... und das liegt nicht nur an den Absatzschwierigkeiten in Asien oder an anderen konjunkturellen Faktoren. Das liegt daran, dass die IT-Branche in ihrer unerschütterlichen Profitgier auf ein Vermarktungskonzept zusteuert, mit dem sie sich selbst ins Aus steuert. Da sind zum einen all jene Unternehmen, die sich aus den Werbetöpfen ernähren, also Google & Co.. Die Anzahl der Clicks steigt, aber die Preise, die pro Click erzielt werden können, sinken schneller. Ein Zeichen dafür, dass auch die Werbeetats erstens endlich sind und zweitens einer genaueren Überprüfung unterzogen werden. Wo ist das Werbegeld am effizientesten eingesetzt? Das wird zur entscheidenden Frage an Big Data. Und plötzlich stellt man fest, dass Big Data die falschen Daten liefert. Es sind jedenfalls nicht die, die sich Suchmaschinengiganten erhoffen, um ihr Geschäft anzuregen, sondern die, die zeigen, dass man zwar sehr effizient das Konsumverhalten im Netz messen kann, aber diese Zahlen nicht dazu führen, dass wirklich mehr gekauft wird. Das wird weitergehende Überlegungen anregen: Wenn das Internet mit seinen elektronischen Marktplätzen nicht die Ergebnisse liefert, die man sich davon versprach, dann verändert dies auch die Investitionen in die (eigene) IT.
Hinzu kommt, dass die Unternehmen ihre eigenen Webseiten geradezu stümperhaft bedienen. Es geht dabei nicht um die Optik. Die Facebook-Seiten wirken künstlich, wenig authentisch, sind vermurkst durch belanglose Pressemitteilungen und Hurra-Meldungen, die deswegen so hohl klingen, weil man an anderen Orten im Netz erfährt, dass das Dargestellte gar nicht der Wirklichkeit entspricht.
Man erzeugt dadurch die eigene Enttäuschung über den Wirkungsgrad von Facebook und mindert sein Engagement. Und da es ja ein Dutzend solcher Plätze gibt, auf denen man sich selbst im Wege steht, führt dies letztlich zu einer zögerlichen Investitionsbereitschaft. Die IT-Branche kann ihre eigenen Erwartungen nicht erfüllen und verliert dadurch - vielleicht sogar endgültig - das Vertrauen der Firmenchefs, die sagen: "Business und IT gehen einfach nicht zusammen". Zumindestens nicht in der Kommunikation mit Individuen, die sich übrigens nach wie vor auf hervorragende Weise im Netz selbst organisieren - und damit die Werbegelder, die das alles finanzieren, höchst effizient nutzen. Es ist nur nicht im Sinne der Werbetreibenden.
Das zweite große Thema, das die IT ins Abaseits drängen wird, ist Cloud Computing. Dahinter steckt eine Welt, in der alles Service ist (- sogar der Service, um diesen verbalen SaaS-Albernheiten die Krone aufzusetzen). Und alles kann verbrauchsabhängig abgerechnet werden, aber auch pauschal als Flat Rate, auf jeden Fall jedoch monatlich. Dies ist letzten Endes die Wiedereinführung der Miete durch die Internet-Tür. Die Miete war ein grandioses Erfolgsmodell, mit dem IBM jahrzehntelang die IT-Welt total beherrschte. Und sie hätte es ewig weitergetrieben, wenn nicht die Antitrustbehörden in den USA den Giganten gezwungen hätten, auch Verkaufspreise anzubieten. Das war der Anfang vom Ende. IBM musste wieder innovativ werden, um sich daraus zu befreien. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Anbieter faszuniert sind von diesem Erfolgsmodell, das sie nun mit gewaltigem Werbegetöse wiederaufleben lassen wollen. Kontinuierliche Einnahmen versprechen sie sich davon. Was sie verschweigen, ist, dass wir damit uns in ein Gefängnis einschließen. Denn wenn wir die Miete nicht mehr bezahlen, können wir auch nicht mehr die Software benutzen, mit der wir zum Beispiel unsere Produkte entwickelt haben. Vor allem aber nimmt es den Innovationsdruck von den Anbietern. Sie müssen nicht mehr alle zwei Jahre ein neues Release herausbringen, um den Verkauf anzuregen. Und diese neuen Release nimmt keiner, wenn er sich nicht entscheidende Vorteile davon verspricht. Im Mietmodell ist jeder Monat, der keine Neuerung bringt, reiner Profit. IBM hat das meiste Geld mit alten Maschinen verdient. Der Ankündigungszyklus betrug sechs Jahre. Und die Mitbewerber, die auf Innovationen setzten, um IBM paroli bieten zu können, blieben ohne Chance.
