Donnerstag, 8. Mai 2025

Anlässlich des 8. Mai 1945

 Die Worte waren klar und deutlich: „Ich sehe, Sie gehören nicht zu dieser Generation“, sagte Henry F. Sherwood bei unserer ersten Begegnung 1978 in Bad Homburg. Er war Jude und Amerikaner, deutscher Abstammung. Ein Berliner. Wie sein jüngerer Bruder, Jahrgang 1923, der damals in der IT-Szene weltberühmt war: Joseph Weizenbaum, den ich ein Jahr später, am 2. Weihnachtstag 1979, kennengelernt habe und nach der Emigration 1936 seinen Geburtsnamen beibehalten hatte, während aus Heinrich Henry und aus Weizenbaum ein ganzer Wald wurde, der Wald, in dem Robin Hood lebte.

Ein halbes Jahr später, im Sommer 1980, fuhren Joseph und ich von einem Besuch in einem Fernsehstudio in Rüdesheim am Rhein entlang zurück nach Sankt Augustin, wo der MIT-Professor als Gast der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung) aufhielt. Ich fragte ihn: „Was denken Sie eigentlich, wenn Sie älteren Deutschen begegnen?“ Und er antwortete: „Ohne dass ich es äußere, läuft in meinem Hinterkopf immer dieselbe Frage ab: ‚Was hast Du gemacht?‘“ Ich glaube, ich war so baff, dass ich minutenlang habe nichts sagen können.

Bis heute – und vor allem heute – bin ich immer noch sprachlos. Weizenbaum hatte 1966 die Mutter aller Chatbots geschaffen: Eliza. Ihr lag ein grandioses Sprachmodell zugrunde, das wahrscheinlich als erstes die Barriere zu künstlicher Intelligenz durchbrach. Das in Rüdesheim aufgezeichnete Interview, in dem ich auch eine kleine Rolle spielen durfte, können Sie sich gerne hier ansehen: WEIZENBAUM. Ich war damals 28 Jahre alt.

Übrigens war Weizenbaum einer der wenigen Professoren ohne Doktor-Titel. Warum auch? Er hatte ja seinen eigenen „Doctor“ erfunden: Eliza. 

Raimund Vollmer

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Am Mittwoch hat der verdiente 95-jährige Filmproduzent um Weizenbaums Hinterkopffrage ein erhellendes Interview der SZ gegeben, über seine Jugend im Nazi-Saarland und seiner Bekanntschaft zu Siegfried Unseld.

Anonym hat gesagt…

In einer Gesellschaft, in der die Virtuosität der Verkaufswerbungschritt halten muss mit der Virtuosität des Produzierens, fühlt man sich zu der Frage veranlasst, ob die Werbung es auf die Dauer schaffen werde. Denn obwohl die Produktion offenbar nicht die Keime der Selbstzersetzung in sich birgt, könnte das mit der Werbung möglicherweise der Fall sein. In einer nicht allzufernen Zukunft wird vielleicht die Stimme des einzelnen Verkäufers im Kollektivgebrüll der gesamten Sparte untergehen. Wie es mit den bekannten Ermahnungen, brav zu sein, und mit den Warnungen vor dem Sozialismus gegangen ist, so kann es auch mit der Werbewirtschaft werden: Eines Tages wird sie gegen Ohren trommeln, die durch ewige Wiederholung taub geworden sind gegen alle Werbeparolen...
John Kenneth Galbraith
Gesellschaft im Überfluss
1958

Anonym hat gesagt…

Sorry, Namen vergessen:
Günter Rohrbach
Das Boot, Rote Erde

Anonym hat gesagt…

Sherwood hatte neun Töchter und einen Sohn.

Analüst hat gesagt…

Laut Wikipedia wählte er den Beinamen Francis nach einem seiner Vorbilder, dem heiligen Franziskus, den Nachnamen nach dem Wald aus den Geschichten um Robin Hood.

Passt also zu Habemus Papam…

Besserwisser hat gesagt…

Wie man sich täuschen kann: Solow glaubte noch bis zu seinem Tod 2023 im Alter von 99 Jahren, dass technologische Innovationen eine entscheidende Rolle für das langfristige Wirtschaftswachstum spielen.

Besserwisser hat gesagt…

Dabei sind es die 3A: Arbeit, Ausdauer und Akkuratesse