1989: „Es gibt keine Vergangenheit, weil man sie beliebig für den momentanen Gebrauch auswechseln kann. Es gibt keine Zukunft, weil eine Zukunft ohne Geschichte nicht existiert. Es gibt nur eine Gegenwart, doch auch sie ist ein wenig aus den Fingern gesogen, denn ohne Gestern und Morgen wird der heutige Tag zum leeren Klang.“
Andrzej Szczypiorski (1924–2000), polnischer Schriftsteller
13 Kommentare:
Hä? Kannitverstan…
Hohle Töpfe haben den lautesten Klang.
Als Pole weiß er, wovon er redet.
In den letzten 50 Jahren war Polens Geschichte mal wieder eine dramatische Lüftlmalerei.
Dramatik können sie!
Die Polen haben sich oft selbst nicht verstanden.
Hohle Köpfe auch.
Noch ist Polen nicht verloren!
Der Tag heute mag für Andrzej zum leeren Klang werden - für uns nicht. Wir haben Grillfest und nur leere Bierfässer klingen.
👍
Gott hat nur das Wasser erschaffen, der Mensch aber den Wein. So hat halt jeder seine fließenden und flüssigen Ideen. Natürlich: Wir trinken Wein, weil wir unglücklich sind. Nur wer um den Daseinsekel weiß, kann Lebenshunger haben. Schon im 19. Jahrhundert meinte der große Theoretiker des Genießens Jean-Anthelme Brillat-Savarin, es sei wichtiger, ein neues Rezept zu entdecken, als einen neuen Stern in der Milchstrasse. Wenn der Himmel leer ist, tut ein voller Bauch wohl. Doch wo das Essen nur die materiellen Gelüste befriedigt, bildet der Wein den intellektuellen Teil des Mahls. Seine Farbe beschämt die Alten Meister. Der Duft seiner Blume ist ein erotisches Versprechen und der Inhalt der Flasche mehr als ein erotisches Genussmittel. Er ist geronnene Zeit, ein philosophisches Rätsel. "Ein Wein ist ein Porträt", schreibt der Philosoph Michel Onfray, "das sich niemals verkleiden kann." Deswegen kann man es beschrieben. Der Franzose ist ohne Zweifel der hedonistischste Philosoph der Gegenwart. Und so jemanden brauchen wir in solchen Zeiten. Seine Bücher besingen das flüchtige Dasein, den gemäßigten Rausch, die kultivierten Sinnenfreuden und ihre Stimulanzien, die man mit einer Saskia Esken oder Ricarda Lang niemals haben kann.
Wenn man schon sterben muss, schloss Onfray in seinem Buch 'Die genießerische Vernunft' sollte man wenigstens so oft wie möglich von den Äpfeln des Paradieses naschen, "damit Thanatos, wenn er schließlich den Sieg davontragen wird, nur einen bis zum letzten Feuer verbrannten Körper in seinem Quersack zu verstauen braucht ".
In seinem Essay 'Die Formen der Zeit' erzählt Onfray die Geschichte der Welt als Theorie des Sauternes-Weins. Sechs Tage nur braucht er, um - analog zur biblischen Schöpfungsgeschichte - von den Anfängen der Welt zur Weinprobe in die Gegenwart zu eilen.
Selten machte über Wein zu lesen soviel Spaß. Schon Platon hat in seinem 'Gastmahl' das Saufgelage philosophisch geadelt.
Natürlich ist solcherlei Sinnenfeier nicht jedermanns Sache. Aber das Fließen der Zeit auf solche Weise philosophisch kennenzulernen, ist nicht nur eine erkenntnisreiche sondern auch köstliche Sache.
Das ist meine Idee zum Software-Strom.
Michel Onfray
Die Formen der Zeit Merve Verlag Berlin
Danke!
Das musstegesagt werden auf den Szczypiorski
"Ich habe nur wenig Phantasie, ich schreibe nur über das, was ich kenne".
Man darf nicht vergessen: Gott hat das Wasser erschaffen, aber auch die Weinrebe. Damit der Mensch überhaupt seinen Wein keltern kann. Und sein Sohn hat auf einer legendären Hochzeit dem Brautvater aus der Patsche geholfen…
den leeren Klang eben.
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