Mittwoch, 24. April 2024

Die Cloud – Die Kommandohöhe aus Walldorf

Der FAZ-Check vom 24. April 2024

Von Raimund Vollmer

Damit dies auch der letzte unter uns, also ich, kapiere, wiederhole ich es noch einmal: Nicht wir bestimmen die Prozesse, die digitalisiert werden sollen, sondern die Digitalisierung selbst bestimmt die Prozesse. Wir haben nichts mehr zu sagen. Punkt. Aus. Vorbei.

Natürlich kann Christian Klein, Vorstandssprecher der SAP, eine solche Behauptung jederzeit für Unternehmen der Privatwirtschaft aufstellen. Effizienz ist hier oberstes Gebot. Und das lassen wir auch mal so stehen.

Aber er meint, wie einem Bericht der FAZ von heute zu entnehmen ist, die Rahmenbedingungen in Deutschland und in der EU. Er betritt also Hoheitsgebiete und fordert hier „grundlegende Reformen“. Und damit meint er vor allem eine stärkere Zentralisierung, was auch zumeist Vereinheitlichung meint. Und dafür sorgt allein die Cloud.

Wenn die Wirtschaft diese Ansicht für sich teilt, so ist das deren Sache. Wenn man dies allerdings auf unseren Bürgerstaat überträgt, dann ist diese Ansicht sehr, sehr kritisch zu sehen.

Es gehört zur Betriebsblindheit der Informatik und ihrer Unternehmen, dass sie vergisst, dass die „Rahmenbedingungen“ in Deutschland und in der EU auf horizontaler und vertikaler Gewaltentrennung basieren – und auf Föderalismus. Diese „Rahmenbedingungen“ stehen über allem, solange eine Verfassung wie unser Grundgesetz sich dadurch definiert, uns, den Bürgern, Schutz gegenüber dem Staat zu gewähren. Alle Gewalt geht vom Volke aus – und nur, weil verfassungsrechtlich gesichert ist, dass die Gewalten in Legislative, Exekutive und Jurisdiktion getrennt sind, hat der Staat das Gewaltmonopol. Die Gewaltentrennung, die nicht nur zwischen diesen drei Säulen, sondern auch innerhalb ihrer Bereiche ausgeübt werden soll, gibt dem Staat überhaupt das Recht, im Namen des Volkes handeln zu können. Das ist bestimmt nicht immer effizient und in Deutschland mit der Institution des Bundesrates noch besonders kompliziert, aber dieses System wurde vor 75 Jahren mit voller Absicht gewählt, um nie wieder solche Strukturen zu haben, wie sie sich der Nationalsozialismus geschaffen hat. Vor allem die Amerikaner hatten als Anreger einer Verfassung auf diese „Ineffizienz“ wert gelegt.

Das sind schlichtweg unsere staatlichen Rahmenbedingungen, über die keine grundlegende Reform sich hinwegsetzen kann – schon gar nicht durch eine Zentralisierung. Wer das versucht, handelt wider die Interessen der Bürger.

Dass der Staat durch zu viele Reglementierungen versucht, sein inneres Macht-Patt zu kompensieren, ist andererseits höchst kritikwürdig und bewirkt eine zunehmende Entfremdung von Staat und Bürger. Vereinfachung ist hier dringend erwünscht – aber nicht durch Zentralisierung, sondern zuallererst durch Abschaffung von Regelwerken. (Allerdings stimmten die Truthähne auch nicht für Weihnachten.)  

Doch das Geschäftsmodell der SAP, letztlich einem reinen Buchhalter, basiert darauf „wöchentlich neue Anwendungsfälle“ (Klein) zu schaffen. Mit Hilfe von KI, in deren Namen alles zur Cloud wird. Diese Anwendungsfälle haben in sich als Motor die Versuchung noch mehr zu reglementieren – weniger durch Gesetze, der Bundestag müsste ja dann rund um die Uhr tagen, als vielmehr durch Software. Und die besteht aus Befehlen.

So errichtet SAP mit der Cloud eine Kommandohöhe, die – was die Privatwirtschaft anbelangt – auch Privatsache bleibt. Aber wenn es um Rahmenbedingungen geht, also um den Staat, liefe sie Gefahr, durch die Hintertür  jenes Regime hereinzulassen, das uns in China vorgelebt wir:

Die Cloud hat immer Recht. 

Da kann ich nur zustimmen.  


Basis: FAZ, 24. April 2024, Bernd Freytag: "'Wir starten mit der Cloud durch'"

 

13 Kommentare:

Analüst hat gesagt…

Die Cloud ist kein Allheilmittel für IT- und Digitalisierungsprobleme - im Gegenteil. Cloud-Computing doch nix Neues, sondern nur das Computing auf Rechnern anderer Leute. Früher nannte man das Timesharing, Outsourcing, Hosting oder Application Service Providing. Die Cloud ist eine reine Vernebelungs-Taktik der IT-Konzerne. Früher sprach man treffender von Fog Computing 🤣🤣🤣

Anonym hat gesagt…

Das wäre mir die rechte Höhe,
Da zu befehlen, wo ich nichts verstehe!
-
Johann Wolfgang von Goethe

Anonym hat gesagt…

👍

Anonym hat gesagt…

Fog computing ist heute noch ein periodisches Phänomen. Da werden als ASP ein zz ein Frösche über die Strasse exportiert.

Anonym hat gesagt…

Der Enttäuschte spricht. - "Ich horchte auf Widerhall, u0nd ich hörte nur Lob -".

Besserwisser hat gesagt…

Von Nietzsche, nehme ich an 🤣🤣🤣 Denn:
"In leeren Köpfen finden Versprechungen besseren Widerhall."
Dr. phil. Jürgen Wilbert (*1945), deutscher Andragoge

Anonym hat gesagt…

Ein Fürst, der selbst aufrecht ist, der braucht nicht zu befehlen, und alles wird getan; ein Fürst, der selbst nicht aufrecht ist, mag er auch noch so viel befehlen, gehorcht wird ihm ja doch nicht.
-
Konfuzius

Anonym hat gesagt…

....und ein Fürst, der sein Bein hinterher zieht, zieht auch in den Krieg. 😎

Besserwisser hat gesagt…

Solche Fürsten lassen andere in den Krieg ziehen 🤮

Anonym hat gesagt…

Watt is'n datt?

Anonym hat gesagt…

...der mit dem Bein war nur einer.
Die Parade hat er zu Pferd selbst abgenommen.

Besserwisser hat gesagt…

Manche sitzen auch nur auf dem Balkon bei der Parade und lassen sich einen Champagner servieren

Anonym hat gesagt…

Deutschland ist ein Hightech-Land.
Sogar der Begriff Handy wurde hierzulande geprägt, genauer gesagt in Schwaben. Als bei der Stuttgarter Eugen Gscheidle & Hans Kepfle GmbH die Außendienstmonteure ein tragbares Funktelefon bekamen, das im Auto mit Steckschnappverschluss am Akku angebracht wurde, stellte ein Mitarbeiter perplex die Frage: "Hanoi, henn die koi Kabel?"