner und ein Däne die Firma leiten: »An den neuen Ton aber müssen sich Aktionäre und Mitarbeiter noch gewöhnen. Von derart 'großartigen' und 'gewaltigen' Perspektiven, 'spielentscheidenden' Vorteilen und 'überwältigenden' Mitarbeitern würde ein deutsches Unternehmen kaum sprechen«, befindet das Blatt.
Ehrliches Lob, ehrliche Kritik, faire Belohnung und Bestrafung - das ist eher der Stil der Europäer. Mag sein, dass in einem solchen Umfeld nicht jene Größen entstehen, wie sie sich in den USA durch Aufkäufe und Spekulationen ruckzuck erzeugen lassen. Aber es entstehen durch diese Zurückhaltung verdammt gute Softwarehäuser, alles Mittelständler, von denen viele ebenfalls als einzigartig darstehen. Bloß schreibt darüber die FAZ weitaus seltener. Und die IT-Fachpresse presst in ihren Lobeshymnen diese Unternehmen oftmals in einen von fragwürdigen Anglismen durchsetzten Stil, dass man die Wahrheit vom Euphemismus nicht mehr unterscheiden kann. Die Amerika-Gläubigkeit, die durchaus eine lange Zeit ihre Berechtigung hatte, sollte stark relativiert werden. MP3 und Linux - um nur zwei Beispiele zu nennen - sind europäische Errungenschaften, die zwei von amerikanischen Giganten gepflegte Monopole gesprengt haben. In der Musikbranche und bei Betriebssystemen. Zwei Errungenschaften, die sich als größer gezeigt haben als alle Unternehmen. Genau das ist es aber, was dem amerikanischen Establishment sehr, sehr schwerfällt, weshalb es auch anfangs große Schwierigkeiten hatte, das Internet zu akzeptieren: Es gibt Erfindungen und Errungenschaften, die größer sind als alle Institutionen dieser Erde. Das Internet ist dafür das allerbeste Beispiel. Und es wird auch das Allmachtsstreben von Google, Facebook und Apple überleben - so wie es bereits das von Microsoft, AOL, Ebay und Yahoo! überstanden hat.
Wir Europäer sind es gewohnt in einem Umfeld zu agieren, das größer ist als wir selbst. Wir suchen uns unsere Nischen und Plätze. Und darin sind wir verdammt gut, vielleicht sogar einzigartig.
Raimund Vollmer

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