Diese Abhängigkeit vor Augen werden viele Anwender auf der letzten Version ihrer einmal gekauften Software (die sie ja mietfrei weiter einsetzen können) verharren wollen. Aber wielange können sie dies trotz langsamerer Innovationsrate in der Cloud durchhalten? Irgendwann werden sie dennoch dem Mietmodell verfallen, das sein Trägheitsgesetz dann endlich perfektionieren kann. Die IT-Branche wird zum Rentner-Paradies der Anbieter. Das ist das heimliche Modell der Leute, die jetzt das Cloud-Marketing betreiben. Sie tun dies auch deshalb so leidenschaftlich, weil sie eigentlich gar nicht an der IT und an Innovationen interessiert sind. Aber sie stellen sich damit selbst eine Falle.
Denn seltsamerweise sind die Firmenkunden, die man bei der Cloud ganz besonders im Auge hat, nicht nur durch ihre Facebook-Erfahrungen frustriert, sie stehen ohnehin der IT skeptisch gegenüber. Das wird zwar nicht offen zugegeben, aber man muss nur mal auf Veranstaltungen gehen, auf denen die IT eine Rolle spielt, ohne dass ein Anbieter dabei ist oder Leute aus der eigenen IT. Da wird ganz anders gesprochen. Und wenn das Mietmodell als Abzockermodell mal entlarvt wird, was über kurz oder lang der Fall sein wird, dann werden sich diese Entscheider (und es sind oftmals die entscheidenden Entscheider) in ihrem Argwohn bestätigt sehen.
Übrigens: IBM war in den fünfziger Jahren in dieselbe Falle hineingetappt. Das Mietmodell hatte sie zu einem innovationsschwachen Unternehmen gemacht. Und dann, ja dann, nahm sie 1961 ihren ganzen Mut zusammen und startete die Entwicklung der /360, dem Rechner, der wahrscheinlich mit einem Schlag mehr Innovationen präsentierte als jede Ankundigung davor und danach. Das allerdings haben Unternehmer und Entwickler entschieden, nicht Betriebswirte. Die /360 wurde ein Riesenerfolg. Aber ein ähnliches Risiko ist IBM nie wieder eingegangen, weil fortan die Betriebswirte das Sagen hatten. Die setzten mit aller Macht das Mietmodell wieder in Kraft (das dann allerdings wieder durch Antitrust - durch Unbundling - zerstört wurde. Das ist aber eine andere Geschichte).
Und heute? Wir müssen uns nur die Quartalszahlen anschauen, um zu erkennen, dass nun die Betriebswirte mit ihrem Latein am Ende sind. Die Cloud steht nicht am Anfang einer neuen Ära, sondern an dem Ende einer Epoche. Was die IT braucht, ist ein neues /360-Projekt. Nächstes Jahr wird die /360 ein halbes Jahrhundert alt. Aus lauter Angst vor der Botschaft, die sie uns überliefert, wird die IBM diesen Geburtstag nur sehr verhalten feiern - und uns berichten, wie schleppend das Geschäft sich insgesamt entwickelt. Aber IBM wird mit solchen Nachrichten nicht die einzige sein.
Wie lautete eine legendäre Schlagzeile der Computerzeitschrift BIT: "In der Masse stirbt sich's leichter."
Raimund Vollmer
1 Kommentar:
Es ist ganz anders: Jeder stirbt für sich allein - auch in der Masse!
DEC, Wang, Nixdorf, Kienzle, Data General, Prime, Compaq, HP, Dell, IBM...
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