Freitag, 6. April 2012

Die Gehirnwäsche der Social Networks

So wenig, wie eine "moralische Anstalt" moralisch ist, so wenig ist ein "social network" auch sozial. Eine moralische Anstalt, so machte dereinst Friedrich von Hayek in seinem Buch "Wege zur Knechtschaft" deutlich, erhebt vielmehr den Anspruch, uns zu sagen, was moralisch ist. Und genau so sagt uns heute ein "social network", was genau sozial ist. Mit dem, was wir traditionell darunter verstehen, hat das nichts zu tun, aber auch gar nichts. Sozial ist, was werblich und damit gewerblich genutzt werden kann. Punkt. Und das hat nichts mehr mit Solidarität, Empathie oder Fürsorge zu tun.
Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass wir nach und nach die Umdeutung des Begriffs "sozial" auf immer mehr Lebensbereiche ausweiten werden. Nach dem IPO von Facebook wird der Begriff 100 Milliarden Dollar schwerer sein. Ein gewaltiger Zuckerberg entsteht, eine Welt, in der das Eigenwohl sozial ist, nicht mehr das Gemeinwohl. Was geschieht dann mit unserem Verständnis der "sozialen Marktwirtschaft"? Er wird abgeschafft. Vielen Betriebswirten ist er ohnehin schon lange lästig, zu einem reinen Lippenbekenntnis depraviert.
Vielleicht werden sie nach der Gehirnwäsche durch die Social Networks in ihm genau das Gegenteil dessen sehen, was Erhard und seine Vordenker gemeint haben: Nicht das, was anderen dient, ist sozial, sondern nur das, was mir dient.
In vielen Unternehmen ist diese Denke (leider) bereits auf der Management-Ebene allgegenwärtig. Großzügigkeit gegenüber anderen gilt schon fast als asozial. Es ist traurig, dass die IT-Branche bei der Umdeutung unserer sozialen Werte eine führende Rolle spielt. Immerhin hat sie der Volkszählung und später den Sozialprogrammen der Regierungen ihren Aufstige zu verdanken, echten sozialen Projekten.
Raimund Vollmer

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Empfehlenswert zum Thema das Buch des leider im Jahr 2003 verstorbenen Prof. Vester:

"Die Kunst vernetzt zu denken - Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität. Bericht an den Club of Rome"

http://www.frederic-vester.de/deu/werke/die-kunst-vernetzt-zu-denken/