(Kommentar) Vor 25 Jahren entwarf der IBMer Dr. Edwin Vogt die Idee der "Composite Applications". Es war der Versuch, viele kleine Anwendungen so zu konstruieren, dass sie beliebig miteinander vernetzt werden können. Es war damals eine grandiose Idee, und der Deutsche wurde überall bewundert. Doch die Idee kam zu überraschend für ein Unternehmen, das justament eine Niederlage nach der anderen einstecken musste. "OfficeVision" musste aufgegeben werden. Dahinter stand die Idee, die Welt der Büro-Arbeit ebenso zu verändern, wie dies heute IBM und Apple mit ihrer Kooperation vorhaben. AD/Cycle, das die Werkzeuge für die Anwendungsentwickklung liefern sollte, ging ebenso den Bach herunter. Unvergessen in der COPICS-Umgebung war das Projekt Saxon, mit dem IBM einen genialen Nachfolger für die Produktions-Planung und -Steuerung liefern wollte. SAA, die System Anwendungs-Architektur, die über alle Systemgrenzen hinweg die Welt der Anwendungen miteinander verbinden sollte, strebte mehr und mehr dem Sankt Nimmerleinstag entgegen. Von CIM war auch bald keine Rede mehr. Nur die CAE-Welt, die in den siebziger Jahren mit den Flugzeugherstellern Lockheed (CADAM) und Dassault (CATIA) intensivst - übrigens von Deutschland aus - vorgeprüft und vorbereitet worden war, hielt über drei Jahrzehnte wie Pech und Schwefel zusammen. Doch jetzt ist die CAD-Welt auch aus dem IBM-Imperium verschwunden. Dass IBM nicht die Chancen sah, die die vier SAP-Gründer dann mit der ERP-Welt alleine realisierten, dass ein Erwerb des Softwarehauses in den achtziger Jahren offenbar gründlich verpatzt wurde, macht die Leidensgeschichte der IBM nur noch länger.
Nein, in der Welt der Anwendungen hat sich IBM nie mit Ruhm bekleckert. Schade, denn die Anwendungen, nicht die Systemsoftware, sind der Schlüssel zu allem anderen. Vielleicht wäre es viel, viel klüger gewesen, wenn IBM Kooperationen mit ihren Kunden eingegangen wäre, um die Anwendungen der Zukunft zu bauen oder bauen zu lassen. Klar, der Weg wäre mühsam gewesen. Die Tagesschau würde niemals darüber berichten. Der PR-Effekt wäre minimal. Aber auf Dauer wären wieder die Umsätz gestiegen, das Unternehmen hätte wieder Arbeitsplätze geschaffen, der Aktienkurs hätte sich belebt - und zwar so, dass die Gewinnsteigerungen gar nicht mehr hinterher kämen. Aber das hätte keinen Aktionär gestört.
Nun werden wir erleben, wie Gini & Co. noch versuchen werden, durch Griffe in die PR-Trickkiste immer wieder Aufmerksamkeit zu erzeugen. Aber auf Dauer werden immer weniger drauf reinfallen.
Besser wäre es, wenn die Entwickler noch einmal das Vogt-Papier hervorkramen würden, wie überhaupt die Pläne und Ideen der Chefdenker wie etwa Heisterberg, und dann von grundauf einen Baukasten der Anwendungen errichtet hätten, gemeinsam mit ernsthaften jungen Leuten aus den eigenen Reihen und denen ihrer Kunden. Dann wäre sogar Blue Harmony (gibt's das überhaupt noch?) längst am Markt.
Raimund Vollmer
Übrigens: Wer immer noch der Überzeugung ist, dass hinter IBM ein gesundes Geschäftsmodell steht, der möge diesen Artikel aus dem durchaus anlegerfreundlichen Wirtschaftsblatt Forbes lesen.
2 Kommentare:
IBM ist und bleibt eine Infrastruktur-Company. Die Apps sollte sie Apple überlassen, oder besser noch der Software-Industrie. Vielleicht wäre sowas wie ein iTunes-Markt für Business-Apps der richtige Ansatz? Bluemix ist es sicher nicht...
Warum kauft Apple die IBM nicht einfach - und bringt sie endlich wieder auf Kurs???
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